Vermittlerhaftung: Damit die Felle nicht davonschwimmen

Neben diesen Gründen nennt Rainer Hoff, Leiter Bereich VSH der Düsseldorfer Victoria Versicherung, die Zunahme von Inanspruchnahmen aus Fehlberatungen und Organisationsverschulden, die in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld zunehmen. Derzeit halten sich nach Einschätzung von Udo W. Masrouki, Vorstand von Finanznet, Köln, die Schäden aus der Versicherungs- und aus der Kapitalanlagenvermittlung ungefähr die Waage, wobei in Bezug auf die Schadenshöhe ein klarer Trend zu höheren Schadenssummen aus der Kapitalanlagevermittlung zu verzeichnen ist. Bei Corporate Insurance überwiegt nach Aussagen von Teschke das Schadenpotenzial im Finanzdienstleistungsbereich.

Finanzdienstleister: Pflicht zur VSH kommt

Ähnlich dem Vorgehen bei der Endkundenberatung sollte auch der Vermittler seinen Versicherungsschutz in regelmäßigen Abständen auf den Prüfstand stellen. Masrouki spricht sich dafür aus, jährlich abzuklären, ob die VSH noch dem aktuellen Anforderungsprofil entspricht. „Leider wird dies in der Branche nicht aktiv betrieben“, bedauert er. Das sieht Henseler genauso: „Der SdV legt großen Wert auf mindestens eine Ansprache im Versicherungsjahr. Dazu haben wir Fragebögen entwickelt, an die wir auch bei Nicht-Rücksendung erinnern. Die Erfahrung zeigt, dass viele Vermittler den Umfang ihres Versicherungsschutzes nicht beachten, wenn sie neue Tätigkeiten aufnehmen.“

Der Versicherungsschutz sollte auch hinterfragt werden „wenn der Vermittler zusätzlich Produkte außerhalb des Bereichs Versicherungen anbieten möchte, die er zuvor nicht in seiner Angebotspalette hatte“, erklärt Legien. Und nicht nur dann. Hoff von der Victoria verweist auf Veränderungen im Profil des Versicherungsnehmers sowie bei äußeren Einflüssen wie durch gesetzliche Bedingungen.

VSH-Expertin Heike Jahrstorfer von der Wiesbadener R+V Versicherung hat noch einen weiteren Grund parat: „Wir beraten anlassbezogen, auch wenn wir nur einen ungefähren Anhaltspunkt haben, dass der Kunde seinen Versicherungsschutz anpssen muss. Es sollte jedenfalls nicht erst der Schadenfall eintreten.“ Nach all der Überprüfung stellt sich spätestens dann wieder die Frage nach dem Preis der Prämie.

Einig sind sich alle Befragten darüber, dass bei der VSH das Leistungspaket strengstens geprüft werden sollte. Aber wie so oft steht auch bei den Vermittlern die Geiz-ist-geil-Mentalität an oberster Stelle: Es wird mehr auf den Preis geschielt als sich mit den Leistungen beschäftigt und die können bekanntlich entscheidend sein, wenn es zu einem Schadenfall kommt – auch wenn alle Anbieter beteuern, dass auf ausreichenden Schutz geachtet wird.

Trägt der Schuster die schlechtesten Schuhe?

„Es ist immer wieder erstaunlich, dass Makler der Kundschaft genau in diesem Vergleich von Preis und Leistung behilflich sind, aber wenn es um ihre eigene Deckung geht, scheinen diese Gesichtspunkte völlig obsolet zu sein, getreu dem Motto: Der Schuster trägt die schlechtesten Schuhe“, sagt Teschke. Er schätzt, dass 60 Prozent der Vermittler zuerst den Preis im Visier haben. Diese Zahl nennt auch Henseler. Hoff warnt: „Wer nur auf den Preis zielt, ist am Ende schlecht beraten.“

Dabei stürzen derzeit die Preise für die Prämien in den Keller. „Wir haben dieses Jahr die Prämien bis zu 50 Prozent reduziert, im Bereich der Mindestprämien sind es sogar bis zu 60 Prozent“, berichtet Rehfeldt. Das rühre daher, dass die Schadensituation seiner Meinung nach sehr gut aussieht, das heißt, die Zahl der Schadenfälle der Versicherungsvermittler gering ist.

Unterdessen befürchtet Henseler, dass die Prämien mittel- bis langfristig ansteigen werden. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen sei das Anspruchsdenken der Menschen gestiegen, zum anderen sei die Haftung des Vermittlers im Bewusstsein der Verbraucher und der Rechtsanwälte angekommen. „Dazu kommen bereits diskutierte weitere Regulierungen der Finanzdienstleistungsprodukte“, beschreibt er das mögliche Szenario.

Der Markt ist zudem ständig in Bewegung. Fast alle gehen davon aus, dass einige Vermittler den Markt noch verlassen werden und das nicht nur aufgrund der weiter steigenden Anforderungen durch den Gesetzgeber. „Etliche verlassen den  Markt altersbedingt oder schlichtweg aus dem Grund, dass sich das Geschäft nicht mehr rechnet“, sagt Jahrstorfer. Rehfeldt fügt hinzu, dass sein Unternehmen derzeit im Monat bis zu 50 Abmeldungen bei der VSH verzeichne, im Moment dem Trend aber noch mit bis zu 80 neuen Versicherungsanwärtern entgegengesteuert werden könne. „Die Vermittler, die sich abmelden, wechseln in den meisten Fällen nicht den Versicherungsanbieter, sondern schicken ihre IHK-Abmeldung gleich mit“, sagt er.

Fazit: Die VSH-Pflicht für Finanzdienstleister durch den Gesetzgeber wird im kommenden Jahr erwartet. Es gilt, nicht nur auf den Preis zu schauen, sondern sich mit den Leistungen auseinanderzusetzen, die die berufliche Existenz sichern und vor finanziellem Desaster schützen.

Foto: Shutterstock

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