Sevice der deutschen Banken: „Die Antwortquoten sind alarmierend“

Foto: Fralytics
Johannes Bunk

Cash.-Interview mit Johannes Bunk, CEO & Co-Founder des Fralytics Brancheninstituts, über das Serviceverhalten der deutschen Banken.

Sie haben im Auftrag von Cash. das Serviceverhalten der Banken in Deutschland analysiert. Mit welchen Erwartungen sind Sie an die Analyse herangegangen?

Bunk: Im Jahr 2022 hat Fralytics hauptsächlich Versicherungsunternehmen untersucht, dabei entstand ein sehr detaillierter Überblick zum Serviceverhalten einer kompletten Branche. Wir sind im Bankenbereich zwar mit ähnlichen Erwartungen an die Analyse herangegangen und haben natürlich ein gewisses Bauchgefühl vor jedem Branchenscreening, doch da wir äußerst datengetrieben arbeiten, können wir eine Beeinflussung der Ergebnisse daraus ausschließen. Innerhalb der Untersuchung ist uns aufgefallen, dass die Banken im Bereich Reaktionsschnelligkeit etwas besser waren als beispielsweise Versicherungen. Allerdings die Antwortquoten – und hier habe ich speziell den Bereich Neugeschäft und Unternehmensentwicklung im Kopf – waren auf die gesamte Branche gesehen eine herbe Enttäuschung.

Wie sind Sie bei der Prüfung vorgegangen?

Bunk: Unsere Prüfungen laufen immer in zwei Stufen ab: eine Algorithmusebene und eine menschliche Ebene. Zunächst werden von unserem Algorithmus allgemeine Kriterien analysiert wie Übersicht der Webseite, Servicefunktionen, Erreichbarkeit und Reputation. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Usability der Website – innerhalb dessen wird geprüft, wie lange ein Kunde braucht, um die grundlegenden Servicekanäle zu finden. Nur wer die erste Stufe besteht, qualifiziert sich für Stufe zwei: die Mystery Tests. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, denn jetzt sind die realen Kontaktpunkte ausschlaggebend. Der Mystery Test ist für eine Auszeichnung der weitaus wichtigere Teil. Ein öffentlicher Auftritt kann noch so kundenorientiert und verbraucherfreundlich sein – wenn der direkte Kontakt nicht funktioniert, dann hat der Service versagt.

Wie lief das Mystery Shopping konkret ab?

Bunk: Bevor ich auf den konkreten Ablauf unserer Mystery Tests eingehe, möchte ich noch kurz erläutern, weshalb wir auf dieses Verfahren setzen und nicht etwa auf Verbraucher-Umfragen, die ja bei Weitem weniger umfangreich wären. Umfragen eignen sich aus unserer Sicht dann besonders, wenn das Themengebiet sehr spezifisch eingegrenzt werden kann und die befragte Gruppe nachweislich für die Studie relevant ist. Eine hoch relevante Gruppe ist beispielsweise der Versicherungsmakler, der tagtäglich gewerbsmäßig mit vielen Unternehmen der Branche zu tun hat. Bei Endverbrauchern ist die Kunden-Verifizierung, also die Echtheit der Service-Einschätzung ein echtes Problem. Wie andere Analysehäuser hier die Echtheit sicherstellen, konnten uns bisher nicht einmal die Häuser selbst erklären. Nun aber konkret zu unserem Mystery Shopping. Hier haben wir anhand von Testkunden realistische Fragen zu den angebotenen Produkten gestellt. Dies war beispielsweise zur Kontoeröffnung oder Geldanlage im Privat- und Geschäftskundenfeld. Besonderes Augenmerk lag auf den schriftlichen/digitalen Kontaktwegen, denn so sind wir in der Lage, ein genaues und vergleichbares Bild einer kompletten Branche zu erzeugen. Ausschlaggebend sind die Werte „Qualität der Antworten“ und „Reaktionsschnelligkeit“. Im Detail sieht das so aus: Gab es eine Eingangsbestätigung zur versendeten Anfrage? Wurden alle Fragen vollständig beantwortet? Wurden Formalien eingehalten? Punktet das Unternehmen mit zusätzlichen Informationen zur Anfrage (Zielführende Infos per PDF oder Webseiten-Link)? Wie lange dauert es, bis ein Nutzer/Kunde vom Unternehmen eine Antwort erhält?

Wie hat sich das in der Platzierung niedergeschlagen?

Bunk: Uns ist daran gelegen, nur die Besten auszuzeichnen. Das bedeutet, für die Plätze eins bis drei können nur Unternehmen mit mindestens 80 Prozentpunkten in der Qualität weiterkommen. Die endgültige Platzierung ergibt sich aus der Reaktionsschnelligkeit. Für Platz eins mussten im Schnitt Antwortzeiten von unter einer Stunde erreicht werden. Für Platz zwei waren es Antwortzeiten zwischen einer Stunde und vierundzwanzig Stunden. Für Platz drei mussten die Antworten durchschnittlich innerhalb von vierundzwanzig und achtundvierzig Stunden angekommen sein. An dieser Stelle nutzen wir eine technologische Unterstützung, aber letztendlich kann und wird eine Servicebewertung bei uns von Menschen gemacht.

Zu welchem Gesamtergebnis sind Sie gekommen?

