Druckmittel für aktivistische Aktionäre

2. Systembruch „light“: Hauptversammlung kann Maximalvergütung herabsetzen

Bedeutsamer ist die zweite Ergänzung. In Zukunft kann die Hauptversammlung die vom Aufsichtsrat beschlossene Maximalvergütung verbindlich herabsetzen. Die Aktionäre haben damit erstmals die Möglichkeit – wenn auch nur punktuell –, unmittelbar über die Höhe der Vorstandsvergütung mitzuentscheiden. Die bisher für das Aktienrecht charakteristische alleinige Vergütungskompetenz des Aufsichtsrats gilt nicht mehr uneingeschränkt. Kritische Stimmen sehen darin einen problematischen Machtverlust des Aufsichtsrats.

Auf die Tagesordnung einer Hauptversammlung gelangt die Herabsetzung über eine Ergänzung der Tagesordnung. Ein solches Ergänzungsverlangen muss von Aktionären gestellt werden, die zusammen mindestens fünf Prozent der Aktien oder einen anteiligen Betrag von 500.000 Euro am Grundkapital der Gesellschaft halten. Für einen Herabsetzungsbeschluss ist eine einfache Stimmenmehrheit erforderlich. Die Herabsetzung der Maximalvergütung durch die Hauptversammlung dürfte nur in der Form möglich sein, wie sie vom Aufsichtsrat beschlossen wurde. Enthält das Vergütungssystem einen Höchstbetrag für den Gesamtvorstand, kann die Hauptversammlung nur diesen herabsetzen. Hat der Aufsichtsrat gesonderte Höchstbeträge für jedes einzelne Vorstandsmitglied festgelegt, kann sich die Herabsetzung auf einzelne Vorstandsmitglieder beschränken.

Die Hauptversammlung kann allein den im Vergütungssystem festgelegten Höchstbetrag reduzieren. Bereits geschlossene Vorstandsverträge bestehen im Fall eines Herabsetzungsbeschlusses unverändert fort. Der Aufsichtsrat muss nur beim Abschluss neuer Vorstandsverträge den durch die Hauptversammlung herabgesetzten Höchstbetrag beachten.

Befürworter der Gesetzesänderung bemängeln insbesondere ein Missverhältnis der Vorstandsvergütung in Relation zum Durchschnittsverdienst eines Mitarbeiters des Unternehmens. Durch die neuen Regeln zur Deckelung der Vorstandsvergütung sollen solche „Vergütungsexzesse“ verhindert werden. Der Gesetzgeber scheint die Erreichung dieses Ziels offenbar nicht mehr (allein) dem regelmäßig auch mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat zuzutrauen. Ob sich die Aktionäre als Korrektiv eignen, erscheint zweifelhaft. Denn für einflussreiche Stimmrechtsberater und institutionelle Anleger ist in erster Linie die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens das Hauptkriterium für die Beurteilung der Angemessenheit der Vorstandsvergütung. Die absolute Höhe der Vorstandvergütung oder deren Verhältnis zum Verdienst eines Durchschnittsmitarbeiters spielen dagegen eine untergeordnete Rolle.

Aktivistische Aktionäre dürften die Möglichkeit zur Herabsetzung der Maximalvergütung begrüßen. Die Vorstandsvergütung war in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand von Kampagnen aktivistischer Aktionäre. Es ist zu erwarten, dass Aktivisten künftig Herabsetzungsbeschlüsse als weiteres Druckmittel nutzen werden.

Das ARUG II kann voraussichtlich am 1. Januar 2020 in Kraft treten. Dank großzügig bemessener Übergangsfristen sind die Neuerungen zur Vorstandsvergütung erst in der Hauptversammlungssaison 2021 zu beachten. Die jüngsten Ergänzungen im Gesetz dürften auch Einfluss auf den neuen Deutschen Corporate Governance Kodex haben. Die Regierungskommission hatte bereits im Mai 2019 eine am Gesetzentwurf des ARUG II orientierte Neufassung des Kodex beschlossen. Dieser wird nun wahrscheinlich an das verabschiedete Gesetz angepasst und anschließend in Kraft treten.

Maximilian Schneider ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Foto: CMS Deutschland

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