Wirtschaftskriminalität boomt

Anlagebetrug, Abzocke im Internet, Abrechnungsschwindel im Gesundheitswesen: Wirtschaftskriminalität in Deutschland hat 2017 sprunghaft angezogen. 74.070 Fälle wurden nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) erfasst, 28,7 Prozent mehr als im Vorjahr.

Dies sei der höchste Stand der vergangenen fünf Jahre, teilte die Behörde mit. Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft warnt vor dem enormen Risiko durch Wirtschaftskriminalität.

 

Die Schäden durch Wirtschaftskriminalität haben einen neuen Höchststand erreicht.

So lag der entstandene Schaden mit 3,74 Milliarden Euro um gut ein Viertel über dem Vorjahreswert (2,97 Milliarden Euro). „Das Internet schafft neue und vielfältige Tatgelegenheiten“, erklärten die Ermittler.

So werden beispielsweise mit Hilfe spezieller Computerprogramme, die menschliche Identität vortäuschen – sogenannte Social Bots – Kaufentscheidungen manipuliert. Social Bots können große Mengen Informationen im Internet verbreiten und so Anleger von einem vermeintlich lukrativen Geschäft überzeugen.

Oder Täter locken Anleger auf Plattformen, die hohe Gewinne versprechen – etwa über den Handel mit sogenannten Kryptowährungen. Das BKA warnt: „Für die Anleger besteht die Gefahr, dass Täter das angelegte Geld nicht im angegebenen Sinn nutzen, sondern vielmehr zur illegalen Gewinnmaximierung.“

Dass die Fallzahlen von 2016 auf 2017 so deutlich nach oben schnellten, lag jedoch vor allem an einem großen Ermittlungskomplex: Der Anlagebetrug beim Dresdner Finanzdienstleister Infinus. Gegen den Gründer und Ex-Führungskräfte der Firma läuft vor dem Landgericht in der sächsischen Landeshauptstadt ein Prozess wegen gewerbsmäßigen Betrugs in besonders schwerem Fall und Kapitalanlagebetrugs.

Infinus verursacht Schäden von rund 150 Millionen Euro

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, über ein Firmengeflecht unter anderem Schuldverschreibungen und Genussscheine vertrieben zu haben, deren hohe Renditeversprechen nur mit dem Geld anderer Anleger bedient werden konnten. Luftgeschäfte zwischen den Firmen sollten das „Schneeballsystem“ verschleiern. Mindestens 20.000 Anleger wurden nach Erkenntnissen der Ermittler so um Geld geprellt. Den Schaden beziffern die Ankläger auf rund 150 Millionen Euro.

Rückläufig sind den jüngsten BKA-Zahlen zufolge indes die Fälle von „CEO-Fraud“ („Chef-Betrug“) – auch dank einer länderübergreifenden Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden. Nachdem in diesem Bereich die Zahlen seit 2014 deutlich angestiegen waren und 2016 einen Stand von 439 Fällen erreicht hatten, sank die Zahl im vergangenen Jahr auf 262 Fälle.

Bei dieser Masche rufen Täter in der Buchhaltung von Firmen an, geben vor, der Geschäftsführer (Chief Executive Officer/CEO) zu sein und bringen Angestellte dazu, Firmengeld auf Konten ins Ausland zu überweisen.

Jedes zehnte Großunternehmen betroffen

Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erbeuteten Betrüger mit der so genannten Fake-President-Masche in den vergangenen zwei Jahren rund 150 Millionen Euro. Inzwischen nehmen Betrüger mithilfe elektronischer Kommunikation sogar die Identitäten von Kunden, Geschäftspartnern oder Lieferanten an. Bei der „Phantomfrachtführer“-Masche geben sie sich in Online-Börsen als Transportunternehmen aus und stehlen dadurch ganze Lkw-Ladungen.

„Die Digitalisierung hat völlig neue Angriffswege geschaffen und auch bekannte Delikte vereinfacht. Alle verfügbaren Zahlen weisen darauf hin, dass Wirtschaftskriminelle die Digitalisierung als Chance erkennen und nutzen“, sagt GDV-Präsident Wolfgang Weiler und bestätigt damit die Aussagen des BKA. Nach repräsentativen Forsa-Umfragen im Auftrag des GDV war jedes zehnte Großunternehmen in den vergangenen zwei Jahren Opfer von Betrugsfällen und Diebstählen. Jedes fünfte berichtete von erfolgreichen Cyberattacken. (dpa-AFX/dr)

Foto: Shutterstock

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