Anhaltender Schub für Tech-Aktien

Die Rally der Technologieaktien scheint kein Ende zu nehmen. Dies ist ein gutes Omen – auch für den Gesamtmarkt in den USA, der stark von der Kursentwicklung der Tech-Aktien geprägt ist. Es gibt aber eine ernsthafte Bedrohung dieser Erfolgsgeschichte.

Markus Golinski, Union Investment: „Der Technologie-Sektor ist breit gefächert, nicht alle Titel sollten in einen Topf geworfen werden.“

Technologieaktien strafen bislang alle Schwarzseher Lügen. Mit prozentual zweistelligen Kursgewinnen haben sie an der Börse erneut ein hervorragendes Jahr hinter sich. Im vergangenen Jahrzehnt hatten Technologiewerte wie Apple, Mastercard oder Microsoft einen hohen Anteil an den Kursgewinnen des breiten US-Marktes gemessen am S&P 500-Index. Geht die Reise nun weiter, oder platzt bald eine Blase, wie Skeptiker behaupten?

Vielfältiges Universum

Der Technologie-Sektor ist breit gefächert, nicht alle Titel sollten in einen Topf geworfen werden. Da gibt es die konjunkturanfälligen Halbleiterkonzerne, ohne deren Kompetenz eine stetige Steigerung der Rechenkraft für neue Anwendungen gar nicht möglich wäre.  

Am anderen Extrem finden sich sehr stabil wachsende Software-Riesen wie Microsoft oder SAP, die hohe Cash-Flows erzielen und attraktive Dividenden zahlen. Selbst der Konsumelektronik-Hersteller Apple wird immer weniger abhängig vom Erfolg seiner Hardware-Produkte, insbesondere dem iPhone. Inzwischen wächst der Anteil des Servicegeschäfts wie dem AppStore, iTunes oder dem TV- und Cloud-Geschäft deutlich schneller. Dieses bietet wiederkehrende, gut prognostizierbare Einnahmen, die jetzt schon ein Fünftel des Gesamtumsatzes ausmachen.  

Wachstum mit 5G und Cloud

Gerade der Aufbau des neuen ultraschnellen Mobilfunknetz-Standard 5G bringt neue Dynamik in den Technologiesektor, und dies nicht nur wegen des Ausbaus der Infrastruktur und der Einführung neuer Smartphone-Modelle. Auch Software- und Datenanalyseunternehmen profitieren davon. Das 5G-Netz macht sehr datenintensive Geschäftsmodelle, die mobil abrufbar sein müssen, möglich. Das Internet der Dinge, das seit vielen Jahren propagiert wurde, kommt durch 5G erst richtig ins Rollen. Studien prognostizieren, dass bis 2025 die Zahl der mit dem Internet verbundenen Geräte wie Tablets, Smartphones, Haushaltsgeräte sowie Maschinen und andere Geräte von rund 22 Milliarden auf 38,6 Milliarden steigen wird.

Ein weiterer wichtiger Treiber für die Technologiebranche ist auch die Verlagerung von Anwendungen und Daten auf zentrale Server im Internet, bekannt unter dem Begriff Cloud Computing. Hier ist noch kein Ende abzusehen. Vom globalen Wachstum profitiert die unangefochtene Nummer eins im Cloud-Geschäft, Amazons AWS, vor Microsofts Azure. Auch die Google-Mutter Alphabet baut das Cloud-Geschäft aus, doch ist der Anteil dieser Sparte am Konzernumsatz noch klein.

In einer eigenen Liga spielen die Internet-Giganten Alphabet und Facebook jedoch in ihrem Kerngeschäft. Die beiden sind fast so etwas wie ein Duopol auf dem digitalen Werbemarkt geworden. Was früher bei den gedruckten und traditionellen elektronischen Medien an Werbung platziert wurde, verschiebt sich immer mehr ins Netz. Mehr als die Hälfte der globalen Online-Werbeausgaben ist dabei bereits zu Google und Facebook gewandert.

Risiken drohen vom Kartellamt

Eine ernstzunehmende Bedrohung für Google, Amazon und Facebook ist die Politik, die neue Regularien setzen könnte. In den USA steht der Präsidentschafts-Wahlkampf vor der Tür. Sowohl Republikaner als auch Demokraten stoßen sich an der Marktmacht dieser drei Unternehmen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren hat etwa die Zerschlagung von Google gefordert, und US-Präsident Donald Trump hat seinerseits Amazon, Facebook und Google Parteilichkeit für die Demokraten vorgeworfen.

Es ist deshalb wahrscheinlich, dass eine neue US-Regierung kartellrechtliche Untersuchungen gegen diese drei Konzerne unterstützen wird – egal, welche Partei bei der nächsten US-Wahl gewinnt. Denn es wird befürchtet, dass durch die enorme Marktmacht der Internet-Giganten die Innovationskraft der Wirtschaft gebremst wird. Das US-Justizministerium hat bereits Voruntersuchungen gegen die vier Plattform-Konzerne Amazon, Google, Facebook und Apple aufgenommen. Das Kartellthema ist ein globales: Die EU hat zwischen 2017 und 2019 insgesamt 8,25 Milliarden Euro Strafe wegen Wettbewerbsverletzung gegen Google verhängt.

Quant Computing nur Zukunftsmusik

Reine Zukunftsträume sind für die Branche dagegen Themen wie Quant-Computing. Darunter wird eine neue Generation an Rechnern verstanden, die auf den Gesetzen der Quantenmechanik beruhen und exponentiell schnellere Rechenleistung als herkömmliche Prozessoren bieten. Googles Quant-Computer Sycamore ist es in diesem Jahr gelungen, eine bestimmte, komplexe Rechenaufgabe in 200 Sekunden zu lösen. Ein konventioneller Supercomputer hätte dafür rund 10.000 Jahre gebraucht. Allerdings ist der Vorteil des Quantenrechners damit erst eng begrenzt nachgewiesen worden. Der Weg zu kommerziellen Produkten wird deshalb noch sehr lang sein.

Gute Wachstumsperspektiven

In vielen Bereichen wird der Technologiesektor aber nach wie vor überdurchschnittlich wachsen. Er dürfte sich auch an der Börse weiter gut entwickeln, wenn auch mit einer geringeren Dynamik als in der vergangenen Dekade, in der Tech-Aktien der Hauptkurstreiber für den breiten US-Markt waren. Der Trend zur Cloud und die Einführung neuer ultraschneller Mobilfunknetze geben der Branche anhaltenden Schub. In verschiedenen Bereichen bestehen aber auch Risiken. Internetwerte wären von möglichen kartellrechtlichen Einschränkungen betroffen, für Halbleiter- und Hardwarewerte liegt die Gefahr dagegen eher in einer Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China.

Autor Markus Golinski ist Portfoliomanager im Bereich Aktien Concentrated bei Union Investment.

Foto: Union Investment

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments