Customer Journey in der Kfz-Versicherung: Warum Kunden ihren Versicherer wechseln

Foto: Heute und Morgen
Dr. Michaela Brocke, Geschäftsführerin von Heute und Morgen

Die Kfz-Versicherung ist ein lukratives wie wettbewerbsintensives Segment. Die Wechselbereitschaft und Wechselquoten sind im Vergleich zu anderen Sparten deutlich erhöht. Allerdings kann sich jeder zweite wechselinteressierte Kfz-Versicherungskunde vorstellen, seinem bisherigen Versicherer treu zu bleiben, wenn das Angebot stimmt. Dem Anbieter-Hopping lässt sich also durchaus entgegenwirken, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Autoversicherungen sind ein durchaus lukratives, zugleich ein besonders wettbewerbsintensives Geschäft. Letzteres wissen viele Versicherungskunden für sich zu nutzen: Die Wechselbereitschaften und die Wechselquoten sind in der Kfz-Sparte im Vergleich zu anderen Versicherungssparten deutlich erhöht. Für die Kfz-Versicherer gilt es daher – zwecks Gewinnung von Neukunden oder zwecks Wechselprävention – die Customer Journey der grundsätzlich wechselaffinen Kunden mit ihren verschiedenen Stationen genau zu kennen.

Und entsprechend zu berücksichtigen. Aktuell zeigt sich hier beispielsweise: Kunden informieren sich aktiver und ausführlicher vor dem Abschluss. Im Vergleich zu den Vorjahren nutzen die wechselbereiten Kfz-Versicherungskunden mehr Informationsquellen, beziehen mehr Anbieter in ihre Entscheidungsfindung ein und holen öfter aktiv Angebote ein.

Vorteile hat daher, wer als Anbieter im „Relevant Set“ der wechselbereiten Kfz-Kunden gut verankert ist. Und – als bisheriger Versicherer – vertrauensvolle Kundenbeziehungen pflegt und möglichen Tarifwechseln und Optimierungen nicht im Wege steht. Dies sind einige Schlussfolgerungen der aktuellen Studie «Customer Journey zur Kfz-Versicherung» (Ausgabe 2022) des Marktforschungsinstituts Heute und Morgen aus Köln.

Direktabschluss dominiert

Jeder zweite wechselinteressierte Kfz-Versicherungskunde, der in der Informations- und Entscheidungsphase aktiv Angebote verschiedener Versicherer einholt, bittet auch den bisherigen Kfz-Versicherer um ein Neu-Angebot. Dies sind deutlich mehr als in den Vorjahren (2022: 52 Prozent; 2019: 35 Prozent).

Dem verbreiteten „Anbieter-Hopping“ lässt sich seitens der Produktgeber also mit vorausschauenden Maßnahmen durchaus entgegenwirken. Und die „Kfz-Wechselfreude“ der Kunden über attraktive Bindungsangebote und flexible Tarifwechselangebote senken. Online-Abschlüsse dominieren weiterhin – Berater bleiben aber wichtige Wechseltreiber In puncto Abschlusswege gilt: Dominant in der Kfz-Sparte bleibt das Internet – nicht nur als Informationskanal, sondern auch als direkter Abschlussweg. Insgesamt 57 Prozent aller Abschlüsse erfolgen Online-Abschlüsse über Vergleichsseiten oder Anbieter-Homepages. Bei Beraterinnen und Berater werden hingegen nur 39 Prozent der Verträge abgeschlossen.

Persönliche Beratung auf dem Rückzug

Persönliche Beratung wird im Informations- und Entscheidungsprozess von den Kunden seltener als früher genutzt. Berater (Vertreter, Makler) sind aber weiterhin besonders starke und erfolgreiche Wechseltreiber – vor allem dann, wenn die Beratung von den Kunden als kompetent, objektiv und fair erlebt wird.

Repräsentativ befragte Heute und Morgen hierzu über 500 erwachsene Bundesbürger, differenziert in zwei Gruppen: Kfz-Versicherungskunden, die in den letzten zwölf Monaten ihre Kfz-Versicherung gewechselt haben, die so genannten Wechsler; und Kfz-Versicherungskunden, die sich ebenfalls aktiv zwecks möglichem Anbieter-Wechsel informiert haben, am Ende des Prozesses aber keinen Anbieter-Wechsel vollzogen haben, also Wechselbereite ohne Anbieter-Wechsel. Neben aktuellen Aspekten der verschiedenen Phasen und Kontaktpunkte auf der Customer Journey in der Kfz-Versicherung wurden bei der Untersuchung auch Entwicklungstrends im Vergleich zu den Studien aus den Vorjahren 2019 sowie 2016 beleuchtet.

„Ein fundiertes Prozess-Verständnis der Customer Journey bei Kfz-Versicherungswechseln ermöglicht die Ableitung wirksamer Strategien zur Gewinnung neuer Marktanteile und zugleich zur Bestandskundenbindung bzw. Wechselprävention“, sagt Dr. Michaela Brocke, Geschäftsführerin bei Heute und Morgen. „Je nach spezifischen Positionierungszielen und Vertriebsstrukturen der Anbieter können sich solche Strategien in ihrer Architektur deutlich unterscheiden.“

Der Preis ist der Auslöser für den Wechsel, nicht der Service

Der detaillierte Blick auf die verschiedenen Stationen und Kontaktpunkte der Customer Journey in der Kfz-Sparte zeigt unter anderem: Zentraler Auslöser dafür, den Wechsel der bisherigen Kfz-Versicherung zu erwägen, ist laut Brocke in rund acht von zehn Fällen die Unzufriedenheit mit dem Preis beziehungsweise die Aussicht auf finanzielle Ersparnisse (78 Prozent).

