Neue Hoffnung für Vertriebler?

Nach Ansicht der Kammer können die bisherigen Entscheidungen nicht überzeugen, die eine Gesamtfälligkeitsstellung eines Darlehens nach Kündigung der Geschäftsbeziehungen als zur Begründung einer unzulässigen Kündigungserschwernis nicht ausreichend angesehen haben.

Wirtschaftlich ist es gleich, wieso Rückzahlung ausbleiben

Es könne keine Rolle spielen, ob ein Darlehen wie ein Arbeitseinkommen zu behandeln ist, wenn mit ihm eine Investition finanziert werden soll, die Arbeitseinkommen generieren solle, und mit dem wiederum die Rückzahlung erfolge.

Auch eine garantierte Provisionszahlung, die wie ein Arbeitseinkommen wirke, aber nicht durch Einkünfte gedeckt sei, wirke wie ein Investitionsdarlehen, das lediglich in Raten und nicht als Gesamtbetrag ausgezahlt werde.

Wirtschaftlich sei es gleich, ob wegen fehlenden geschäftlichen Erfolges eine fällige Rückzahlung ausbleibe und das Provisionskonto mit der Tilgungsrate belastet werde oder durch einen ratierlichen Vorschuss eine weitere Erhöhung des Sollstandes eines Provisionskontos erfolge.

Ob sich der Rückzahlungsbetrag durch monatliche Zahlung aufbaue oder nach einer erheblichen Einmalzahlung über zwei Jahre wieder abgebaut werden müsse, sei daher unerheblich.

Höhe des Darlehens ist unterschiedlich zu bewerten

Eine starke und bei geschäftlichem Misserfolg nicht abnehmende Bindung durch einen Vorschuss sei auch gegeben, wenn im ersten Jahr lediglich 18.000,– € zurückgeführt werden sollen, so dass zu dieser Zeit noch 67.000,– € ausstehen und es ein halbes Jahr später noch 40.000,– € sind.

Diese Beträge seien selbst bei einer regelmäßigen Rückzahlung der Raten geeignet, den Vertreter von einer Kündigung abzuhalten.

Bei einem Provisionsvorschuss in Höhe von 95.000,– Euro handele es sich um keine kurzfristige Anschubfinanzierung, sondern um ein über längere Zeit gewährtes Investitionsdarlehen, mit dem der Vertreter an den Unternehmer gebunden werde und das nicht nur zu einer überschaubaren und nicht übermäßig belastenden Rückzahlungsverpflichtung führe.

Vorschusspraxis bleibt schwierig

Die unzulässige Kündigungserschwernis durch die getroffene Rückzahlungsabrede führe allerdings nicht dazu, dass der Vorschussvereinbarung insgesamt die Wirksamkeit zu versagen ist.

Die Entscheidung legt zwar den Finger in die mangels klar herausgebildeter Fallgruppen offene Wunde, die die bisherige Spruchpraxis zur so genannten Kündigungserschwernis gerissen hat.

Da die Vorschussvereinbarung jedoch stets selbst auch die Anspruchsgrundlage für die Rückzahlung bildet, hätte die Kammer die Vorschussabrede zumindest ergänzend auslegen und prüfen müssen, ob der eingeklagte oder ein ggf. niedrigerer Betrag bei einer von ihrem Standpunkt aus unbedenklichen Ratenzahlungsabrede fällig gewesen wäre.

Autor ist Rechtsanwalt Jürgen Evers, Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht.

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