Erneuerbare-Energien-Paket: Ostern und Weihnachten

Robert Habeck
Foto: Picture Alliance
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat ein „Osterpaket“ für die Branche geschnürt.

Bundestag und Bundesrat haben im Rekordtempo ein riesiges Gesetzespaket zum Ausbau der Erneuerbaren Energien und zahlreichen Verbesserungen für die Assetklasse verabschiedet. Doch ein anderer Punkt spielt der Branche noch viel mehr in die Karten.

Plötzlich soll alles ganz schnell gehen. Nachdem die große Koalition unter der Verantwortung hauptsächlich von Peter Altmaier (CDU) bei der „Energiewende“ eher auf der Bremse gestanden hatte und den Ausbau der Erneuerbaren Energien allenfalls zögerlich vorangetrieben hat, will die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP den Turbo anwerfen.

So sieht das Gesetzespaket, das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) Mitte April auf den Weg gebracht hat und das deshalb auch „Osterpaket“ genannt wird, eine Verdreifachung des Zubaus an Windenergieanlagen bis 2025 auf zehn Gigawatt (GW) vor, die dann bis 2035 jedes Jahr neu gebaut werden sollen. Noch stärker soll die Photovoltaik wachsen. Deren „Ausbaupfad“ steigt auf 22 GW neue Kapazität jährlich ab 2026. Zielsetzung ist, dass 2030 – also schon in acht Jahren – 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden und bis 2035 eine „nahezu treibhausgasneutrale“ Strom­erzeugung erreicht wird. Daneben sieht das Osterpaket unzählige weitere Maßnahmen und Gesetzesänderungen vor.

Schon Anfang Juli stimmten Bundestag und Bundesrat dem 500 Seiten umfassenden Paragrafenwerk final zu – Rekordgeschwindigkeit für ein Gesetzesvorhaben dieser Größenordnung. Der Grund für die Eile liegt auf der Hand: Der Ukraine-Krieg und die daraus resultierende Energiekrise. So hat sich schlagartig die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Erneuerbaren Energien nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes massiv ausgebaut werden müssen, sondern dass dies auch für eine sichere und vom Ausland möglichst unabhängige Energieversorgung Deutschlands von elementarer Bedeutung ist. Vor allem Wind und Sonne sind von heute auf morgen zum Hoffnungsträger auch für viele derjenigen geworden, die sie wegen ihrer unsteten Verfügbarkeit noch vor Kurzem als Risiko für die Netzstabilität angesehen hatten.

„Dunkelflaute“ im vergangenen Herbst und Winter

Um letztere weiterhin zu gewährleisten, werden mit dem Osterpaket die Ausschreibungsmengen für klassische Biomasseanlagen, die auf vielen Höfen unabhängig vom Strombedarf vor sich hin blubbern, zugunsten von Biomethan reduziert. Dieses Biogas darf zudem künftig nur noch in „hochflexiblen Kraftwerken“ eingesetzt werden. Damit sind Anlagen gemeint, die je nach Strombedarf schnell hoch- oder heruntergefahren werden können, also „grundlastfähig“ sind.

Außerdem ist in dem Paket unter anderem die Förderung von Innovationen im Bereich von Speichertechniken enthalten, in erster Linie über Wasserstoff. Dabei wird mit überschüssiger „grüner“ Energie Wasserstoff produziert, der dann bei Bedarf in entsprechenden Anlagen wieder in sauberen Strom umgewandelt werden kann und damit ebenfalls grundlastfähig ist. Diese Technik existiert bereits, sie ist aber nicht ausgereift und entsprechende Infrastruktur fehlt vielfach noch.

