EZB nach Leitzins-Entscheidung der US-Notenbank unter Druck

Die Zinsen in den USA steigen nun sehr schnell. Die hohe Inflationsrate zwingt die US-Notenbank zum Handeln. Das könnte aber Konjunktur und Arbeitsmarkt eintrüben.

Angesichts der höchsten Inflationsrate in den USA seit Jahrzehnten greift die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nun durch: Sie erhöht ihren Leitzins deutlich um 0,5 Prozentpunkte und signalisiert eine „rasche“ weitere Straffung ihrer Geldpolitik.


„Die Inflation ist viel zu hoch“, sagte Zentralbankchef Jerome Powell vor Journalisten. „Wir handeln rasch, um sie wieder zu senken“, versprach er. Auch bei den nächsten Sitzungen des Zentralbankrats dürften daher wieder Erhöhungen um je 0,5 Prozentpunkte anstehen, sagte Powell. Zudem baut die Fed ab Juni ihre Bilanzsumme ab, was den Märkten monatlich Liquidität in zweistelliger Milliardenhöhe entziehen wird.
Der entschlossene Kurs der Fed dürfte auch den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhen, die Kurswende hin zur Inflationsbekämpfung zu vollziehen.

„Die Fed schreitet mutig voran“, kommentierte der Chefvolkswirt der VP Bank Group in Liechtenstein, Thomas Gitzel. „Die EZB sollte den Staffelstab jetzt übernehmen und ebenfalls deutlich machen, dass im laufenden Jahr mehrere Zinsanhebungen zu erwarten sind“, schrieb er. Die Fed stärke mit ihrer klaren Kommunikation ihre Glaubwürdigkeit, „die EZB verspielt sie hingegen“, schrieb er. Der Chefvolkswirt der Targobank, Otmar Lang, erklärte mit Blick auf EZB-Chefin Christine Lagarde, die EZB solle ein Beispiel an der Fed nehmen: „Frau Lagarde, so geht das!“


Zinserhöhung auch in Europa debattiert


Europas Währungshüter haben bereits beschlossen, ihre milliardenschweren Anleihenkäufe schneller auslaufen zu lassen. Zudem brachten mehrere Mitglieder des EZB-Rats zuletzt eine erste Zinserhöhung im Juli ins Spiel. An den Finanzmärkten wird erwartet, dass die EZB den Einlagensatz, zu dem Banken Geld bei ihr parken können, in diesem Jahr von minus 0,5 Prozent auf null Prozent anheben könnte. Der Leitzins, der seit mehr als sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent liegt, könnte dann 2023 angehoben werden.


Die Inflation im Euroraum hatte im April ein Rekordhoch von 7,5 Prozent erreicht. In den USA, der weltgrößten Volkswirtschaft, wiederum lag die Teuerungsrate zuletzt bei 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Die US-Inflationsrate liegt seit vielen Monaten deutlich über der von der Zentralbank angestrebten Rate von mittelfristig zwei Prozent. Nun steuert die Notenbank gegen: Mit ihren Leitzinserhöhungen will die Fed Kredite rasch verteuern, um die Nachfrage insgesamt zu bremsen. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum. Für die Notenbank ist es daher ein gefährlicher Balanceakt: Sie will die Zinsen so schnell und stark anheben, dass die Inflation ausgebremst wird – ohne dabei aber gleichzeitig Konjunktur und Arbeitsmarkt abzuwürgen.


Powell erklärte, das Ziel sei es, die Werkzeuge der Zentralbank so einzusetzen, dass sich Angebot und Nachfrage wieder anpassten und die Inflation zurückgehe. Die Konjunktur solle sich in einer Weise abkühlen, die nicht zu einer Rezession führen werde. „Ich gehe davon aus, dass das eine große Herausforderung wird“, sagte Powell. „Es wird nicht einfach.“ Derzeit gebe es auf dem Arbeitsmarkt aber eine so hohe Zahl von Vakanzen, dass auch eine leichte Abkühlung der Konjunktur die Arbeitslosigkeit kaum erhöhen dürfte, sagte Powell.


Infolge der am Mittwoch angekündigten Erhöhung liegt der Leitzins nun in der Spanne von 0,75 bis 1 Prozent. Es war die zweite Erhöhung des Leitzinses seit Beginn der Corona-Pandemie – und der erste Anstieg um 0,5 Prozentpunkte seit 22 Jahren. Für gewöhnlich zieht es die Fed vor, den Leitzins in Schritten von 0,25 Prozentpunkten anzuheben. Die Entscheidung war von den Märkten weitgehend erwartet worden.
Powell erklärte auf Nachfrage, noch drastischere Leitzinserhöhungen, etwa um 0,75 Prozentpunkte, seien derzeit nicht zu erwarten – eine Bemerkung, die an den Finanzmärkten mit Erleichterung begrüßt wurde.


US-Konjunktur durch Ukraine-Krieg belastet


Die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, etwa mit Blick auf steigende Energie- und Lebensmittelpreise, verstärkten den Inflationsdruck und dürften die Konjunktur belasten, erklärte Powell weiter. Auch die Corona-Lockdowns in China dürften für neue Unterbrechungen der globalen Lieferketten sorgen, was sich auf Inflation und Wachstum auswirken könnte.
Die Finanzierungskosten etwa für Hypotheken in den USA haben sich durch die straffere Geldpolitik der Fed schon deutlich erhöht. Kritiker werfen der mächtigsten Zentralbank indes vor, zu spät auf den Anstieg der Preise reagiert zu haben. Ihrer Meinung nach hätte die Notenbank bereits in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres ihre Programme zur Unterstützung der Konjunktur aus der Corona-Krise einstellen und die Zinsen erhöhen sollen. Die Fed hatte die Inflation 2021 größtenteils noch als „vorübergehendes“ Phänomen beschrieben.


Eine Herausforderung für die Fed ist es, dass sie manche Ursachen der Preissteigerungen nur begrenzt beeinflussen kann. Die Unterbrechungen globaler Lieferketten und steigende Energiepreise reagieren nicht direkt auf den US-Leitzins. Auch die Folgen des Kriegs in der Ukraine und der Corona-Lockdowns in China kann die Fed nicht kontrollieren.


Weitere Schritte erwartet


Analysten rechnen in diesem Jahr daher mit weiteren Zinsschritten. Bis Jahresende könnte der Leitzins Beobachtern zufolge bei oder über 2 Prozent liegen. Auch will die Fed ihre infolge der Corona-Notprogramme auf rund neun Billionen US-Dollar angeschwollene Bilanz nun rasch abbauen. Ab Juni sollen pro Monat jeweils auslaufende Anlagen im Wert von insgesamt 47,5 Milliarden US-Dollar (45 Mrd Euro) nicht erneuert werden, wie die Zentralbank ankündigte. Bis September soll die monatliche Summe demnach auf 95 Milliarden Dollar ansteigen. Das wird den Märkten weitere Liquidität entziehen.


Die Fed ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet. Inzwischen brummt die US-Wirtschaft wieder, die Arbeitslosenquote war zuletzt auf niedrige 3,6 Prozent gefallen. Viele Arbeitgeber klagen bereits, dass sie für ihre Vakanzen nicht genügend Kandidaten finden können.


Der Zentralbankrat tagt etwa alle sechs Wochen, um über den Kurs der Geldpolitik zu entscheiden. Die nächste Sitzung wird am 15. Juni enden. Angesichts der hohen Teuerungsrate hatte die Fed im März den milliardenschweren Ankauf von Wertpapieren eingestellt und ihren Leitzins erstmals seit der Corona-Krise um 0,25 Prozentpunkte erhöht.

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