Andere Gründe, wie Unzufriedenheit mit dem Service des bisherigen Anbieters, spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle. Zugleich gewinnen werbliche Maßnahmen konkurrierender Anbieter als Anschub für eine Auseinandersetzung mit der eigenen Kfz- Versicherung an Bedeutung.

In der Informationsphase bleibt das Internet laut der Studie die mit Abstand am häufigsten genutzte Quelle auf der Suche nach Kfz-Versicherungen. Immerhin 85 Prozent aller Wechselinteressierten greifen darauf zurück. Eine zentrale Rolle spielen dabei weiterhin die Vergleichsportale. Hier dominiert laut Heute und Morgen Check24. Gegenüber den Vorjahren allerdings mit rückläufiger Tendenz. Gleichzeitig steigt die Anzahl der in der Informationsphase insgesamt genutzten Kontaktpunkte.

Mehr Angebote, mehr Vergleiche, mehr Zeit für die Entscheidung

Auch die Zahl der Anbieter im „Relevant Set“ der Kunden wächst: Es werden mehr Anbieter bei der Suche berücksichtigt als noch in den Vorjahren. Wechselinteressierte gehen zudem aktiver bei ihrer Suche vor: Mehr als jeder Dritte holt in der Informationsphase aktiv Angebote bei (verschiedenen) Produktgebern ein. Im Vergleich zu den Vorjahren eine sehr deutliche Zunahme. Von 2019 auf 2022 stieg die Zahl von 21 auf 36 Prozent. Insgesamt ist in diesem Kontext feststellbar, dass sich Wechselinteressierte aktuell mehr Zeit für ihre Wechsel-Entscheidung nähmen, als noch vor einigen Jahren, sagt Brocke.

In der „Entscheidungsphase“ werden zudem persönliche Beratungsgespräche zunehmend seltener genutzt. Zugleich bleiben Beraterinnen und Berater aber ein starker Wechseltreiber. Customer Journeys, die ausschließlich über das Internet verlaufen, führen – in Relation zur Nutzung – vergleichsweise seltener zu Abschlüssen. Das Internet kann teilweise also auch ein Wechsel-Hemmer sein.

Online-Abschlüsse auf hohem Niveau

Beim „Abschluss“ selbst ist das Internet mit 57 Prozet für die Wechsler weiterhin das Top-Medium. Hier dominieren insbesondere Vergleichsportale und Anbieter-Homepages. Verglichen mit den rasanten Zuwachszahlen an Online-Abschlüssen bis vor 2015, stagniert dieser Trend aktuell auf hohem Niveau (2019: 60 Prozent Online-Abschlüsse).

Etwa vier von zehn Kfz-Wechslern (39 Prozent) schließt hingegen weiterhin bei Beratern ab (2019: 36 Prozent). Der telefonische Kontaktweg nimmt dabei – teils wohl auch Pandemie-bedingt – zu, der unmittelbar persönliche hingegen etwas ab. Berater sind dabei starke Wechseltreiber mit hohen Abschlusserfolgsquoten. Dabei scheint die Stammorganisation ihre Position bei den Abschlüssen gegenüber den freien Maklern ausbauen zu können, so eine weitere Erkenntnis des Marktforschungsunternehmens.

Gründe, nicht zu wechseln: Wenn der Preis nicht stimmt

Als vorherrschende Gründe für den Nicht-Wechsel des Anbieters am Ende der Customer Journey nennen die meisten der ursprünglich aktiv Wechselinteressierten, die Erfahrung, dass sich das Preis-Leistungs-Verhältnis, oder auch allein beim Preis, gegenüber dem bisherigen Anbieter nicht verbessert.

Seltener wird von den Nicht-Wechslern als Grund das fortbestehende Vertrauen in den Anbieter (22 Prozent) genannt, das dem Wechsel im Wege steht. „Die Bestandskundenpflege wird im Vergleich zur Neukundengewinnung trotz manch positiver Entwicklung immer noch vernachlässigt“, sagt Cathrin Cramer, Studienleiterin bei Heute und Morgen.

„Viele Kunden sind heute aber längst nicht mehr so bequem oder markengebunden wie noch vor Jahren. Sie erwarten beispielsweise Treuerabatte und aktive Hinweise auf verbesserte Konditionen neuer Policen. Darüber hinaus stellt der zunehmende Kauf von E-Autos in der Stammkundschaft die Versicherer vor neue Herausforderungen, zumal hier spezialisierte Anbieter oder auch die E-Autobauer neu in den Markt drängen.“

Aktuelle Anbieterpräferenzen: Huk, Allianz, ADAC und VHV

Aktuell liegen bei den untersuchten Wechslern des Kfz-Versicherungsanbieters HUK (HUK 24 und HUK-Coburg), Allianz, ADAC und VHV vorn (Top 5). Im Einzelvergleich mit HUK 24 und HUK-Coburg hat die Allianz die Nase in der Untersuchungsstichprobe vorn.

Zugleich hat der ADAC in den letzten Jahren als Anbieter für Kfz-Versicherungen am stärksten hinzugewonnen. Wer in der kommenden Wechselsaison 2022 / 2023 anbieterseitig zu den Gewinnern und den Verlierern im umkämpften Kfz-Versicherungsmarkt zählen wird, sei aber derzeit noch völlig offen, so das Fazit des Beratungsunternehmens.

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