ROUNDTABLE Private Krankenversicherung: „Eine Art Zwangsdigitalisierung“

Ich habe im vergangenen Jahr ein Interview mit Allianz-Vorstand Daniel Bahr geführt. Er sagte damals, beim Thema Pflegezusatzversicherung sei es so, dass die Menschen das Risiko wahrnehmen und eine Pflegezusatzversicherung für nötig halten, der Vertrieb aber sage, die Kunden bräuchten das nicht. Also gibt es wohl eine Diskrepanz zwischen dem Vertrieb und den Kunden. Wie baut man den Vermittlern da die Brücke?

Engemann: Das Thema Pflege ist schon in gewisser Weise negativ belegt. Das ist ja leider kein Thema, über das man wirklich offen redet. Deswegen sind die Dinge auch noch zu entwickeln. Selbst bei einem gesetzlich Versicherten muss, wenn man wirklich sauber in eine Bedarfsanalyse geht, das Thema Pflege angesprochen werden.

Das muss wirklich in Fleisch und Blut übergehen. Das ist kein Punkt, über den man hinweggehen darf. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass das Thema Pflege in die Analysen integriert wird und dann auch vom Vermittler beraten wird. Diese Hürde im Kopf müssen wir definitiv rausnehmen. Ich will da jetzt gar nicht alle Vermittler über einen Kamm scheren. Aber ich glaube, dass da noch viel zu tun ist.

Gaißer: Porsche hat mal gesagt: Wir bauen ein Produkt, das kein Mensch braucht, aber jeder haben möchte. Bei uns ist es genau umgekehrt, wir bauen Produkte, an denen ein extrem hoher Bedarf besteht, bei denen die Nachfrage aber noch Steigerungspotenzial hat.

Deshalb müssen wir im Bereich Pflege an Weiterbildungsmaßnahmen für die Vermittler arbeiten, wir müssen Schulungen anbieten – aber nicht nur die klassischen Produktschulungen, sondern auch Vertriebsschulungen. Warum benötige ich eine Pflegeabsicherung? Das ist ja die Frage, die die Kunden den Maklern stellen. Und da ist es wichtig, ganz klar den Bedarf aufzeigen zu können, dieses extreme finanzielle Risiko.

Wenn ich mir aber einen 20-jährigen oder 25-jährigen Vermittler vorstelle, der bei einem 45-jährigen oder 50-jährigen Kunden sitzt, der deutlich aufgeklärter ist, und den er dann über das Thema Pflege aufklären soll – das stelle ich mir schon ein bisschen schwierig vor.

Gaißer: Das ist aber nicht unmöglich. Der fachkundige Vermittler wird die Biometrie immer frühzeitig beraten. Unser Gesellschaftsarzt fragt immer: Warum versichert ihr die Kunden nicht dann, wenn sie noch jung und gesund sind? Und er hat vollkommen Recht.

Die Phase, in der die Kunden noch die Möglichkeit haben, biometrische Produkte abzuschließen, genau das ist der Zeitpunkt, wo wir mit ihnen reden müssen – über Optionstarife, über Berufsunfähigkeit, über Pflege, über Risiko-Leben. Wenn wir das unterlassen und nur mit einem Produkt kommen, zum Beispiel mit der BU, dann machen wir vieles falsch.

Engemann: Viele werfen uns ja vor, dass wir nur Vertriebe haben, die stark provisionsorientiert sind. Aber das stimmt nicht. Gerade an solchen Themen wie der Pflege müssen wir beweisen, dass uns die Versorgung unserer Kunden wichtig ist und dass wir da ganz gezielt Analysen machen und auf diese Punkte hinweisen.

Ich finde im Übrigen, dass auch junge Vermittler solche Themen wie Pflege transportieren können. Viele haben ja schon persönliche Erfahrungen mit dem Thema gemacht, zum Beispiel über ihre Großeltern und sie sehen, wie stark ihre Eltern in Sachen Pflege gegebenenfalls eingebunden sind.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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