Die von der EU geplante Financial Data Access Regulation (FIDA) könnte die Arbeit von Versicherungs- und Finanzanlagenvermittlern grundlegend verändern. Auf dem 22. „Hauptstadtgipfel“ des AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen informierten Experten die Entscheider aus der Finanzdienstleistungsbranche über den aktuellen Stand in Brüssel und diskutierten, was damit auf Beraterinnen und Berater zukommen könnte, berichtet der AfW. Über die Erkenntnisse des Gipfels in Bezug auf die (zunächst Mini-) Reform der Altersvorsorge hatte der Verband bereits am Freitag informiert.
Erklärtes Ziel der FIDA ist demnach ein offenes, standardisiertes und sicheres Daten-Ökosystem im Finanzsektor, das über die bereits bestehende Open-Banking-Regulierung wie die Zahlungsdienstleisterrichtlinie PSD2 hinausgeht und auch Versicherungen, Kredite, Wertpapiere und andere Finanzprodukte einbezieht. In dieser künftig offenen Finanzwelt sollen Verbraucher ihre Finanzdaten sicher und kontrolliert nutzen und von innovativen Dienstleistungen profitieren, so die Zielsetzung.
Technologiebasierte Finanzberatung im Jahr 2035
Auf dem AfW-Hauptstadtgipfel ging es um mögliche Rahmenbedingungen, Chancen und Gefahren der anstehenden Regulierung. Andreas Beys, Vorstand der Sauren Fonds AG, umriss eine Vision, wie bei umgesetzter FIDA der Alltag einer Finanzberaterin im Jahr 2035 aussehen könnte, berichtet der AfW. „Technologie ist nicht mehr nur ein Werkzeug, sie ist stille Begleitung, unsichtbar, effizient und selbstverständlich“, sagte Beys demnach. In dieser Welt fungiere ein Berater als Lebenscoach, Finanznavigator und strategischer Partner für Kundinnen und Kunden.
KI-Agenten erkennen Beys Vision zufolge frühzeitig relevante Veränderungen wie Gehaltssprünge, geändertes Ausgabenverhalten oder neue Lebenssituationen, so der AfW-Bericht. Mit einer intelligenten Früherkennung in Verbindung mit abgestimmten Finanzplänen erreichen Berater demnach nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sie stärken die Beziehung zu ihren Kunden und schaffen konkreten Mehrwert. Dank einem digitalen Financial Home, in das sämtliche Verträge integriert sind, können Policen, Prämien und Leistungsdetails standardisiert und maschinenlesbar analysiert werden, falls Kundinnen und Kunden den Zugang erlauben, so die Vision.
Erfahrungen aus der Bankenwelt mit Open Finance
Nicola Breyer, Open-Finance- und FIDA-Expertin, sprach auf dem AfW-Hauptstadtgipfel über ihre Erfahrung im Open Banking. Dort liegen Theorie und Praxis offenbar noch recht weit auseinander: „Die Transaktionsdaten der Banken sind nicht ausreichend dafür, ein 360-Grad-Bild der finanziellen Position einer Person zu erstellen und auf Basis dieser Mehrwerte für diese zu generieren. Unter anderem deshalb hat Open Banking bisher noch nicht den ökonomischen Mehrwert, den wir uns früher vorgestellt haben“, wird sie in der Mitteilung zitiert. Daraus könne man für FIDA lernen, so die Expertin.
„Wir müssen als Industrien und über Industrien hinweg, als Finanzdienstleistungsbranche, als Technologieanbieter, als Anwälte und Verbände in einem Ökosystem zusammenarbeiten, damit wir eine sinnvolle Governance für dieses Thema erstellen und damit wir Businessmodelle aufbauen, bei denen alle Marktteilnehmer etwas verdienen können“, betonte Breyer demnach. Besonders wichtig sei dabei, nicht nur produktbasiert, sondern menschenbasiert zu denken. „Wir werden bald eine Generation erleben, die nur noch digital lebt und digitale Angebote erwartet. Diese Angebote müssen auf die einzelnen Personen zugeschnitten sein“, so die Open-Finance-Expertin.
Viel Kapitalbedarf nötig
Es werde zweifellos viel Geld und Ressourcen kosten, bisher nicht aufbereitete Daten in der Versicherungsbranche auf einen verwertbaren Stand zu bringen. Dies sei aber alternativlos. Eine digitale Ökonomie brauche standardisierte Daten und Rechtssicherheit. Andere Länder wie Großbritannien seien da voraus. „Dort ist die Implementierung einer Open Data Strategie für viele Industrien deutlich weiter ausgereift. Der Data (Use and Access) Act ist die Basis für eine Datenökonomie. Man rechnet damit, dass dieses Gesetz durch Produktivitätssteigerungen das britische GDP um zwei Prozent erhöhen wird“, unterstrich Breyer dem AfW zufolge.
Sie erwarte, dass künftig viel mehr als heute individualisierte oder kohortenbasierte Produkte gebaut werden, wenn Datenpools vorliegen. Breyers Appell an die Branche: „Bitte beschäftigen Sie sich mit der FIDA-Regulatorik, sehen Sie sie als Chance an. Überlegen sie sich, wie Sie ihre Kunden bestmöglich personalisiert betreuen können und wie Technologie dabei helfen kann“. KI einzuschalten bringe nichts ohne relevante Daten. Daher sei eine Datenstrategie essenziell.
AfW: „Nicht Position der Fundamentalopposition“
Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW, bekräftigte, dass sich der AfW, gemeinsam mit Partnern innerhalb der Branche, proaktiv den Herausforderungen stelle. „Es wird absehbar eine Regulierung zum Finanzdatenzugang geben. Für uns ist klar, wir wollen und müssen mitreden und dies nicht aus einer Position der Fundamentalopposition heraus, die teilweise in der Branche vorherrscht“, so Wirth. Von FIDA seien „alle Akteure der Finanzbranche betroffen“, hatte er unlängst im Cash.-Interview zu dem Thema gesagt.
Aktuell bereite die German Open Finance Charta, der sich der AfW mit vielen anderen Marktteilnehmern angeschlossen hat, ein Positionspapier zu FIDA vor, um Anregungen für die anstehenden finalen Verhandlungsgespräche im Gesetzgebungsprozess in Brüssel zu geben.
Derzeit befindet sich das Projekt ebenso wie die Kleinanlegerstrategie im Trilog-Verfahren. Das bedeutet, dass die EU-Kommission, das EU-Parlament und der Rat der EU versuchen, einen Kompromiss zu finden, der dann später in einem Gesetzesentwurf präsentiert wird. „Der AfW erwartet, dass dies nach der Sommerpause unter dänischer Ratspräsidentschaft aktiv und zügig vorangetrieben wird“, so der Verband.