„Operation am offenen Herzen eines gesunden Patienten“

Wie stellen Sie sich auf die mögliche Einführung einer Bürgerversicherung ein?

Kremer: Für einige Parteien gehört der Ruf nach einem Einheitssystem unter dem irreführenden Namen Bürgerversicherung bekanntlich zum Wahljahr-Repertoire, obwohl es schon in den letzten Wahlkämpfen nicht gut angekommen ist. Wir sind sehr zuversichtlich, dass dieser „Ladenhüter“ auch diesmal wenig Anklang findet: Die Zufriedenheit der Bürger mit der medi­zinischen Versorgung erreicht derzeit historische Spitzenwerte, da gibt es keine Risikobereit­schaft zur Radikaloperation am dualen System, dem Deutschland eines der besten Gesund­heitswesen weltweit verdankt. Das wäre wie eine Operation am offenen Herzen bei einem gesunden Patienten. So ein Risiko wird keine Bundesregierung eingehen.

Abgesehen von den schlimmen Folgen für die medizinische Versorgung wären zudem auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt dramatisch: Die DGB-nahe Hans-Böckler-Stiftung geht davon aus, dass je nach Variante der Bürgerversicherung bis zu drei Viertel der 68.000 Jobs bei den privaten Versicherern verloren gehen würden – und sicher wäre auch der freie Vertrieb betroffen. Um 8.000 bedrohte Jobs bei Kaiser’s-Tengelmann zu retten, ließ Sigmar Gabriel als SPD-Chef und Wirtschaftsminister nichts unversucht. Das zeigt den enormen sozialen Sprengstoff, wenn man hier mutwillig ein Vielfaches von Arbeitsplätzen angreifen würde.

Interview: Kim Brodtmann

Foto: Continentale

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