Ob diese Alternativen rechtzeitig fertig werden oder doch fossile Kraftwerke noch länger zumindest als Notreserve vorgehalten werden müssen, wird sich herausstellen. In der nördlichen Hälfte Deutschlands jedenfalls erinnert man sich nur sehr ungern an die „Dunkelflaute“ im vergangenen Herbst und Winter, als über viele Wochen eine dicke, dunkelgraue Wolkensuppe praktisch ohne Luftbewegung über dem halben Land festhing. Das war – zumal zusammen mit dem Lockdown – nicht nur für die Psyche eine enorme Belastungsprobe, sondern auch für die Stromversorgung. Und das schon bei dem heutigen Anteil von Wind- und Solarstrom von durchschnittlich unter 40 Prozent und voll einsatzbereiten Kohle- und Gaskraftwerken.

Fast drei Saarlands für Windenergie

Das Thema der Netzstabilität spielte in der öffentlichen Diskussion über das Osterpaket indes eine untergeordnete Rolle. Den weitaus größeren medialen Widerhall fanden die Abschaffung der EEG-Umlage und die Verpflichtung, dass die Bundesländer im Schnitt mindestens zwei Prozent ihrer Fläche für Windenergie ausweisen müssen, was in einem weiteren Gesetz beschlossen wurde. Zwei Prozent: Das klingt vielleicht wenig, ist aber ziemlich viel. Um den beliebten Vergleich heranzuziehen: Zwei Prozent des Bundesgebiets entsprechen fast der dreifachen Fläche des Saarlands – eine enorm große Baustelle.

Dazu kommen noch der Netzausbau, Offshore, Biogas und, und, und. Das alles erfordert gigantische Investitionen. Allein der geplante Zubau an Onshore-Wind- und Solaranlagen dürfte ab 2025 einem Investitionsvolumen von wenigstens 50 Milliarden Euro entsprechen – pro Jahr.

Dennoch spielen im Osterpaket klassische Investitionsanreize etwa durch Subventionen oder eine Erhöhung der Mindestvergütung für den erzeugten Strom nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) mit Ausnahme von Förderungen im Bereich von Speichertechnik-Innovationen eine untergeordnete Rolle. Bei der Vorstellung des Pakets nennt die Bundesregierung an erster Stelle einen ganz anderen Punkt: „Es wird als Herzstück des Pakets der Grundsatz verankert, dass die Nutzung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient“, heißt es in dem Papier.

Jörg Busboom, Ökorenta: „Sehr erfreuliche Ergebnisse für Wind- und Solarfonds in 2022.“ / Foto: Florian Sonntag

Das klingt reichlich akademisch, hat aber entscheidende Bedeutung. Bisher ziehen sich die Genehmigungsprozesse vor allem für neue Windenergieanlagen vielfach unendlich in die Länge, weil der Großteil der Projekte „beklagt“ wird. Irgendein Anwohner, eine Initiative oder ein Verband findet sich fast immer, um – oftmals mit dem Argument des Tier- oder Artenschutzes – Einspruch gegen die Planung zu erheben und zu versuchen, diesen gerichtlich durchzusetzen.

„Energiesicherheit und Energiesouveränität“

Die Gerichte entscheiden bei der Abwägung der Prioritäten zudem bislang sehr unterschiedlich. Das wird sich nun ändern: Die regenerative Energieerzeugung hat im Zweifel Vorrang. „Das ist entscheidend, um das Tempo zu erhöhen“, betonte Robert Habeck nach der Verabschiedung des Osterpakets. Es schaffe die Voraussetzungen „für die Energiesicherheit und die Energiesouveränität Deutschlands“.

Nicht alle sehen das so euphorisch. „Das Osterpaket enthält viel Gutes, aber einige Maßnahmen springen noch zu kurz, um die ambitionierten Regierungsziele zu schaffen“, kommentierte etwa Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). „Den Booster bei Wind und Solar sehen wir noch nicht“, betonte sie. Das Osterpaket müsse noch durch ein „Herbstpaket“ ergänzt werden.

