Heise: Für Wirtschaft und Kapitalmärkte ist „lahmende“ Regierung nicht unbedingt nachteilig

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Manches ist noch offen, vieles steht schon fest, sagt Dr. Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, zu den US-Midterms.

Die geringen Gewinne der republikanischen Partei dürften auch ein Statement vieler Wähler gegen die antidemokratischen Vorgänge sein, die das Land am 6. Januar 2021 erschüttert haben und die mit Ex-Präsident Trump und anderen radikalen Republikanern in Verbindungen stehen.

Bidens Politik ist trotz der hohen Inflation nicht abgestraft worden. Offenbar haben die Wähler seine Erfolge am Arbeitsmarkt, bei der Pandemiebekämpfung und dem Klimaschutz doch zur Kenntnis genommen. Der Wahlausgang wurde nicht von den Sorgen über die hohe Inflation völlig überschattet.

Wirtschaft und Kapitalmärkte

Die umfangreiche parlamentarische Handlungsmacht der Demokraten ist Geschichte. In der Wirtschaftspolitik wird in den kommenden zwei Jahren wenig passieren. Für Wirtschaft und Kapitalmärkte ist eine „lahmende“ Regierung mit eingeschränktem Handlungsspielraum aber nicht unbedingt nachteilig. Die Märkte haben in der Vergangenheit bei geteilten Mehrheiten im Kongress oder oppositioneller Mehrheit in beiden Häusern im Schnitt keinesfalls schlecht abgeschnitten.  

Auswirkungen auf Europa

Europa sollte sich auch nach dem verhältnismäßig guten Abschneiden der Demokraten nicht darauf verlassen, dass der US-Sicherheitsschirm so weit aufgespannt bleibt. Die hohen Kosten des Ukrainekriegs werden auch angesichts einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus immer kritischer gesehen werden.

Für Europa Staaten wird es teurer. Es gilt mehr aus eigener Kraft zu tun, nicht nur im sicherheits- und außenpolitischen Bereich, sondern auch was die Wachstumskraft der Wirtschaft angeht, die in den vergangenen beiden Jahren von den Konjunkturprogrammen der Amerikaner profitiert hat. Die wird es in den kommenden zwei Jahren nicht geben.

Perspektiven

Das deutlich über den Erwartungen liegende Wahlergebnis für die Demokraten gibt Rückenwind auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl in 2024. Die Hoffnungen der Demokraten hängen nun stark von der wirtschaftlichen Entwicklung und der Normalisierung der Inflationsraten ab. Weitere Konjunkturprogramme der Regierung scheiden aufgrund der wohl fehlenden Mehrheit im Repräsentantenhaus aus. Die Demokraten sollten daher bestehende Initiativen etwa im Infrastrukturbereich und beim Klimaschutz rasch vorantreiben und alles auf eine Senkung der hohen Inflation ausrichten. 

Da in der republikanischen Partei mit einer sehr kontroversen Debatte über den geeigneten Präsidentschaftskandidaten zu rechnen ist, bieten sich Chancen für die Demokraten, die allerdings ein starkes Team brauchen. Biden muss angesichts seines fortgeschrittenen Lebensalters eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger aufbauen, auch wenn er nochmals kandidieren sollte.

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