Prospektpflicht wider Willen – ein unterschätztes Risiko?

Gerade die Hektik vor dem Stichtag zum Jahreswechsel könnte den Vertrieb verleiten, nicht so genau hinzuschauen. Doch das ist höchst riskant. Wenn solche Fälle vor Gericht landen, sind die Vermittler „praktisch nicht zu verteidigen“, warnte Martin Klein, Rechtsanwalt und Chef des Vertriebsverbands Votum, auf dem Sachwertetag.

Selbst wenn die Bafin nicht eingeschritten ist, wird spätestens der Anlegeranwalt auf die fehlende Genehmigung hinweisen und damit leichtes Spiel haben.

Klein empfiehlt, prospektfreie Anlagen nur dann zu vermitteln, wenn ein entsprechendes „Negativ-Testat“ der Bafin vorliegt. Doch mit solchen Bestätigungen ist die Behörde äußerst zurückhaltend. Der Vertrieb agiert dann auf sehr dünnem Eis.

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Erlaubnispflichtige KWG-Geschäfte

Dabei geht es nicht nur um das KAGB oder eine womöglich doch bestehende Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz, sondern auch um erlaubnisplichtige Einlagegeschäfte nach dem Kreditwesengesetz (KWG), also das Versprechen zur „unbedingten Rückzahlung“ des Anlegergelds.

Vor allem Nachrangdarlehen, aber auch manche Direktinvestments mit Rückkaufvereinbarung, segeln hart am Rand des Einlagegeschäfts und müssen nach einem BaFin-Merkblatt vom März 2014 auch in ihren werblichen Aussagen höllisch aufpassen, dass sie die Grenze nicht überschreiten.

Dass es sich nicht nur um ein theoretisches Risiko handelt, belegen die vielen Untersagungsverfügungen, die von der Bafin auf ihrer Website veröffentlicht werden.

Schon 26 Bafin-Verfügungen in 2015

Insgesamt finden sich dort 2015 schon 26 Verfügungen wegen unerlaubter Aktivitäten. Davon beziehen sich 18 auf Einlagengeschäfte und immerhin schon zwei auf unerlaubte Investmentgeschäfte nach dem KAGB. Erst vergangene Woche zum Beispiel informierte die Behörde über die Untersagung eines Direkt-Investments in Solarmodule mit Rückkaufvereinbarung.

Doch das ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. In vielen Fällen werden die unerlaubten Geschäfte wohl zunächst unentdeckt bleiben. Eine Verfügung wegen eines fehlenden Prospekts findet sich bei der Bafin zudem bislang nicht.

Gerade das Risiko der Prospektpflicht wider Willen wird deshalb womöglich unterschätzt. Doch wenn es eintritt, dann ist weder mit der Bafin zu spaßen, noch mit den Anlegeranwälten.

Stefan Löwer ist Chefanalyst von G.U.B. Analyse und beobachtet den Markt der Sachwertanlagen als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst insgesamt schon seit mehr als 20 Jahren.

Foto: Anna Mutter

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