„Die Arbeitskraftabsicherung könnte in den nächsten Jahren ein Trend werden“ 

Foto: Panthermedia
Die Gefahr, im Laufe des Berufslebens berufsunfähig zu werden, ist objektiv sehr hoch.

Der Bevölkerung ist zunehmend bewusst, dass die Absicherung der eigenen Arbeitskraft existenziell notwendig ist. Besonders bei der Generation Z. Doch der Gap zwischen Erkenntnis und tatsächlicher Absicherung der Arbeitskraft ist nach wie vor groß. Was auch am Preis einer BU-Absicherung liegen dürfte. Und mit der Grundfähigkeitsversicherung kommt neuer Schwung in einen ziemlich zementierten Markt.

Haben Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)? Nein! Dann herzlich willkommen im Klub derjenigen, die sich die eigentlich notwendige Absicherung schenken. 2021 sprach die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) davon, dass rund 17 Millionen Berufstätige eine BU abgeschlossen hätten. Den 17 Millionen stehen allerdings rund 28,5 Millionen Erwerbstätige gegenüber, die darauf verzichten. 

Dabei scheint der Bevölkerung allmählich zu dämmern, dass die Absicherung der eigenen Arbeitskraft existenziell notwendig ist, wie die aktuelle Continentale-Studie „Absicherung der Arbeitskraft – (K)ein Thema in der Bevölkerung“ deutlich macht. 

Die aktuelle Befragung zeigt, dass sich in den vergangenen Jahren zumindest beim Bewusstsein für die Notwendigkeit der Vorsorge etwas getan hat. Eine private BU-Versicherung ist mittlerweile knapp drei Vierteln aller Befragten zwischen 18 und 60 Jahren wichtig oder sehr wichtig. Bei der letzten AKS-Umfrage des Versicherers waren es noch 62 Prozent. Bei den 18- bis 29-Jährigen finden sogar 80 Prozent die BU-Vorsorge wichtig oder sehr wichtig. Im Vergleich zu anderen Versicherungen ist diese für die Generation Z mit 41 Prozent die wichtigste Versicherung nach der Haftpflicht. Auch hier antwortet diese Gruppe anders als die Gesamtheit der Befragten. Letztere wählen die BU-Versicherung mit 29 Prozent der Nennungen eher ins Mittelfeld hinter die Haftpflicht- (79 Prozent), die Kfz- (40 Prozent) oder die Hausratversicherung (39 Prozent). Zwar schätzt mittlerweile ein Viertel der Befragten ihr eigenes Risiko, einmal berufsunfähig zu werden, als groß oder sehr groß ein – 2019 waren es 16 Prozent. 

Eine BU-Absicherung besitzen allerdings nur knapp ein Drittel der Befragten. Und nur fünf Prozent geben an, eine Versicherung für den Fall der Erwerbsunfähigkeit (EU) zu haben. „Das entspricht ungefähr den Angaben aus dem Jahr 2019“, sagt Dr. Helmut Hofmeier, Vorstand Leben bei der Continentale Versicherung. „Dabei ist objektiv betrachtet die Gefahr, im Lauf des Berufslebens berufsunfähig zu werden, sehr hoch“, so Hofmeier. Vielen Berufstätigen, vor allem jungen Personen, sei das Risiko, welches sich durch eine Berufsunfähigkeit ergibt, nicht bewusst, warnt denn auch Michael Franke, Geschäftsführer des Analysehauses Franke und Bornberg in Hannover. 

Die Continentale Studie bestätigt die Einschätzung des BU-Experten. Ein Problem dürfte sein, dass zwischen der Erkenntnis und der tatsächlichen Absicherung Zeit vergeht. „Es wacht keiner morgens auf und sagt: „Ich brauche eine Arbeitskraftabsicherung. Die Herausforderung für den Berater ist, dieses Bewusstsein zu schaffen: Was kann passieren?“, sagt Markus Freiherr von Rotberg, Vertriebsdirektor bei Swiss Life. Die Nachhilfe bräuchten vor allem die Kunden, so die einhellige Meinung der Teilnehmer beim Cash. Extra Altersvorsorge. An den Berater liege es, die Kunden von der Notwendigkeit zu überzeugen. Franke bestätigt die Aussage und sieht in dem aufschiebenden Verhalten der Bevölkerung eine der Ursachen für die immer noch mäßige Durchdringung beim Thema Arbeitskraftabsicherung. 

