Warum Wahlen für langfristige Investoren keine Rolle spielen

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Am 26. September 2021 ist in Deutschland Bundestagswahl. Deutschland ist das Zugpferd für Europas Wirtschaft. Daher bringt der politische Führungswechsel eine internationale Aufmerksamkeit mit sich, die über das gewohnte Maß einer Wahl hinaus geht. Zahlreiche Investoren stellen sich die Frage: „Welchen Einfluss auf die Kapitalmärkte wird der Ausgang der Bundestagswahl haben?“

Die wichtigsten Volksabstimmungen in den letzten Jahren machen deutlich, dass es zunehmend anspruchsvoller geworden ist, den Ausgang einer Wahl verlässlich zu prognostizieren. So sagten Demoskopen noch Stunden vor der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 einen Sieg der Kandidatin Hillary Clinton mit einer Wahrscheinlichkeit von 70-90 Prozent voraus. Im gleichen Jahr ging ein Großteil der Meinungsforscher von einem pro-europäischen Ausgang des Brexit-Referendums aus. Auch hier trat das Gegenteil ein.

Doch nicht nur der Wahlausgang an sich sorgt regelmäßig für Überraschungen, sondern auch die Reaktion der Kapitalmärkte auf das Ergebnis. Nur Stunden später, nachdem der erste Schock über die Trump-Wahl zum US-Präsidenten im November 2016 verdaut war, begann der Aktienmarkt über Monate hinweg zu steigen. Auch der unerwartet nur sehr knappe Wahlsieg Joe Bidens im November 2020 konnte die Euphorie an den Börsen kaum bremsen – trotz bürgerkriegsähnlicher Zustände rund um die Stürmung des US-Kapitols durch Trump-Anhänger. Eine Analyse der Kapitalmarktreaktionen auf US-Wahlen seit dem Jahr 1972 macht deutlich, dass die Börsenvolatilität vor der Wahl zwar leicht ansteigt, sich dann aber innerhalb von kurzer Zeit wieder normalisiert. Der Aktienindex S&P 500 steht beispielsweise drei Monate nach einer Präsidentschaftswahl um durchschnittlich 2 Prozent höher, während nach sechs Monaten durchschnittlich sogar ein Plus von über 3 Prozent zu verzeichnen ist.

Kapitalmärkte kehren nach dem Wahlergebnis also meist schnell zu den vorher dominierenden Trends zurück. Wird die Handlungsfähigkeit der Regierungsinstitutionen durch das Wahlergebnis nicht unmittelbar in Gefahr gebracht, steht für Investoren im Vordergrund, dass die politischen Mühlen eher langsam mahlen. Gesetzgebungen benötigen ihre Zeit. Die zähe Umsetzung von Joe Bidens Plan zur Sanierung der US-Infrastruktur und die bisher zwar geplanten, aber noch ausstehenden Steuererhöhungen, sind aktuell keine Ausnahme. Eine rot-rot-grüne Bundesregierung könnte kurzfristig zwar die Börsen in Deutschland schockieren. Entscheidend für die langfristige Performance von Aktien ist aber weniger die Überraschung eines Wahlergebnisses, sondern vielmehr, ob mit der Wahl ein Bruch oder eine Aufrechterhaltung der langfristigen Kerntreiber, die die Ertragskraft von Unternehmen und das Angebots- und Nachfrageverhalten an der Börse bestimmen, einhergeht. Neben der Geldmenge sind die Unternehmensgewinne von entscheidender Bedeutung.

Gewinner-Unternehmen können sich auf neue politische Rahmenbedingungen einstellen. Sie werden auch nach der Bundestagswahl ihre Erfolgsgeschichte fortschreiben. Auf solchen Unternehmen liegt der Fokus bei GANÉ. Die alte Börsenweisheit „Politische Börsen haben kurze Beine“ sollte auch in diesem Jahr wieder zutreffen.

Autor Marcus Hüttinger ist Marktstratege beim Vermögensverwalter GANÉ AG.

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