Bunk: Das Gesamtergebnis ist gemischt. Es gab wirklich hervorragend agierende Bankhäuser, die sowohl in Qualität als auch in der Reaktionszeit mit besten Ergebnissen glänzen. Allerdings gab es auch Banken – und das waren nicht wenige – die erst nach über acht Tagen antworteten. Ich spreche hier von einem Lead, der ins Haus kommt und erstmal schockgefrostet wird. Wir befinden uns in einer sehr schnelllebigen Zeit, in der es nicht akzeptabel ist, mehrere Tage auf Antworten zu warten. Der Verbraucher ist es aus allen Lebensbereichen, aber vor allem online gewohnt, so schnell wie möglich zum Ergebnis zu kommen. Fehlt eine Antwort, kommt sie zu spät oder ist nicht zufriedenstellend, dann ist der Kunde weg und geht zu dem Anbieter, der sich besser um Anfragen kümmert. Abgesehen von den Reaktionszeiten und auch diverser Qualitätsmängel waren die Antwortquoten alarmierend. Wo wir bei Privatkundenanfragen noch 73 Prozent Antworten gemessen haben, waren es bei Geschäftskunden nur noch 64 Prozent. Bei den Geldanlageanfragen war die Antwortquote sogar nur noch bei 53 Prozent.

Welche Qualitätsmängel sind Ihnen aufgefallen und welche bewerten Sie als besonders kritisch?

Bunk: Den Analysten sind in der Auswertung tatsächlich einige Mängel aufgefallen. Besonders kritisch ist es dann, wenn der Datenschutz sehr locker ausgelegt wird. So haben einige Häuser zur Vorbereitung auf den Präsenztermin den Testkunden um Zusendung einer Ausweiskopie und Steuernummern per E-Mail gebeten. Dabei erfolgte keine Aufklärung der Gefahren zur Übermittlung von sensiblen persönlichen Daten per E-Mail. Fraglich an dieser Stelle ist, wofür die persönlichen Daten überhaupt notwendig sind, wenn es darum geht, allgemeine Produktfragen und Abläufe zu beantworten. Aber auch weniger kritisches Serviceverhalten ist während des Mystery Tests aufgefallen: Interne Weiterleitungen zur Findung der Zuständigkeit haben nichts im Posteingang des Kunden verloren. Gezielte Produkt-Anfragen sollten nicht mit Werbung für ganz andere Produkte beantwortet werden, schon gar nicht nicht im Erstkontakt. Bei Verweisungen auf Informationen auf der Webseite ist es das Mindeste, den Webseiten-Link einzufügen.

Was können bzw. sollten die Banken tun, um die festgestellten Mängel abzustellen?

Bunk: Es wäre so einfach, denn die festgestellten Mängel lassen sich mit wenig Schulungsaufwand deutlich verbessern. Hier sind die Leiter im Kundenservice gefragt, gemeinsam mit ihrem Team eine saubere und kundenorientierte Antwortstrategie zu definieren. Von unserer Warte aus gibt es bei Häusern mit unzureichendem Serviceverhalten zwei Typen. Typ eins hat ein sehr hohes Aufkommen von Neuanfragen oder Fragen zur Lösung von Problemen und bekommt diese einfach personell nicht abgedeckt. In unseren Analysen zeigt sich immer, dass sich aus viel Kontaktaufnahme und Nachfragen ganz selbstverständlich zusätzliches Geschäft ergibt. Schafft es nun eine Bank nicht, diese Anfragen abzuarbeiten, dann haben sie ein Problem, denn wertvolle Leads müssen liegengelassen werden. In diesem Fall liegt die Lösung meist in einem geeigneten Customer Service-, Sales-Tool. Der zweite Typ ist meist noch schlimmer dran. Hier besteht ein gewisser Kundenstamm und Servicemitarbeiter fühlen sich eher der Kundenzufriedenheit und -bindung, jedoch nicht für Neukundenanfragen zuständig. Warum ist das schwierig? Weil eine wichtige Verbindung fehlt, nämlich die Verzahnung von Kundenservice und Vertrieb. Es bedeutet, dass zwei komplett autarke Teams in einem Haus arbeiten und zu wenig miteinander sprechen. An dieser Stelle kann zwar auch ein Tool helfen, aber vorher muss eine geschäftspolitische Entscheidung getroffen werden, die beide Abteilungen mehr miteinander verbindet.

Wie modern sind die deutschen Banken eigentlich, was Geschlechterpolitik angeht?

Bunk: Eine sehr interessante Frage. Die meisten Banken haben auf der Onlinepräsenz einen Gender-Hinweis. In diesem wird darauf verwiesen, dass aus redaktionellen Gründen das „generische Maskulinum“ verwendet wird und dies keine Wertung beinhaltet. Es scheint also, als hätte man sich mit dem Thema Gleichstellung und Rollenmustern in irgendeiner Form beschäftigt. Der Kundenservice selbst gibt sich allerdings traditionell und geht davon aus, dass Bankenprodukte eher von männlichen Personen angefragt werden. So wurden auf Anfragen, welche geschlechtsneutral formuliert wurden, eher mit „Sehr geehrter Herr XY“ in der Anrede beantwortet. Aus sprachlicher Sicht ist hier also noch deutliches Verbesserungspotenzial möglich. In Zeiten des gesellschaftlichen Wandels lohnt sich der Blick darauf besonders, um die Erwartungen der Kundinnen und Kunden gerecht zu werden. Die Verantwortung liegt auch hier wieder in der Leitung des Kundenservice und den Diversity Managern, um ganzheitlich für das Thema zu sensibilisieren und alle Mitarbeiter sowie die Vorstandsebene dabei mitzunehmen. Hier sei nochmal gesagt, dass wir den Service der Unternehmen getestet haben. Wir sind uns sicher, dass es an einigen Stellschrauben bereits spürbare Besserungen gibt, zum Beispiel in Gehälterangleichungen, Möglichkeiten der Kinderbetreuung und geänderten Bewerbungsprozessen.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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