Fragwürdiger Renten-Wahlspeck

Zur Zeit beträgt der Rentenwert in Ostdeutschland 92 Prozent des Westwertes. Für einen Entgeltpunkt aus ihren Rentenanwartschaften erhalten ostdeutsche Rentner 26.39 Euro, westdeutsche dagegen 28.61 Euro. Bei der letzten Rentenerhöhung zum 1. Juli stiegen die Bezüge ostdeutscher Rentner allerdings um 2,53 Prozent, im Westen waren es dagegen nur 1,67 Prozent. Der Grund hierfür war die bessere Lohnentwicklung im Osten, im Westen mussten auch noch Rentenkürzungen letztmalig nachgeholt werden.

Gut gemeint statt gut

Ob die Angleichung der Renten zwischen Ost und West vernünftig ist, darf bezweifelt werden. Für künftige Rentner könnte es am Ende Nachteile geben. Mit der Rentenanpassung bis 2020 würde nämlich auch gleichzeitig der sogenannte Hochwertungsfaktor gestrichen, mit dem die über viele Jahre deutlich geringeren Löhne im Osten aufgewertet werden. Jeder verdiente Euro Ost war auf diese Weise ein gesamtdeutscher 1,5 Euro wert. So wurde der niedrige Rentenwert überkompensiert. Kommt es also zu einer Abstufung der Rentenbewertungen für die aktuell arbeitenden Menschen, schauen wie schon bei der Debatte über das Rentenniveau die Jüngeren in die Röhre. Die Linkspartei hat deswegen gegen die Nahles-Pläne auch bereits protestiert. Natürlich hört sich die Bereitschaft zur Rentenangleichung sympathisch an, doch gut gemeint ist häufig das genaue Gegenteil von gut. Die Koalition sollte sich deshalb prioritären Aufgaben zuwenden und diese Maßnahme von ihrer Agenda streichen.

Auf Betriebsrente konzentrieren

Mangelnden Ehrgeiz kann man der Großen Koalition bei der Rente nicht vorwerfen, auch wenn die Ergebnisse fragwürdig sind. Die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren war überflüssig und teuer, ein Geschenk der Sozialdemokraten an die Gewerkschaften, erkauft durch die Konzession der Mütterrente zum Wohlgefallen der Unionsparteien. Zu einer zukunftsweisenden Altersvorsorge gehört aber vor allem eine Neuordnung der Betriebsrenten, die unmittelbar nach der parlamentarischen Sommerpause ansteht und bei der die Koalition Handlungsfähigkeit zeigen kann.

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Wichtig ist dabei ein großer Konsens aller Beteiligten in der Gesellschaft und eine Schärfung des Bewusstseins von Arbeitnehmern und auch Arbeitgebern für diese bedeutsame Entscheidung. Eine überzeugende Antwort auf die drängende Frage, wie die zweite Säule der Altersvorsorge zu stärken ist, erscheint erheblich wichtiger als das kostspielige Abhaken der im Koalitionsvertrag ebenfalls erwähnten sogenannten Lebensleistungsrente. Man muss sich bei der Prioritätenliste der regierungsamtlichen Sozialpolitik ohnehin fragen, warum beispielsweise die Minderung des Erwerbsfähigkeitsrisikos einen so geringen Stellenwert hat.

 

Prof. Dieter Weirich ist neben Klaus Morgenstern Sprecher des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA), einer in Berlin angesiedelten Denkfabrik für Generationengerechtigkeit, die von Unternehmen der Finanzwirtschaft getragen wird. Der gelernte Journalist und ehemalige Bundestagsabgeordnete war früher Intendant der Deutschen Welle, des deutschen Auslansdsrundfunks.

Foto: DIA

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