Roundtable: „Man muss dem Vermittler stärker die Chancen der bKV aufzeigen“

Wir sehen, dass immer mehr Anbieter das schwierige Thema Pflege in die bVK integrieren. Sind die Menschen über die bKV bei dem sperrigen Thema überhaupt zu erreichen? 

Marquardt: Die Pflegeabsicherung ist absolut notwendig. Nur möchte das kaum jemand hören und sich mit dem Pflegerisiko auseinandersetzen. Mit dieser Erkenntnis gehen sie auf Arbeitgeber zu, die ebenfalls eine gewisse Vorprägung haben. Unter Strich ist bei der Pflegeabsicherung dringender Handlungsbedarf angeraten, aber nur wenige tun etwas. 

Warum ist das so? 

Marquardt: Der Grenznutzen eines Arbeitgebers bei der Auszahlung eines Pflegetaggeldes ist gering. Daher sind wir bei unserem Tarif Feel Care in eine andere Richtung gegangen. Wir bieten keine Pflegetagegeld-Versicherung, sondern übernehmen den Service und die Organisation rund um die Angehörigenpflege und zahlen ein monatliches Budget, dass der Mitarbeitende für die Pflege der Angehörigen verwenden kann. Für den Arbeitgeber ist das ein Mehrwert, weil er den Mitarbeitenden in schweren Zeiten eine echte Hilfe bietet und sie sich dadurch besser auf ihre Arbeit fokussieren können. Durch diesen anderen Blickwinkel wird das negativ besetzte Thema Pflege plötzlich attraktiver. Unser Pflegeangebot ersetzt nicht die private Pflegeabsicherung. Mit unserem Blick auf die Pflege gehen wir in der bKV einen anderen Weg und sensibilisieren die Belegschaft zugleich für die eigene Pflegevorsorge. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre das für die Pflege ein Drei-Säulen-Modell aus staatlicher, privater und betrieblicher Pflegeabsicherung.  

Donzelli: Wir beobachten das Thema betriebliche Pflege sehr aktiv. Es gibt Umfragen von Meinungsforschungsinstituten, die zeigen, dass 45 Prozent der Befragten sie als besonders wertvolle Zuwendung betrachten. Immerhin 35 Prozent sehen das sogar als wertvollstes Benefit. Daher muss auch die Kranken- und Pflegeversorgung im betrieblichen Bereich einen höheren Stellenwert gewinnen. Es gab in der letzten Legislaturperiode Gespräche darüber, ob es für die Pflegeabsicherung einen eigenen Freibetrag geben sollte, der betrieblich genutzt werden könnte. Am Ende haben wir ein eklatant großes soziales Problem. Der Mehrwert des Pflegebausteins wird üblicherweise erst im hohen Alter spürbar. Es ist aber ein Thema, das – verstärkt durch die Pandemie – immer deutlicher in das Bewusstsein der Menschen rückt. Es ist kein sexy Thema, aber ein absolut wichtiges. 

Wo müsste der Gesetzgeber beim Thema bKV nachschärfen, damit die Produkte und Angebote attraktiver werden?  

Ludwig: Ich denke, der Gesetzgeber könnte beim Pflegethema nachschärfen. Da müsste die bKV, was die Steuer- und Sozialversicherungfreiheit betrifft, genauso behandelt werden wie eine bAV. Es muss ähnlich attraktiv werden, für später vorzusorgen. Gerade im Bereich der Pflege könnte die arbeitnehmerfinanzierte Pflegefinanzierung durchaus attraktiv sein. Würde man sie handhaben wie eine Entgeltumwandlung, würde das der Pflegeabsicherung einen deutlichen Schwung geben. Hinzu kommt die Besteuerung. Der Arbeitgeber muss die bKV versteuern, der Arbeitnehmer theoretisch auch, weil er Leistungen erhält. Die Krankenleistungen der bKV sollten nicht als geldwerter Vorteil betrachtet werden. Vielmehr sollte es für den Arbeitnehmer komplett steuerfrei sein. Und auch der Arbeitgeber sollte keine steuerlichen Nachteile, eher Vorteile, haben. 

Donzelli: Ich fände es sehr sympathisch, wenn die bKV nicht mit Tankgutscheinen oder der Bezuschussung zur Kantine konkurrieren müsste. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Denn die Wertigkeit der bKV ist eine ganz andere. Eine Continentale-Studie zeigt: Im Ranking mit anderen Zusatzleistungen durch den Arbeitgeber belegen bAV und bKV die ersten beiden Plätze – noch vor Diensthandy oder Dienstwagen. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn es für die Gesundheitsversorgung der Mitarbeiter eine Säulen-Lösung geben würde, anlog der bAV. Das auch für die bKV zu etablieren, wäre für mich ein ganz konsequenter Gedankengang.

Marquardt: Ich würde mir ein Drei-Säulen-Modell für die Krankenversicherung wünschen und die bKV in dem Zusammenhang als eigenen Durchführungsweg. Der Arbeitgeber, der einen bestimmten sozialpolitischen Auftrag wahrnimmt, sorgt ja dafür, dass bestimmte Kosten durch ihn oder die private Krankenversicherung getragen werden, die entweder der Mitarbeiter oder die gesetzliche Krankenversicherung tragen müssten. Frau Donzelli hatte die Tankgutscheine erwähnt. Ich setze noch einen drauf. Es gibt einen Steuerfreibetrag für Firmenweihnachtsfeiern. Aber die bKV ist bis 50 Euro limitiert? Warum gibt es für die bVK keinen eigenen Durchführungsweg und eine Steuerbefreiung sämtlicher Lohnabgaben über 100 Euro? Das wäre ein Statement. 

Das Gespräche moderierte Jörg Droste, Cash..

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