Interview Ursula Deschka, Ergo: „Unser Credo: Die Kunden sollen genau das bekommen, was sie brauchen“

Früher war „boots on the ground“ ein entscheidendes Kriterium für den vertrieblichen Erfolg. Die Digitalisierung hat die Spielregeln nun aber deutlich verändert. Wie muss der PKV-Vertrieb aus Ihrer Sicht strukturiert werden, damit Vermittler auch in Zukunft langfristig Erfolg haben?
Deschka: Als Ergo haben wir uns in unserem letzten Strategieprogramm auf das Modell hybrider Kunde verständigt. Das heißt Direktvertrieb, Onlinevertrieb und Ausschließlichkeit arbeiten hier Hand in Hand. Das Modell hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren Corona-Pandemie mehr als bewährt. Wir gehören zu den wenigen Versicherern, bei den man online eine Krankheitskostenvollversicherung abschließen kann. Nichtsdestotrotz entscheiden sich die allermeisten Kunden beim Abschluss einer solchen Vollversicherung für das persönliche Gespräch mit dem Vermittler – der persönliche Kontakt ist den Menschen nach wie vor sehr wichtig. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Gespräche auch digital stattfinden können, wenn sich Kunde und Vermittler gut kennen. Aber es muss ein Mensch da sein, dem man Fragen stellen und dem man vertrauen kann. Denn es geht hier um eine lebenslange Absicherung. Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation sehe ich Veränderungsbedarf bei den Vermittlern. Der Kunde will digitale Zugangswege und den persönlichen Ansprechpartner. Wir bieten digitale Plattformen für die Information und Videotelefonie für die Beratung an. Die Vermittler können diese dann nach eigenem Bedarf einsetzen und tun dies rege. Denn auch sie wissen, dass die Kunden online unterwegs sind. Es gibt viele Zugangswege, und am Ende landen viele beim Vermittler. Daher ist es im eigenen Interesse des Vertriebs, in der digitalen Welt präsent zu sein.

Im Juni hatte Assekurata seinen PKV-Marktausblick vorgestellt. Demnach ist in der PKV die Kosten- und Leistungserstattung nicht alles: Elektronische Rezepte, Erinnerungsservices, Elektronische Patientenakte, Gesundheits-Apps und Telemedizin spielen eine wichtige Rolle. Was bieten Sie an?
Deschka: Wir erleben, dass dies für Kunden kein Add-on ist, sondern zwischenzeitlich eine Selbstverständlichkeit. Telemedizin wird mittlerweile schon von vielen gesetzlichen Krankenkassen angeboten und auch wir bieten unseren Versicherten selbstverständlich ärztliche Beratung über Videotelefonie an. Mittlerweile haben wir über eine Millionen Kunden im Kundenportal und etwa eine Viertelmillion in der DKV-App. Diese ist nicht nur eine Rechnungs-App, sondern auch eine elektronische Gesundheitsakte. Die Versicherten können hier Dokumente, Impfungen, Medikationspläne oder Vorsorgetermine hinterlegen und überall bei Bedarf abrufen. Wichtig ist, dass wir dort auch die Schnittstelle zur elektronischen Patientenakte integriert haben. Zudem bieten wir auch einen Befundübersetzer für Patienten an. Wir arbeiten dabei mit Medizinern zusammen, um medizinische Befunde in eine verständliche Sprache zu übersetzen. Darüber hinaus haben wir das Angebot an Präventions- und Vorsorgeprogrammen mit digitaler und telefonischer Begleitung seit Jahresbeginn deutlich ausgebaut. Wir wollen die DKV-Plattformen zu einem medizinischen Begleiter ausbauen, der den Menschen Wissenswertes zum Thema Gesundheit liefert und sie in allen gesundheitlichen Lebenslagen begleitet.

Wie hat sich der bKV-Absatz in den vergangenen 16 Monaten entwickelt? Und wie schwierig ist es, auf Firmen oder Unternehmen zuzugehen? In welchen Segmenten der Wirtschaft geht es leichter, wo ist es herausfordernder?
Deschka: Die betriebliche Krankenversicherung ist ein sehr attraktiver Markt, in dem wir mit der DKV etwas stärker gewachsen sind als der Durchschnitt. Der Markt hat im Schnitt um zehn Prozent pro Jahr zugelegt. Dieses Wachstum ist kaum verwunderlich, denn wir bemerken hier sehr viel Offenheit – gerade von Unternehmen, die abseits der bekannten Zentren und Städte liegen. Viele Firmen machen sich Gedanken, wie sie dem Fachkräftemangel begegnen können. Oft sind das insbesondere kleinere Unternehmen, wo der Inhaber noch eine persönliche Beziehung zu seinen Mitarbeitenden pflegt und ein persönliches Interesse am Wohlergehen der Mitarbeiter hat. Mit Blick auf die Branche ist das Interesse im Handel, beim Baugewerbe, aber auch bei den Pflegediensten besonders groß. Überall dort, wo Fachpersonal nicht so leicht zu finden ist.

Welche bKV-Bausteine sind besonders beliebt?
Deschka: Die Zahnzusatzversicherung ist die Lieblingsversicherung. Neben den Individualtarifen bieten wir sogenannte Kompakttarife, die auf großes Interesse stoßen. Dort haben wir verschiedene Komponenten in unterschiedlichen Vorsorgepaketen zusammengestellt. Und seitdem es mit Careflex den Tarifabschluss für die betriebliche Pflegeversicherung in der Chemiebranche gibt, bemerken wir ein gestiegenes Interesse beim Thema Zusatzpflege. Wir haben im Sommer unseren bKV-Pflegetarif „BonusMed Pflege Plus“ auf den Markt gebracht, der gut nachgefragt wird.

Seite 3: Warum es ein Gesetz für die betriebliche Pflegeversicherung braucht

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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