Mit „hehre Ziele, nichts dahinter“ überschrieb gar Markus W. Voigt, CEO der Aream Group, einen Kommentar zu dem Thema auf Cash.Online. Zielvorgaben auf Papier zu schreiben, reiche nicht aus. „Es fehlt an einem einigermaßen ineinandergreifenden Konzept für einen Umbau der Energiewirtschaft“, kritisiert Voigt. So vermisst er eine „überzeugende Strategie beim Netzausbau“ sowie unter anderem die Priorisierung der Speicherung von Strom. Bei der Abstimmung des Vorgehens mit den Bundesländern bleibe es zudem bei „wolkigen Ankündigungen“.

Überplanung von Ackerflächen wieder erleichtert

Insgesamt positiv sieht hingegen Jörg Busboom, Geschäftsführer der Ökorenta, das Osterpaket. Er bestätigt, dass die gesetzliche Festschreibung des „überragenden öffentlichen Interesses“ und damit des Vorrangs Erneuerbarer Energien mehr Klarheit bringt und eine erhebliche Erleichterung bei Genehmigungsverfahren bedeutet. Einen Schub erwartet er zudem dadurch, dass die Überplanung von Ackerflächen wieder erleichtert werde.

Derzeit sieht Busboom vor allem für Solaranlagen sehr positive Rahmenbedingungen. So entfallen aktuell etwa 70 Prozent der Investitionen der ursprünglich hauptsächlich auf Wind­energie fokussierten Ökorenta auf den Bereich der Photovoltaik.

Diese Sparte der Erneuerbaren Energien ist die Spezialität der Hep-Gruppe aus Güglingen (Baden-Württemberg). Das Unternehmen war im letzten Jahrzehnt hauptsächlich in Japan und Nordamerika, zuletzt mit Schwerpunkt in den USA, aktiv und hat dort diverse Solaranlagen realisiert. Schon seit 2019 forciert Hep aber auch wieder das Engagement in Deutschland und hat sich mit dem Gewinn der Ausschreibung eines Photovoltaik-Flächenprojekts bei Crailsheim unlängst weitere 8,2 MWp Solarstromproduktion gesichert.

Thorsten Eitle, Hep, will mit seinem geplanten Artikel-9-Solarfonds für Privatanleger auch wieder in Deutschland investieren. / Foto: Florian Sonntag

Darüber hinaus befinden sich derzeit verschiedene weitere Projekte in unterschiedlichen Projektphasen, berichtet Hep-Gründer und CSO Thorsten Eitle. Auch er betont die positive Auswirkung des neuen Gesetzespakets bezüglich der Genehmigungsverfahren und der Umnutzung von Flächen. Im Bereich der großflächigen gewerblichen Nutzung von Photovoltaik öffnen zudem tausende von Potenzialflächen enorme Entwicklungsmöglichkeiten, so Eitle. Hohe Ausbaureserven böten neben Industrie- und Gewerbebauten auch Pufferflächen an Straßen und Autobahnen sowie im Schienenverkehr.

Hep plant derzeit einen weiteren Solar-Publikumsfonds. Er soll in den USA und Japan sowie – anders als der kürzlich mit einem Eigenkapitalvolumen von 90 Millionen Euro geschlossene Publikums-AIF „Hep Solarportfolio 3“ – auch wieder in Deutschland Investitionen vornehmen. Der neue Fonds soll den hohen Anforderungen an die Nachhaltigkeit gemäß Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung genügen, kündigt Eitle vorbehaltlich der Genehmigung der Finanzaufsicht BaFin an.

Einen solchen „Impact Fonds“ nach Artikel 9 hat Ökorenta schon aufgelegt, deren vorheriger Portfoliofonds Erneuerbare Energien 12 ebenfalls geschlossen ist. Der neue Fonds ist bereits von der BaFin freigegeben, berichtet Busboom. Die Start des aktiven Vertriebs ist inzwischen erfolgt.

