Das Übernahmefieber wird sich zu einer Epidemie ausweiten

Hat ein Unternehmen erst einmal angefangen, aufzukaufen, kommt es in der Branche zu einem Dominoeffekt. Alle Konkurrenten müssen das Übernahmespiel mitspielen, um die eigene Marktposition und Preissetzungsmacht zu verteidigen. Nur so bleibt man Hecht im Karpfenteich. So ist im Chemiebereich die Übernahme von Monsanto durch Bayer die logische Reaktion auf die Fusion von Dow Chemical und Dupont. Auch BASF weiß seitdem, was die Stunde geschlagen hat.

Auffress-Dynamik sorgt für Unruhe

Ähnlich einzuschätzen ist die geplante Übernahme des Chipherstellers Qualcomm durch Branchenkonkurrenten Broadcom. Aus diesem Deal geht der weltweit drittgrößte Chiphersteller nach Intel und Samsung hervor. Diese Auffress-Dynamik sorgt für Unruhe im Karton. Zur Marktanteilsausweitung werden mittlerweile aber auch die Branchen Konsum, Medien, Logistik, Versorger und Infrastruktur von Übernahmen und Fusionen heimgesucht.

Im Gesundheitssektor zwingen im wahrsten Sinne kranke, Geld-mangelernährte Gesundheitssysteme, hohe Entwicklungskosten für die Neuentwicklung von Medikamenten und der Aufbau schlagkräftiger Vertriebssysteme zur Branchenkonzentration.

Digitalisierung als besonderes Treibmittel von Übernahmen

Durch die größte industrielle Revolution seit Erfindung der Dampfmaschine, die Digitalisierung, kommt es zu einer besonderen Übernahmephantasie. Die Know-how-Träger aus den Technologiebranchen sind vor Übernahmen so wenig sicher wie die arme Seele vor dem Teufel. Eigenentwicklungen würden viel zu viel wertvolle Zeit verplempern, die man im Globalisierungskampf nicht hat. Nicht zu unterschätzen ist auch die geostrategische Dimension des Übernahmethemas. Länder wie China wollen – koste es, was es wolle – zu innovativen Industrieländern werden, um über Wirtschaftskraft noch mehr Weltmacht zu werden. Dazu jagen sie zum Beispiel den mit vielen Patenten ausgestatteten deutschen Mittelstand wie Löwen die Antilopen.

Grundsätzlich zahlt das übernehmende Unternehmen immer einen satten Kursaufschlag auf den Aktienkurs des zu übernehmenden. Denn es ist wie auf dem Heiratsmarkt. Ist die Kandidatin/der Kandidat erst einmal weggeschnappt, ist sie oder er weg vom Fenster.

Die Aktienhausse nährt die Übernahmehausse, die wiederum die Aktienhausse nährt

Als Übernahmewährung von Unternehmen sind übrigens gestiegene Aktienkurse bestens geeignet. Je höher die Marktkapitalisierung, desto mehr Übernahmekaufkraft hat der räuberische Übernehmer bei Bezahlung mit eigenen Aktien. Die Übernahmeaktivitäten werden noch lange ein wohlschmeckendes Salz in der Börsensuppe sein.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.

Foto: Baader Bank

 

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