„Wird diesen Personen im späteren Berufsleben klar, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung doch sinnvoll ist, kommt es zu weiteren Hürden. Zum einen muss der Gesundheitszustand eine BU-Absicherung noch zulassen. Dies ist bei Vorerkrankungen häufig schwierig. Zum anderen spielt die Prämienhöhe eine entscheidende Rolle. Eine bedarfsgerechte Absicherung kostet auch schon für Berufe mit geringerem Risiko eine Menge. Von Berufen mit erhöhtem Risiko ganz zu schweigen. Eine BU-Absicherung muss man sich also leisten können und wollen“, sagt Franke. Dass sie notwendig ist, belegen die Statistiken der Interessenvereinigung der Versicherungsmathematiker, dass jeder vierte oder fünfte Berufstätige im Laufe seines Berufslebens mindestens einmal berufsunfähig wird. 

Die Gründe für die mangelnde Vorsorge sind vielfältig. So sagen 71 Prozent, dass ihnen eine BU-Versicherung schlicht zu teuer ist. Sie schätzen aber auch überdurchschnittlich oft ihre persönliche Prämie viel höher ein, als sie in der Realität wahrscheinlich ist, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Und fast die Hälfte der Befragten will ihr Geld lieber für andere Dinge ausgeben. Neben rein finanziellen Gründen stehen vor allem aber auch mangelnde Kenntnisse dem Abschluss einer BU-Versicherung im Weg: So gaben 42 Prozent der Befragten ohne Versicherungsschutz an, sie hätten sich zum Thema Arbeitskraftabsicherung bisher noch nicht informiert. Das gilt vermehrt für 18- bis 29-Jährige (57 Prozent). Als gut informiert schätzen sich nur 27 Prozent der bisher Nichtversicherten ein. „Viele sichern ihr Auto Vollkasko ab, haben aber kein BU oder Grundfähigkeitsversicherung“, kritisiert Christoph Lehmann, Senior Financial Planner bei Valuniq im Cash. Extra-Roundtable Arbeitskraftsicherung. Das fehlende Bewusstsein, sei der springende Punkt. 

Nach Berechnungen von Franke und Bornberg beträgt die durchschnittliche monatliche BU-Rente gerade einmal 1.098 Euro. Angesichts der hohen Mieten in vielen deutschen Großstädten dürfte die BU-Rente im Fall der Fälle gerade noch für die Wohnungsmiete reichen. Stehen eine Familie, Kinder, ein finanziertes Haus und Auto dahinter, dürfte im Fall einer Berufsunfähigkeit des Hauptverdieners die komplette finanzielle Existenz der Familie auf dem Spiel stehen. 

„Viele der Zusatzverträge sind nicht voll ausfinanziert und keine echten Alternativen zu einer reinen Invaliditätsabsicherung“, sagt Valuniq-BU-Experte Lehmann. Laut Lehmann handelt es sich hierbei oft kleine Bausteine, die mitvermittelt wurden. „Wir sehen zu geringe BU-Summe in vielen noch langlaufenden Bestandsverträgen“ führt der AKS-Experte weiter aus. Die Kunden seien leider oft von der Ausschließlichkeit beraten worden. Diese Verträge gelte es zu optimieren. 

In der Corona-Pandemie registrierten die BU-Versicherer eine steigende Bereitschaft, sich gegen die Folgen einer Berufsunfähigkeit abzusichern. Mit dem Ukraine-Krieg wurden die Karten hier jedoch wieder neu gemischt. Doch hemmen die Unsicherheiten, hohen Energiepreise und Inflationsraten die Bereitschaft, die Arbeitskraft finanziell abzusichern? 

Nein, sagen die Teilnehmer des Cash. Extra Roundtable unisono. „In der Pandemie hat das Bewusstsein für das Thema Gesundheit und Vorsorge zugenommen. Und wir spüren trotz der Unsicherheiten, dass das Bewusstsein für das Thema weiter anhält“, erklärt Carina Gervens, Leiterin Produktmanagement Biometrie beim Volkswohl Bund. Zwar gebe es Menschen aus bestimmten Berufsgruppen und Branchen, die derzeit durch die steigenden Energiekosten und die Inflationsraten stärker betroffen seien und dadurch mehr auf ihre Ausgaben achten müssen. Gleichwohl würden die Bestandskunden die durch die Inflation bedingten Prämienanpassungen im Rahmen der Dynamik in Anspruch nehmen. 

Das Thema Gesundheit spielt nach wie vor also eine wichtige Rolle in der Beratung und treibt auch den BU-Absatz. „Ich glaube, dass die Arbeitskraftabsicherung insgesamt ein wichtiger Baustein ist und in den nächsten Jahren ein Trend werden könnte“, zeigt sich denn auch Swiss Life Vertriebsdirektor Freiherr von Rotberg überzeugt. 

Zu dem gesamten EXTRA Arbeitskraftabsicherung, von dem dieser Artikel ein Teil ist, geht es hier.

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