EEG-Vergütung derzeit nicht mehr notwendig

Busboom nennt auch den Grund dafür, dass die EEG-Vergütung bei der Diskussion um das neue Gesetzespaket kaum eine Rolle spielte: Sie ist derzeit nicht mehr notwendig. So ist der Börsen-Strompreis am Epex-Spotmarkt schon in den letzten vier Monaten 2021, also lange vor dem Ukraine-Krieg, rasant angestiegen und hat sich nach Zahlen von Statista von durchschnittlich knapp 83 Euro pro Megawattstunde (MWh) im August auf 221 Euro im Dezember fast verdreifacht. Wahrscheinlich hatte das auch mit der Dunkelflaute im Norden zu tun, als die dortigen Wind- und Solaranlagen kaum Strom produzierten.

Der Dezember-Wert bedeutet im Schnitt 22,1 Cent pro Kilowattstunde (kwh). Das ist auch nach Abzug von Kosten weit mehr als die EEG-Vergütung, die nach den jüngsten Ausschreibungsverfahren sowohl für Windenergieanlagen an Land als auch für die bezuschlagten Solaranlagen unter sechs Cent/kwh lag und übertraf auch die EEG-Vergütung der meisten älteren Anlagen. „Im vierten Quartal 2021 sind die allermeisten Wind- und Solarparks aus dem EEG herausgewachsen“, sagt Busboom. Soll heißen: Sie konnten am Markt höhere Preise erzielen, als ihnen das EEG garantiert.

Die EEG-Vergütung, die ab Inbetriebnahme für 20 Jahre gilt, war über Jahrzehnte das Rückgrat der Branche. Früher erfolgte die Festsetzung in einheitlicher Höhe, die je nach Netzanschluss über die Jahre sukzessive reduziert wurde. Seit 2017 wird der Wert individuell im Rahmen von Ausschreibungsverfahren ermittelt, gilt dann aber ebenfalls für 20 Jahre.

Projektierer brauchen Flächen, Genehmigungen und Geld

Es handelt sich jedoch nicht um eine fixe, sondern um eine Mindestvergütung. Liegt der Marktpreis höher, dürfen die Betreiber den Strom teurer verkaufen. „2021 war ein extrem schlechtes Windjahr, trotzdem haben allein die hohen Preise im letzten Quartal sehr vielen Fonds das Jahresergebnis gerettet“, berichtet Busboom. Vor allem das Dezemberniveau war exorbitant. Nicht nur das Paket zu Ostern, auch das vergangene Weihnachten war für die Branche also recht erfreulich.

Anfang 2022 ist der Epex-Preis nach den Statista-Zahlen zunächst wieder spürbar zurückgegangen, im März schoss er nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine dann auf über 250 Euro pro MWh und lag im Juni wieder etwa auf dem Niveau vom Dezember 2021. Der Grund ist aktuell jedoch keine Dunkelflaute, die schließlich auch zu einer entsprechend geringeren Stromausbeute der Wind- und Solaranlagen geführt hat, sondern die Preisexplosion der fossilen Brennstoffe. Sie macht auch den regenerativ erzeugten Strom entsprechend wertvoll. „2022 wird vielen bestehenden Wind- und Solarfonds sowie deren Anlegern sehr erfreuliche Ergebnisse bringen“, prognostiziert Busboom.

Wie sich der Strompreis künftig entwickelt, weiß heute zwar niemand. Kaum jemand rechnet aber wohl damit, dass er in absehbarer Zeit unter das aktuelle EEG-Niveau zurückfällt. Die Höhe der EEG-Vergütung betrifft also nur die Frage, in welcher Höhe das Sicherheitsnetz aufgespannt ist, das aus heutiger Sicht wahrscheinlich ohnehin nicht gebraucht wird. Die Projektierer brauchen stattdessen vor allem drei Dinge: Flächen, Genehmigungen und Geld. Die ersten beiden Stichworte deckt Habecks Osterpaket ab. Für den dritten Punkt ist die Branche selbst zuständig – auch durch entsprechende Konzepte für Privatanleger.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Cash.-Ausgabe 9/2022 (jetzt im Handel).

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