Reform des WEG: Weniger Streitpotenzial?

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Arag Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer

Anfang Dezember tritt das neue Wohneigentumsgesetz (WEG) in Kraft. Die Reform hat nach Angaben von Arag Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer weitreichende Konsequenzen für Eigentümer, Vermieter und Verwalter. Im Interview erklärt er die wichtigsten Änderungen.

Was ist das WEG?

Klingelhöfer: Das Wohneigentumsgesetz stammt aus dem Jahr 1951. Es regelt die Rechte und Pflichten von Wohnungseigentümern und auch das Zusammenleben aller Eigentümer in einem Mehrfamilienhaus.

Und wo es viele Parteien gibt, ist das Streitpotenzial groß. Bisher konnten einzelne Eigentümer mehrheitlich gewollte Umbauten und sogar dringende Sanierungsmaßnahmen verhindern, so dass es zu regelrechten Sanierungsstaus in vielen Wohnanlagen kam.

Mit der Reform des WEG sollen Modernisierungen deutlich erleichtert werden. Auch auf umweltpolitische Herausforderungen und technische Möglichkeiten soll das neue WEG besser reagieren.

Was ändert sich für Eigentümer?

Klingelhöfer: Eigentümer bekommen mehr Spielraum, ihr gemeinschaftliches Eigentum zu verwalten. Es können beispielsweise leichter Entscheidungen über bauliche Veränderungen getroffen werden, weil dafür künftig die einfache Mehrheit der Stimmen in der Eigentümerversammlung genügt.

Zudem ist die Eigentümerversammlung immer beschlussfähig – dies unabhängig von der Zahl der anwesenden Eigentümer oder Miteigentumsanteile. Auch der Digitalisierung wird Rechnung getragen: Ab Dezember können Eigentümer online per Video-Zuschaltung an der Versammlung teilnehmen.

Welche Auswirkungen hat das auf Modernisierungen?

Klingelhöfer: Den größten Streit unter Eigentümern gibt es um Modernisierungen und Sanierungen. Dieser Stress hat nun ein Ende, weil für bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum ab Dezember nur noch eine einfache Mehrheit der bei der Versammlung anwesenden Eigentümer nötig ist.

Eine Zustimmung aller von einer Maßnahme beeinträchtigten Eigentümer ist nicht mehr erforderlich. Die Kosten müssen dann prinzipiell nur die Eigentümer tragen, die der Maßnahme zugestimmt haben.

Diese Regelung könnte künftig für Zündstoff sorgen. Denn obwohl Gegenstimmen nicht zahlen, profitieren sie doch unter Umständen von den baulichen Maßnahmen.

Neu ist übrigens auch, dass jeder Wohnungseigentümer auf eigene Kosten bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums verlangen kann, vorausgesetzt, sie dienen etwa der Barrierefreiheit, dem Einbruchsschutz oder dem Zugang zu schnellem Internet.

Gibt es auch Maßnahmen, für die alle zahlen müssen?

Klingelhöfer: Da gibt es zwei Fälle, in denen die Kosten für Modernisierung oder Sanierung auf alle Schultern verteilt werden. Erstens, wenn sich die Maßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitraums – in der Regel sind das zehn Jahre – amortisiert.

Der zweite Fall, in dem alle die Kosten tragen müssen, ist, wenn die Maßnahme nicht unverhältnismäßig teuer ist und mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit und der Hälfte aller Mieteigentumsanteile beschlossen wurde. Mieteigentumsanteil meint den Teil der Wohnfläche, die einem Eigentümer vom gemeinschaftlichen Eigentum gehört.

Was ändert sich für Verwalter?

Klingelhöfer: Der Verwalter erhält mehr Kompetenzen. Er kann künftig auch ohne Beschluss der Eigentümerversammlung Maßnahmen von so genannter untergeordneter Bedeutung veranlassen. Das ist etwa der Auftrag für einen Handwerker.

Voraussetzung ist allerdings, dass solche Aufträge nicht zu erheblichen Verpflichtungen der Eigentümer führen. Den Rahmen der Entscheidungs- und Vertretungsbefugnisse kann und sollte die Wohnungseigentümergemeinschaft festlegen.

Neu ist auch, dass ab 1. Dezember 2022 von jedem Wohnungseigentümer die Bestellung eines zertifizierten Hausverwalters verlangt werden kann. Dieser Anspruch besteht jedoch nicht, wenn die Anlage aus weniger als neun Sondereigentumsrechten besteht und ein Wohnungseigentümer zum Verwalter bestellt wurde.

Foto: Arag Versicherungen

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