Weltklimagipfel gibt Startschuss für Abschied von Kohle

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Die UN-Klimakonferenz in Schottland hat den weltweiten Abschied von der Kohle eingeläutet. Erstmals in der Geschichte der Weltklimagipfel gab es dafür einen Konsens unter den rund 200 Staaten. Im "Klimapakt von Glasgow" steckt auch die Forderung, "ineffiziente" Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen. Die Formulierung wurde nach zweiwöchiger Konferenz am Samstagabend in letzter Minute auf Druck Chinas und Indiens aber noch verwässert.

Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte die Vereinbarung dennoch als historisch. „Das fossile Zeitalter geht zu Ende, die Energiewende wird weltweit zum Leitbild“, sagte sie. Auch der britische Premierminister zog eine positive Bilanz. Die Welt sei „unbestreitbar auf dem Weg in die richtige Richtung“, so Gastgeber Boris Johnson am Sonntag. Die weltweit bekannteste Klimaaktivistin Greta Thunberg zog hingegen eine vernichtende Bilanz. „Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Bla, bla, bla“, twitterte die Schwedin. Sie war zur Halbzeit mit Zehntausenden Demonstranten auf die Straße gegangen und dann abgereist.

Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, äußerte sich ernüchtert. „Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen.“ Die Mammutkonferenz COP26 mit 40 000 registrierten Teilnehmern sollte eigentlich schon am Freitag enden. Wegen stundenlanger, hitziger Debatten dauerte es aber schließlich bis in den Samstagabend. Erst dann gab es den Kompromiss.

EU-Kommissar Frans Timmermans ließ im Plenum seinem Frust freien Lauf, dass die Forderung zum Kohleausstieg abgeschwächt wurde. Statt von einem Ausstieg (phase-out) ist auf Druck der stark von Kohle abhängigen Staaten China und Indien nun nur noch von einem schrittweisen Abbau (phase-down) die Rede. Damit bleibt offen, ob beide Staaten jemals komplett auf Kohlestrom verzichten wollen.

Als sich mehrere Staaten bitterlich über die Verwässerung kurz vor der Schlussabstimmung beschwerten, kämpfte der britische COP26-Präsident Alok Sharma sogar mit den Tränen. „Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist“, sagte der Gastgeber. Das Gesamtpaket könne sich aber sehen lassen. Am Sonntag erläuterte er bei einer Pressekonferenz, er habe ein Scheitern des Deals auf den letzten Metern befürchtet und daher „die Last der Welt“ auf seinen Schultern gespürt.

Umweltministerin Schulze sagte am Sonntag: „Was wir in der Schlussphase in Glasgow erlebt haben, war ein letztes Aufbäumen der alten, fossilen Energiewelt.“ Der Ausstieg aus der Kohle sei nun „unumkehrbar“. Deutschland könne der Welt nun zeigen, „wie ein Industrieland mit Strom aus Wind und Sonne sicher versorgt werden kann“.

In der Abschlusserklärung bekennen sich die Länder klar zu dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen – und nicht nur auf unter zwei Grad, wie es im Pariser Abkommen von 2015 heißt. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt nachschärfen. In der Erklärung wird zudem festgehalten, dass der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit in den 20er Jahren um 45 Prozent sinken muss, wenn das 1,5-Grad-Limit erreicht werden soll.

Zugesagt wurden auch mehr Finanzhilfen für arme Staaten, damit diese sich an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Zig Millionen Menschen sind schon jetzt häufiger mit Dürren, Hitzewellen, Stürmen und Überschwemmungen konfrontiert, weil sich die Erderhitzung beschleunigt. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 verdoppelt werden, also von aktuell jährlich rund 20 auf dann 40 Milliarden US-Dollar (etwa 35 Milliarden Euro.)

Erstmals wird auch die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für Hilfen bei Schäden und Verlusten einzurichten. Die Staaten werden aufgefordert, dafür Geld einzuzahlen. Kritikwürdig aus Sicht von Umweltschützern: Es soll nur „technische Unterstützung“ organisiert werden, und nicht der komplette Schaden beglichen werden.

Der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig nannte es „bitter, dass wieder einmal die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens an den Rand gedrängt wurden“. Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer nannte die Abschlusserklärung gar „Betrug“. Der Deutschen Presse-Agentur sagte sie: „Es ist ein Betrug an allen jungen Menschen auf dieser Welt, die darauf setzen, dass sich Regierungen um ihre Zukunft kümmern.“

Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth lobte die Beschlüsse zum sogenannten Regelbuch des Pariser Klimaabkommens, wo seit Jahren noch Punkte offen waren. Festgelegt wurde etwa, dass künftig Klimaschutzziele für fünf Jahre vorgelegt werden und nach einheitlichen Standards berichtet wird. Greenpeace sieht die geplante „Ampel-Koalition“ nun in der Pflicht, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. „So ist der Kohleausstieg bis 2030 zwingend notwendig. Ab heute dürfen unsere Steuergelder nicht mehr für Kohle, Öl und Gas eingesetzt werden.“

Der nächste Gipfel, die COP27, findet im November 2022 in Ägypten statt. (dpa-AFX)

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