Payam Rezvanian, Finanzchef24, über Cyberschäden: „Dann wird es teuer“

Payam Rezvanian
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Payam Rezvanian

Cash.-Interview mit Payam Rezvanian, Co-Geschäftsführer von Finanzchef24, über die Nachfrage nach Cyberversicherungen, den Megatrend Nachhaltigkeit und das Hinweisgeberschutzgesetz.

Herr Rezvanian, wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsjahr 2023?

Rezvanian: Das Geschäftsjahr 2023 war herausfordernd, aber gut für uns. 2023 hat klar gezeigt, wie gut ein robustes Geschäftsmodell ist, wenn man die Errungenschaften der Digitalisierung mit den Möglichkeiten der persönlichen Beratung kombiniert. Weder das eine noch das andere allein für sich sind die Allheilsbringer, sondern die sinnvolle Symbiose aus beidem. Wir sind nicht der klassische Industriemakler, sondern verstehen uns als Partner des mittelständischen und kleinen Unternehmers. Unsere Kunden sind die kleinen und mittelständischen Solo-Entrepreneure, die oftmals nicht wissen, wie sie zu einer adäquaten Absicherung kommen. Es gibt etwa 3,2 Millionen kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland. Insofern ist es ein Massengeschäft, auf das wir uns konzentrieren. Aktuell haben wir jährlich rund 8.000 bis 10.000 Neukunden. Die Herausforderung ist neben dem Gewinn, diese Kunden auch zu halten. Die Digitalisierung hilft ungemein, kann jedoch allein das nicht so bewerkstelligen. Wir nutzen die digitalen Strecken durchgehend, sofern es möglich ist. Dort, wo die persönliche Beratung eine Rolle spielt, etwa im Bereich D&O oder Cyber, unterstützen wir dann mit persönlicher Beratung. Nicht alle Risiken lassen sich digital exakt abbilden. Da sind die Berater gefordert.

Wie viele Berater haben Sie bei Finanzchef24?

Rezvanian: In unserem Kernteam haben wir in der Kundenberatung und -betreuung inklusive des Kundenservices 25 Personen, die aktiv mit den Kunden arbeiten.

Sie sprachen gerade das Thema D&O und Cyber an. Wie hat sich bei diesen beiden Segmenten die Nachfrage entwickelt. Gibt es hier eine Sensibilität oder eher nicht?

Rezvanian: Es ist ein Awareness-Thema. Gerade bei der D&O ist das maximal interessant. Wenn es wirtschaftlich schwieriger wird, denkt der ein oder andere Manager wie Geschäftsführer/Vorstand doch darüber nach, welche Risiken auf ihn zukommen. Wir sehen, wenn das wirtschaftliche Umfeld ruppiger wird, ist die Nachfrage nach D&O deutlich höher als nach Cyber. Bei Cyber ist die Awareness leider noch nicht so vorhanden, wie es eigentlich sein müsste. Wir alle sind digital unterwegs und viele Kleinunternehmer haben ihr Büro quasi auf dem Smartphone; und in dem Moment, wo ich die falsche App für das Kundenmanagement verwende, ich meine Kundendaten auf dem Gerät habe und eine falsche App nutze, oder das Handy verliere habe ich ein DSGVO- und Sicherheitsproblem. Viele denken, wer soll mich angreifen? Wer soll mich schädigen? Oftmals fehlt das Bewusstsein über die potenziellen Gefahren. Es wird in den seltensten Fällen auch darüber gesprochen. Es kommt niemand bei einem Neugründer vorbei und fragt, ob er an die genannten Szenarien oder beispielsweise Auswirkungen von Gesetzesänderungen gedacht hat. Dieses Nichtwissen um die Risiken, die die Digitalisierung mit sich bringt, ist schon problematisch. Und mit dem verstärkten Einsatz von AI haben wir nochmals ein deutlich höheres Risiko. Zum einen haben wir also die kriminelle Energie. Das andere ist die Technologie, die das immer leichter möglich macht.

Die Gefahr ist den Unternehmen, den Inhaberinnen und Inhabern nicht bewusst, wie ich Ihren Aussagen entnehme.

Rezvanian: In der Tat sehen viele die Risiken nicht. Zumindest der Umfang und die Auswirkungen im Falle eines Schadens sind ihnen nicht bewusst. Wie oft passiert ein Cyberschaden? In der Regel eigentlich nur einmal. Entweder habe ich eine Absicherung und die regelt das in dem Fall. Oder ich habe sie nicht und dann muss ich selbst dafür einstehen. Und das bedeutet, dass ich einen schwerwiegenden Schaden habe, gerade wenn es um personenbezogene Daten geht oder um Daten, die nicht verschlüsselt und damit öffentlich zugänglich sind. Und dann wird es teuer. In aller Regel lernt man aus einem Cyberschaden fürs Leben.


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Nachhaltigkeit wird zum Megatrend. Doch ist es auch für die KMU ein Thema und schlägt sich das auch in den Produkten nieder? Was sehen Sie?

Rezvanian: Aktiv werden wir nicht nach nachhaltigen Produkten gefragt. Wir selbst bieten dennoch nachhaltige Produkte an. Wir prüfen allerdings nicht die einzelnen Tarife oder Produkte der Versicherer, ob sie den entsprechenden Nachhaltigkeitskriterien genügen.

Was ist denn ihr Eindruck auf der Versicherungsseite. Sind die Unternehmen hier rührig oder eher nicht?

