Multi Asset: „Gesündester Hype, den wir je hatten“

Wie wichtig ist das Thema Risikomanagement bei Multi-Asset-Fonds?

Holzer: Die Etablierung eines guten Risikomanagements für die vielen möglichen Bandbreiten ist schon sehr wichtig. Selbst früher, als es nur zwei Anlageklassen gab, war es sinnvoll, auch wenn der Risikograd nur über die Aktienquote bestimmt wurde. Heute ist es essenziell, gerade weil die Portfolios noch stärker mehrdimensional geworden sind. Man muss sich schon genau überlegen: Welche Anlagequellen oder welche Performancequellen möchte ich denn insgesamt nutzen? Und welche Auswirkung hat diese oder jene Entscheidung auf mein Portfoliorisiko?

Schröder: Eigentlich müssen wir schon aus den wenig beständigen Marktentwicklungen heraus die Bandbreite der allokierbaren Assetklassen viel umfangreicher betrachten. Und damit kommen wir automatisch in genau diese ja auch befürchteten Freiheitsgrade und daraus resultierenden Chancen, aber auch Risiken, die man einfach eingehen muss, weil man mit dieser engen Betrachtung Aktien und Renten gar nicht mehr auskommt.

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Claus: Ein Risikomanagement, das quantitative und qualitative Elemente umfasst und das laufend die Positionierung und die Korrelation der einzelnen Portfoliopositionen überwacht, ist sehr wichtig. Fonds, die mit Risiken vollgeladen sind, hatten in den letzten Jahren oft die beste Performance. Dazu kommt, dass die historischen Volatilitäten dieser Produkte die ihnen innewohnenden Risiken nur unzureichend widergespiegelt haben. Aber wenn der Markt kippt, dann sind das auch diejenigen Fonds, die am meisten verlieren werden. In einer Korrektur zeigt sich das tatsächliche Risiko in den einzelnen Portfolios, das man derzeit auf den ersten Blick nicht wahrnimmt. Auch auf der Anlegerseite wurde das Risiko in den letzten Jahren einfach ausgeblendet. Ich halte es für sehr gefährlich, dass Fonds in der Praxis oft tatsächlich nur nach ihrer Vergangenheitsperformance ausgewählt werden.

Müller: Wir haben ja vorhin über Erwartungen gesprochen und für mich ist Multi Asset nicht gleich Absolute Return. Beispiel: 2008 hat die beste Diversifikation der Welt nicht vor Kursverlusten geschützt, außer man hatte Staatsanleihen, Cash oder Gold. Ansonsten waren alle Assetklassen im Minus. Das galt selbst im Rentensegment für Inflationsanleihen, bei dem sich niemand vorstellen konnte, dass man so viel verlieren kann. Deshalb kommt auch Multi Asset an gewisse Grenzen, wenn im Markt eben diese Diversifikationselemente nicht mehr funktionieren. Dann ist es umso wichtiger, eben auch das Thema Risikomanagement nicht nur in der Retrospektive, sondern auch für die Zukunft auszurichten und zu kalibrieren. Und selbst dann ist nicht auszuschließen, dass auch Multi Asset in einem Kalendarjahr eine temporäre negative Wertentwicklung ausweist. Das sollte vorher mit dem Kunden besprochen sein, damit in solchen Phasen nicht zum ungünstigsten Zeitpunkt wieder verkauft wird.

Lehmann: Und dennoch bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass wenn die Börsen fallen, viele Anleger wieder die Nerven verlieren werden. Das erleben wir auch bei unseren Produkten. Ein oder zwei negative Monate und wir bekommen besorgte Anrufe. Wir sehen das auch in den Mittelzuflüssen in allen unseren Multi-Asset-Fonds, denn die Performancekurve und die Mittelzuflusskurve sind ungefähr zwei Monate zeitversetzt. Ich gebe nicht auf, den Anlegern diese Themen zu vermitteln. Dennoch müssen wir uns dagegen wappnen, dass trotz aller guten Argumente, trotz aller Roadshows, Events, Schulungsmaßnahmen, die wir machen, viele Anleger wieder die Nerven verlieren werden.

Das Gespräch führte Cash.-Chefredakteur Frank O. Milewski.

Fotos: Andreas Varnhorn

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