Die US-Konjunktur kriegt noch mal die Kurve

Und damit hält auch die Verflachung der Zinsstrukturkurve in den Vereinigten Staaten weiter an. Ein inverser Verlauf – in den vergangenen 50 Jahren verlässlicher Vorbote einer aufziehenden Rezession – dürfte allerdings noch länger auf sich warten lassen. Zwar sinkt, durch den schnelleren Renditeanstieg am kurzen Ende, die Risikoprämie für eine längere Kapitalbindung. Noch geht der Markt aber mehrheitlich von leicht steigenden Renditen und mehreren Zinsschritten der Fed aus. Das Ende des Erhöhungszyklus – als Reaktion auf eine stagnierende oder sogar schrumpfende Wirtschaft – ist damit zumindest für das laufende und kommende Jahr unrealistisch. Die Steuererleichterungen dürften dem US-Wachstum 2018 einen zusätzlichen Schub verleihen, eine Überhitzung findet ebenfalls noch nicht statt: Unsere Volkswirte rechnen mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung um 2,6 Prozent, 2019 dürften dann noch 2,4 Prozent drin sein.

Steigende Renditen erreichen Realwirtschaft

Nichtsdestotrotz kommen die steigenden Renditen mehr und mehr auch in der Realwirtschaft an. Die Zinsen auf Immobilien- und Autodarlehen kletterten zuletzt auf das höchste Niveau seit 2013, Kreditkartenzinsen liegen sogar teilweise so hoch wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Während die Verbraucher also schon etwas mehr zahlen müssen, sind die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen weiterhin gut: Banken reichen das immer noch billige Notenbankgeld an die Firmen weiter. Zudem hilft die Steuerreform, die sowohl den Konsumausgaben der Privathaushalte als auch den Unternehmensinvestitionen extra Rückenwind verleiht. Wenn dieser Einmaleffekt ausläuft, könnte die Entwicklung über kurz oder lang aber auch die Wachstumsdynamik hemmen.

Keine Krise in Sicht

Noch sind diese Sorgen allerdings verfrüht. Das zeigt sich auch an der Marktreaktion: Nachdem die zehnjährigen US-Renditen Ende April die Drei-Prozent-Schallmauer durchbrochen hatten, setzte zunächst eine Seitwärtsbewegung ein. Auch Risikoanlagen erholten sich.

Laut unseren Volkswirten dürfte die Inflation in den USA zwar im laufenden Quartal weiter anziehen – insbesondere aufgrund der deutlich gestiegenen Rohstoffpreise. Für das zweite Halbjahr ist allerdings bereits wieder eine Abschwächung des Preisauftriebs zu erwarten. Ein Grund hierfür ist, dass die US-Steuerreform das Wachstum in den Vereinigten Staaten eben nur temporär und nicht nachhaltig befeuern dürfte. Wir erwarten also eine Stabilisierung auf hohem Niveau. All dies dürfte auch den Renditeanstieg begrenzen.

Ende September 2018 sollten die zehnjährigen US-Treasuries bei 3,1 Prozent rentieren, zum Jahreswechsel dürfte dann bei 3,2 Prozent der vorläufige Höhepunkt erreicht sein. Schwankungen um diese Marke und auch ein kurzfristiges Überschießen sind zwar wahrscheinlich, grundsätzlich gehen wir auf diesem Niveau aber von einer Plateaubildung aus. Die Bewegung muss also beobachtet werden, ein unmittelbarer Konjunkturabschwung steht aber unserer Ansicht nach nicht bevor.

Autor Stephan Hirschbrich ist Head of Rates bei Union Investment.

Foto: Union Investment

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