Gold notiert aktuell nahe seines Allzeithochs bei 3.500 US-Dollar pro Unze – eine Verdopplung in nur drei Jahren. Silber hat im selben Zeitraum ebenfalls um 100 Prozent zugelegt, dabei den hartnäckigen Widerstand bei 35 US-Dollar überwunden und strebt nun in Richtung 40 US-Dollar.
Doch was wie ein späteuphorischer Aufschwung wirkt, basiert nicht auf Spekulation, sondern auf stabilen Fundamentaldaten – und es könnte erst der Anfang sein.
Gold und Silber mit Rückenwind
Gold profitiert nicht nur vom klassischen Inflationsschutznarrativ. Vielmehr ist es der Dreiklang aus Inflationssorgen, geopolitischer Unsicherheit und wachsendem Vertrauensverlust in Papiergeldsysteme, der sowohl Notenbanken als auch Privatanleger zur Rückkehr in das Edelmetall motiviert. Laut World Gold Council waren die Zentralbanken 2023 und 2024 erneut die größten Nettokäufer seit Jahrzehnten. Parallel dazu kehren auch Privatanleger über ETFs und Barren in den Markt zurück – besonders in Asien, aber zunehmend auch in Europa.
Silber ist ebenfalls gefragt, allerdings aus einer breiteren Motivation heraus. Es gilt nicht nur als monetäres Metall und „Gold des kleinen Mannes“, sondern auch als industrieller Alleskönner: In Photovoltaikanlagen, Elektroautos, Medizintechnikprodukten und Halbleitern ist Silber aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften unverzichtbar. Die Folge: Seit vier Jahren verzeichnet der globale Silbermarkt ein strukturelles Produktionsdefizit – Tendenz steigend. Die Investmentnachfrage trifft also auf reale Knappheit.
Minenaktien: gut gelaufen, aber immer noch günstig
Dass Gold- und Silberminenunternehmen stark gestiegen sind – im Schnitt etwa eine Kursverdopplung in zwei Jahren –, ist angesichts der zugrunde liegenden Rohstoffrallye wenig überraschend. Überraschend ist allerdings, wie günstig diese Unternehmen trotz der Kursanstiege noch immer bewertet sind.
Ein Blick auf die Fundamentaldaten offenbart Erstaunliches:
- Die operativen Gewinnmargen liegen bei rund 30 Prozent – auf Augenhöhe mit den profitabelsten Technologieunternehmen.
- Das durchschnittliche EV/EBITDA-Multiple beträgt gerade einmal 5,6x, verglichen mit 17,8x für Technologie, 13,2x für Industrie und 12,4x für den Gesundheitssektor.
- Selbst im Verhältnis zu den eigenen Produkten – Gold und Silber – sind die Minenunternehmen historisch betrachtet extrem günstig. Das Verhältnis zwischen Minenwert und Goldpreis liegt nahe einem 20-Jahres-Tief.
Schuldenabbau, Dividenden, Rückkäufe – das neue Minen-Gesicht
Die hohen Cashflows der letzten Jahre haben den Unternehmen in der Branche eine finanzielle Generalüberholung ermöglicht. Viele der führenden Minengesellschaften sind mittlerweile netto schuldenfrei. Großkonzerne wie Agnico Eagle weisen bei einem Goldpreis von über 3.300 US-Dollar absolute Gewinne je Unze von mehr als 2.000 US-Dollar aus – 2.000 US-Dollar je Unze war bis vor 18 Monaten noch der scheinbar unüberbrückbare Widerstand des Goldpreises.
Der neu gewonnene finanzielle Spielraum wird genutzt: Rückführung von Schulden (Verschuldungsgrad unter 25 Prozent), Einführung oder Ausbau von Dividendenprogrammen, massive Aktienrückkäufe und wieder zunehmende M&A-Aktivität. Denn warum teure Explorationsprojekte starten, wenn man unterbewertete Wettbewerber direkt übernehmen kann?
Noch klein – aber zunehmend im Fokus
Trotz allem beläuft sich die gesamte Marktkapitalisierung von Gold- (620 Mrd. US-Dollar) und Silberminenunternehmen (140 Mrd. US-Dollar) weltweit aktuell in Summe auf weniger als 800 Mrd. US-Dollar – also weniger als der Börsenwert von Tesla. Sobald sich institutionelle Investoren und Fondsmanager dieser Diskrepanz bewusst werden, dürfte verstärkter Kapitalzufluss in die Branche erfolgen. Und dieser kleine Markt hat historisch schon immer sensibel und überproportional auf neue Nachfrage reagiert.
Fazit: Bewertungs-Gap mit Sprengkraft
Wenn ein Sektor
- operative Gewinnmargen wie Techunternehmen liefert,
- eine Bewertung wie Value-Aktien aufweist,
- hohe Cashflows, niedrige Verschuldung, steigende Dividenden und Rückkäufe bietet
- und auf Jahrzehnttiefs im Verhältnis zum eigenen Produktpreis notiert,
dann ist die Frage nicht, ob er bereits zu teuer, sondern warum er noch so günstig ist. Als Depot-Beimischung können Anleger mit Investmentfonds auf weiter steigende Kurse setzen.
Dass Edelmetallminen nach Jahren der Missachtung plötzlich wieder auf dem Radar institutioneller Anleger und Fondsmanager erscheinen, ist kein Zufall. Sobald der Bewertungsunterschied zu anderen Sektoren kleiner wird, könnte der Kursverdoppler der letzten Jahre nur ein Vorgeschmack gewesen sein.
Niemand kann dann sagen, man habe es nicht ahnen können.
Tim Bröning ist Mitglied des Beirats bei Fonds Finanz.