Schwenkt das Pendel um?

Die letzten Handelstage stellen durchaus einen Lichtblick in einer Phase langanhaltender Börsenturbulenzen dar. Mittlerweile halten die weltweite Aktienbaisse und starke Indexrückgänge, die in Deutschland teilweise über 30 Prozent betrugen, seit fast einem Jahr an. Gastkommentar von Dr. Jens Ehrhardt, DJE Kapital AG

Konjunktur: Ehrhardt
Dr. Jens Ehrhardt, DJE.

Sind die letzten Handelstage nun die so erhoffte Trendwende oder lediglich eine kurzzeitige Erholung auf einem Weg nach weiter unten? Trotz des anhaltenden Pessimismus vieler Stimmungsindikatoren an den weltweiten Börsen, lässt die jüngste Erholung an den Aktienmärkten auf eine Trendwende hoffen. Allerdings hat die EZB mit ihrer jüngsten Leitzinssenkung für eine hohe Schwankungsbreite an den Börsen gesorgt.

Vorsichtige Signale für eine Trendumkehr am Aktienmarkt

Erstens, und dies gilt unverändert, dürfte sich die kaum noch vorhandene Verzinsung oder der in vielen Bereichen des Anleihenuniversums herrschende Negativzinsen auf lange Sicht kaum ändern. Diese Negativzinsen sind mittlerweile in Ländern zu finden, die ein Viertel des Welt-Bruttosozialprodukts ausmachen. In absoluten Zahlen sind das ca. sieben Billionen US-Dollar. Zweitens ist derzeit ein technischer Effekt auszumachen. Das weltweite Volumen an ausgegeben Anleihen ist mit rund 200 Billionen Dollar mehr als dreimal so groß wie an Aktien. Das Verhältnis verschiebt sich weiter zugunsten von Anleihen. Folglich sollten durch ein geringeres Angebot an Aktien die Kurse an den Börsen steigen. Wir erwarten für die kommenden Monate steigende Unterstützung für die Aktienkurse und ein Auslaufen des seit Jahresanfang anhaltenden Negativtrends.

USA: Fed wird Leitzinsen wohl nicht erhöhen

Taktgeber der Weltbörsen in nächster Zeit dürften die USA sein. Hier ist eine zu starke Konjunkturbelebung, die zu einer baldigen Zinserhöhung führt, kaum in Sicht. Die revidierte Steigerung der Wachstumsrate der US-Wirtschaft im 4. Quartal 2015 von 0,7 Prozent auf eine Jahresrate von 1,0 Prozent ist kein Hinweis auf eine Wachstumsbeschleunigung. In diesem Lichte ist eine Rückkehr zu „normaleren“ Zinsen eine Phantom-Diskussion. Zumal die US-Wirtschaft mit dem größten Staatsdefizit aller Zeiten (seit 2009 ca. 8,5 Billionen US-Dollar) sowie mit rund 4 Billionen Dollar neu gedrucktem Geld durch das sogenannte Quantitative Easing angekurbelt wurde und lediglich die schwächste Konjunkturerholung der Nachkriegszeit heraus kam. Eine weitere Erhöhung der Zinsen würde eine neue Rezession auslösen. Deshalb sollte auch die US-Notenbank an der Niedrigzins-Politik festhalten. Der oft befürchtete Gegenwind für die Börsen weltweit dürfte deshalb vorerst ausbleiben.

Europäische Aktien haben Potential

Nachdem die EZB am 10. März 2016 den Leitzins erstmals auf null Prozent senkte, könnten die Börsen einen weiteren Schub erhalten. Klassische Sparmodelle werden damit noch unattraktiver und Aktien mit hohen Dividendenrenditen  umso interessanter.  Zudem bieten die günstigen Kredite eine Chance für Unternehmen. Negativ-Zinsen einerseits und Dividendenrenditen von bis zu 5 Prozent bei soliden deutschen Standardwerten – wo Kürzungen der Dividenden unrealistisch erscheinen – andererseits, passen nicht zusammen. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn weltweit ein Konjunkturabsturz droht. Eine Rezession ist aus heutiger Sicht aber nicht zu erkennen – wenngleich dies immer als ein möglicher Grund für die steile Börsentalfahrt zu Jahresbeginn genannt wurde.

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Die Entwicklung der Realwirtschaft bietet keinen Grund zur Sorge. Und eben jene Dividendentitel zeigten über die letzten Jahre einen stetigen Aufwärtstrend – allerdings haben deutsche Anleger davon nicht profitiert. Im Gegenteil. Der Anteil der Deutschen am Aktienbesitz ist extrem gesunken, beim MDax soll es nur noch 17 Prozent deutsche Aktionäre geben. Nutznießer waren hauptsächlich Investoren aus angelsächsischsen Ländern und zunehmend aus China. Da sich nach den teils massiven schwer begründbaren Kursrückschlägen vieler solider Werte Chancen ergeben haben, sollten die deutschen Anleger die derzeitige Konsolidierungsphase zu Käufen nutzen. 

Dr. Jens Ehrhardt ist Vorstandsvorsitzender DJE Kapital AG, Pullach

Foto: Cash.

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