Kopf oder Zahl – Ist die Aktienrallye vorbei?

In den letzten Jahren begannen Aktien- und Unternehmensanleihen im Januar meist stark und gaben im Frühjahr und im Sommer aus unterschiedlichen Gründen nach. Wird sich dies im Jahr 2013 wiederholen? Gastkommentar von Robert Spector, MFS Investment Management.

Robert Spector, MFSm Investment Management

Gründe für die Rückgänge in den Vorjahren waren zum Beispiel, dass die Weltwirtschaft die Erwartungen nicht erfüllte, ein Ende des Quantitative Easing befürchtet wurde, die Risiken im Euroraum zunahmen oder Zweifel an den US-Staatsfinanzen aufkamen. Im Januar und Februar legte der S&P 500 Index deutlich zu und stieg erstmals seit 2007 über die 1.500-Punkte-Marke. Ende Februar kam die Rallye jedoch zum Stillstand, weil die Märkte ein vorzeitiges Ende der extrem expansiven Geldpolitik der Fed befürchteten. Hinzu kam der unklare Wahlausgang in Italien, der die Investoren erneut an die Schwierigkeiten im Euroraum erinnerte.

Fest steht, dass risikobehaftete Wertpapiere aus technischer Sicht überkauft waren und eine Korrektur überfällig war. Wichtiger ist jetzt aber, was die Kurse in nächster Zeit bestimmen wird. Werden sie Rückenwind von der Konjunktur bekommen, die sich zuletzt etwas stabilisiert hat, oder gibt es erneut Gegenwind? Zuletzt hat dieser Gegenwind zwar etwas nachgelassen, könnte aber schnell wieder auffrischen und sich zu einem Sturm ausweiten.

Rückenwind durch expansive Geldpolitik

Rückenwind bekommen die Märkte vor allem durch die reichlich vorhandene Liquidität aufgrund der extrem expansiven Geldpolitik. Die Federal Reserve Bank (Fed) wird mindestens bis zum Jahresende Quantitative Easing betreiben. So lange die Arbeitslosenquote in den USA nicht von zurzeit 7,9 auf 6,5 Prozent zurückgeht, dürfte sie auch am Leitzinsziel von gut null Prozent festhalten. Folglich dürfte die Federal Funds Rate auch nach dem Ende des Quantitative Easing noch einige Zeit nicht steigen. Auch die Geldpolitik der Bank of England und der japanischen Notenbank ist sehr expansiv. Nur die Europäische Zentralbank (EZB) hält sich zurück. Sollte die Rezession anhalten, können wir eine Zinssenkung auch für den Euroraum nicht ausschließen.

Ebenfalls positiv bewerten wir die deutlichen Fortschritte am amerikanischen Wohnimmobilienmarkt. Bautätigkeit, Umsatz und Hauspreise nehmen zu. Durch höhere Einzelhandelsumsätze, eine steigende Beschäftigung, solidere Bankbilanzen, steigende Privatvermögen und ein insgesamt größeres Vertrauen ergeben sich daraus Multiplikatoreffekte für die gesamte US-Wirtschaft. Diese wird zusätzlich durch die Renaissance des amerikanischen Energiesektors begünstigt: Steigende Fördermengen und abnehmende Importe stützen die Konjunktur. Auftrieb erhält die Wirtschaft weiterhin durch höhere Investitionen, eine steigende Industrieproduktion und die bessere Lage am Arbeitsmarkt – und nicht zuletzt durch den Aufschwung in China, der gut für den Export ist.

Gegenwind durch politische Fehlentscheidungen

Doch es gibt auch Gegenwind. Das größte Risiko sind zweifellos politische Fehlentscheidungen oder – wie in den USA und Italien zu sehen – ein politischer Stillstand. Das italienische Wahlergebnis hat den Euroraum in seinem Kern getroffen. Die unklaren Mehrheitsverhältnisse in der drittgrößten Volkswirtschaft der Währungsunion behindern dringend benötigte Reformen. Der italienische Primärsaldo ist zwar positiv, doch sind Staatsschulden in Höhe von 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufgrund des schwachen Wachstums langfristig untragbar. Die Wähler haben neue strenge Sparmaßnahmen abgelehnt und ohne eine stabile Regierung dürften Reformen fast unmöglich sein. Sie werden aber nötig sein, wenn die Märkte Italien fallen lassen und die EZB intervenieren muss.

In den USA traten unterdessen automatische Haushaltskürzungen nach der Rasenmähermethode in Kraft. Zuvor war es Demokraten und Republikanern nicht gelungen, die Staatsausgaben von jährlich 3,6 Billionen US-Dollar um 85 Milliarden US-Dollar zu kürzen. Je nachdem, wie lange die Kürzungen angesetzt sind, werden sie das Wachstum um etwa 1,5 bis zwei Prozentpunkte dämpfen – und zwar zusätzlich zu den Folgen der bereits verabschiedeten Sparmaßnahmen.

Mehr Tauben als Falken

Viele der oben beschriebenen Positivfaktoren können dann nur begrenzt wirken. Darüber hinaus wird befürchtet, dass die Fed ihre Geldpolitik früher strafft, als bislang erwartet, vielleicht sogar noch in diesem Jahr. Dies halten wir aber für das geringste Risiko. Unserer Ansicht nach haben die Tauben im Offenmarktausschuss der Fed immer noch mehr Einfluss als die Falken. Die Geldpolitik dürfte auf absehbare Zeit expansiv bleiben.

Autor Robert Spector ist CFA Portfolio Manager beim dem globalen Vermögensverwalter MFS Investment Management.

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