Dr. Lück (Blackrock): Die Welt als Spielball

Die zweite Ingredienz zur Stimulierung des eigenen Wachstums würden die Chinesen selbst liefern, in Form der üblichen Infrastrukturinvestitionen und geldpolitischen Lockerungen, ergänzt diesmal um Steuersenkungen. Stimmt diese Interpretation, dann werden die Chinesen eventuell ihren Stimulus ausweiten müssen, um die erwünschte Gesamtwirkung im Sinne einer Belebung der Weltwirtschaft zu erreichen.

Der Welthandel schrumpft

Denn über dem Güterhandel sind die Wolken seit letzter Woche wieder deutlich dunkler geworden, der Welthandel ist im Januar in nominaler Rechnung um knapp 8% gegenüber dem Vorjahr geschrumpft, nach einem Wachstum von gut 10% im Vorjahr. Und da die US-Seite Gefallen daran zu finden scheint, sehr hart mit China zu verhandeln, sollten wir uns nicht zu sehr auf einen Handelsdeal schon in den nächsten Wochen verlassen.

Erinnern wir uns: Schon 2016 hatte Donald Trump die angeblich unfaire Behandlung der Vereinigten Staaten im Handel mit China als erfolgreiches Wahlkampfthema entdeckt.

Aussichten bleiben verhalten

Und dass es ihm bisher in der US-Wählerschaft eher Unterstützung als Ablehnung bringt, hat ihn eher in der Annahme bestärkt, dass es auch 2020 erfolgversprechend sein könnte, sich ganz als der harte Dealmaker im Interesse des ‚America first‘ zu präsentieren. Der Welthandel gerät auf diese Weise zum Spielball des Wahlkampfes. Das ist wenig erfreulich, aber auch nicht wirklich überraschend.

Mit Blick auf die zu Ende gehende Q1-Berichtssaison in Europa bleiben somit die Aussichten eher verhalten. Zwar hat bis dato eine hohe Zahl von Unternehmen (netto 23%, gewichtet nach Marktkapitalisierung) die Analystenerwartungen für das erste Quartal übertroffen, allerdings waren diese Erwartungen auch erheblich nach unten angepasst worden.

Europa bleibt anhängig von internationalen Entwicklungen

Entscheidender ist an dieser Stelle ohnehin der Blick nach vorn, und der bleibt – verständlicherweise – bei vielen Unternehmen sehr verhalten. Zu abhängig ist und bleibt Europa von dem, was in den beiden größten Volkswirtschaften passiert. Und wenn die beiden im Clinch liegen, kann dies auch für Europa nicht gut sein.

Es ist wohl auch diese Eintrübung des bisher dominierenden Optimismus, bemerkenswerterweise auch für die US-Wirtschaft, welche die Einschätzungen bezüglich der Fed-Zinspolitik nochmals Richtung Lockerung beeinflusst hat. Inzwischen ist in den Fed Funds-Futures nur noch eine 36%ige Wahrscheinlichkeit für einen unveränderten Leitzins bis Ende des Jahres eingepreist.

Was bedeutet das für Anleger?

42% Wahrscheinlichkeit sprechen dagegen für eine Zinssenkung, gut 18% sogar für zwei. Wir halten diese Erwartungen für überzogen und gehen nach wie vor davon aus, dass die amerikanische Notenbank in diesem Jahr gar nicht mehr an den Zinsen dreht. Überraschen können die Markterwartungen angesichts der hochgekochten Spannungen im Handelskonflikt allerdings nicht.

Schon seit Wochen sind Renteninvestoren deutlich negativer positioniert als Aktienanleger, was die hohen Anleihepreise und die Zinssenkungserwartungen erklärt.

Damit gesellt sich zum Wachstumsrisiko, das vom Welthandel herrührt, ein weiteres, nämlich das Risiko plötzlich nach oben korrigierender Zinserwartungen. 2018 ließe grüßen. Zurzeit spricht einiges dafür, dass wir die besten Wochen dieses Jahres an den Märkten bereits hinter uns haben.

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