Rezvanian: Wenn man es separiert und auf einzelne Segmente herunterbricht, merkt man schon eine gewisse Sensibilität für das Thema. Wenn ich mir das persönlich wünschen dürfte, dürfte es deutlich höher ausfallen. Gleichwohl ist mir bewusst, dass der Aufwand hoch ist. Gerade vor dem Hintergrund der ESG-Richtlinien, die jetzt zeitnah zur Wirkung kommen und auch kleinere Unternehmen betreffen, empfehle ich, sich des Themas intensiver anzunehmen. Dass da eine ähnliche Sensibilität herrscht, wie bei anderen Trendthemen, kann ich aber so nicht verzeichnen. Hier und da sind die Versicherer schon bei der Thematik präsent, allerdings nicht so, dass man sagen könnte, das ist im Sinne des Wortes nachhaltig.

Seit Juli 2023 ist das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft. Durch das Hinweisgeberschutzgesetz werden Hinweisgeber innerhalb der Unternehmen juristisch geschützt und einheitliche Standards zur Meldung von Missständen und zum Schutz der Meldenden vorgeschrieben. Ist das, was damit verbunden ist, den Firmen bewusst?

Rezvanian: Wir sehen bei unseren Anfragen, dass das Bewusstsein nicht breit präsent ist. Das ist das, was ich zuvor schon sagte: Es kommt keiner vorbei, klopft an der Tür und weist den Inhaber und Geschäftsführer auf das Gesetz und die daraus folgenden Verpflichtungen für Firmen hin. Man muss aber schon hinschauen und fragen, ob es für den KMU-Bereich interessant ist. Und schaut man auf die 3,2 Millionen KMU in Deutschland, stellt man relativ schnell fest, dass zwar ein beachtlicher Anteil betroffen ist, aber eben nicht alle. Ein solo-selbstständiger Online-Händler mit zwei Millionen Euro Umsatz fällt hier beispielsweise heraus. Da ist eher das ESG evident, als das Hinweisgeberschutzgesetz. Das Wissen um gewisse Themen ist bei den KMUs, wie gesagt, ausbaufähig. Wobei wir schon feststellen, dass allgemein kleinere Unternehmen einen höheren Nachholbedarf haben als die größeren.

Sie sagten gerade so schön, es klopft niemand an. Ist es der Vertrieb, der hier nicht aktiv wird. Denn es stellt sich ja doch die Frage, wie die Unternehmen an die notwendige Absicherung kommen?

Rezvanian: Das Wissen um die Risiken unterliegen grundsätzlich dem Entrepreneur. Der Unternehmer oder Firmengründer ist also in der Pflicht. Wir haben den Anspruch, hier zu unterstützen und hinzuweisen. Ich würde die Verantwortung aber nicht allein beim Versicherungsmakler sehen. Er muss um die Sorgen, Ängste, Nöte und Themen Bescheid wissen und sie einordnen können. Denn solange ich das nicht einordnen und damit auch nicht das Risiko benennen kann, bin ich eigentlich nicht mehr stark in der Vermittlung, sondern einzig stark im Verkauf. Eine saubere Bedarfsanalyse und Risikoerfassung ist wichtig. Wir weisen selbstverständlich darauf hin, wenn wir im Gespräch mit den Unternehmerinnen und Unternehmern sind. Wir sind aber nicht diejenigen, die nach draußen gehen und anklopfen, um krampfhaft den nächsten Sale zu holen. Ich sehe die Aufgabe im KMU-Markt nicht bei den Brokern. Wie das bei den Dax-Konzernen aussieht, vermag ich nicht zu sagen. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Erwartungshaltung eines Dax-Vorstands an seine externen Berater da eine andere ist.

Die Inflationsraten in 2023 waren mit 5,7 Prozent doch sehr hoch und die Schadeninflation hat sich auf die Kalkulation und damit treibend bei den Versicherungsprämien ausgewirkt. Hat das Auswirkungen auf die Absicherungsbereitschaft der Unternehmer?

Rezvanian: Auswirkungen auf die Absicherungsbereitschaft der KMU können wir aktuell so nicht bestätigen. Wir sehen regelmäßig in den Markt hinein und haben über 1.500 Berufe, die wir absichern. Gleichzeitig haben wir Versicherer, die ihr Pricing in Echtzeit anpassen. Wir sehen aber nicht, dass die durch die höheren Interest-Rates angepassten Tarife bei den Unternehmen zu einer Zurückhaltung in der Nachfrage führen. 

2023 war ein Krisenjahr. Welche Erwartungen haben Sie für das Jahr 2024?

Rezvanian: Ich würde gerne das Wort Krise um das Wort Multikrise erweitern. Die Einschläge kommen zeitlich viel, viel enger getaktet. Deswegen würde ich allenfalls einen Ausblick für die kommenden Monate wagen. Vor dem Hintergrund von 2023 müssen wir auch 2024 mit dem „Ungeplanten“ planen. Wir wollen weiter nach den besten Lösungen suchen und müssen die Digitalisierung weitertreiben sowie die neuen Möglichkeiten, zu denen auch die AI gehören, nutzen. Damit meine ich eine zunehmende Automatisierung von Prozessen, um einen Mehrwert zu schaffen. Was uns als Unternehmen betrifft, werden wir versuchen, uns weiter als Nummer 1 im Markt zu positionieren.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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