Wo es sich lohnt, im Aktionärsregister als entfernter Verwandter geführt zu werden

Daten zeigen, dass die Umsätze von Familienunternehmen schneller gewachsen und ihre Gewinne höher ausgefallen sind. Welche Gründe lassen sich hierfür benennen und welchen Risiken gilt es im Hinblick auf Familienunternehmen dennoch vorzubeugen? Ein Kommentar von Angus Tester, Investment Manager European Equities bei Aberdeen Standard Investments.

Angus Tester, Investment Manager European Equities bei Aberdeen Standard Investments.

Auf den ersten Blick scheinen L’Oreal, Atlas Copco und Heineken wenig gemeinsam zu haben. Gleichwohl sind sie drei von vielen tausend Aktiengesellschaften, deren Gründerfamilie ihr größter Aktionär ist. Als Aktienanleger erhält man die Möglichkeit, Teil dieser Familien zu werden.

Umsätze und Gewinne von Familienunternehmen wachsen stetig

Bevor das geistige Auge das Bild von Geschwistern heraufbeschwört, die sich über einen Konferenztisch hinweg streiten, werfen wir lieber einen Blick auf Daten der Credit Suisse. Aus ihnen geht nämlich hervor, dass Familienunternehmen den breiteren Aktienmarkt seit 2006 um 3% pro Jahr übertroffen haben.

Definiert werden sie als Firmen, an denen die Gründerfamilie mindestens 20% der Aktien oder Stimmrechte hält. Ferner zeigen die Daten, dass die Umsätze dieser Unternehmen schneller gewachsen und ihre Gewinne höher ausgefallen sind, während ihre Verschuldung verglichen mit dem Gesamtmarkt geringer war.

Was kann der Grund dafür sein?

Ein auf der Hand liegender Vorteil ist die Fähigkeit und Bereitschaft gut geführter Familienunternehmen, langfristig zu denken und zu handeln. Damit erweisen sie sich häufig als besonders attraktive Anlagechance in Zeiten von Marktstress, wenn sich die Konjunktur abkühlt, die Nachfrage sinkt und die Vermögenspreise im Keller sind.

Ein in Generationen statt in Quartalen gemessener Zeithorizont und die mit nachhaltig starken Bilanzen einhergehende finanzielle Flexibilität sorgen für die nötigen Mittel, um Warren Buffetts berühmtem Ratschlag folgen zu können:

„Sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“ Ein Paradebeispiel liefert die Übernahme der Edwards Group durch Atlas Copco im Jahr 2013. Edwards stellt Vakuumpumpen hauptsächlich für die Halbleiterindustrie her, die sich 2013 mit einem massiven Abschwung konfrontiert sah.

In einer schwierigen Phase für die Branche konnte Atlas Copco das Unternehmen zu einem Schnäppchenpreis übernehmen. Parallel zum starken Wachstum der Halbleiterindustrie hat sich auch die Nachfrage nach den Produkten von Edwards seither kräftig erholt und den Aktionären von Atlas Copco einen beachtlichen Wertzuwachs beschert.

Prinzipal-Agent-Dilemma findet weniger statt

Ein weiterer Vorteil eines gut geführten Familienunternehmens: Bei ihnen ist das „Prinzipal-Agent-Dilemma“ weniger stark ausgeprägt. Es ergibt sich aus dem Konflikt zwischen einem Prinzipal (bei einer Aktiengesellschaft die Aktionäre) und einem Agenten (das Management), wobei Ersterer nicht über die gesamten Informationen darüber verfügt, wie sich der Agent verhalten wird.

Zudem sind die Interessen von Agent und Prinzipal möglicherweise nicht deckungsgleich. In nicht familiengeführten Unternehmen werden deshalb mitunter komplizierte und komplexe Vergütungssysteme entwickelt, um die Interessen von Aktionären und Managern in Einklang zu bringen. Einige, aber bei Weitem nicht alle, sind erfolgreich bei der Auswahl von Entscheidern, die wie Eigentümer denken und langfristig die Wertschöpfung maximieren.

Es versteht sich von selbst, dass bei einem Familienunternehmen die Gefahr geringer ist, dass das Management nicht wie ein Eigentümer denkt. Nehmen wir als Beispiel L’Oréal, bei dem die Gründerfamilie Bettencourt drei Sitze im Vorstand innehat. Diese garantieren einen stetigen Informationsfluss zwischen Firmenleitung und Aktionären und stellen sicher, dass die Interessen beider übereinstimmen.

Nicht in allen Familien geht es einvernehmlich zu

Deshalb ist es wichtig, die Beweggründe der potenziellen Verwandten zu kennen. Am Beispiel der internationalen Supermarktkette Casino wird deutlich, was schief gehen kann, wenn Minderheitsaktionäre und die Eigentümerfamilie unterschiedliche Interessen verfolgen. Die 51%-Beteiligung der Naouri-Familie an Casino hält Erstere über Aktien der hoch verschuldeten Holdinggesellschaft Rallye.

Diese wiederum ist auf die Dividende von Casino angewiesen, um ihre Kredite bedienen zu können. 2015 nahm Casino Schulden auf, um eine Dividende ausschütten zu können. Statt die Dividende zu kürzen und Rallye in den Konkurs zu treiben, verscherbelte Casino sein Tafelsilber aus Vietnam und Thailand, den zum damaligen Zeitpunkt wachstumsstärksten und rentabelsten Ländern im Portfolio von Casino.

Rallye verschaffte das zwar eine gewisse Verschnaufpause, beeinträchtigte aber das Potenzial und den Wert von Casino nachhaltig. Im vergangenen Monat hat Casino schließlich doch noch die Dividende gekürzt, so dass Rallye Insolvenzschutz beantragen musste. Dem waren jedoch erhebliche Verluste für die Aktionäre vorausgegangen.

Aktivität minimiert Risiken

Darüber hinaus gibt es natürlich noch weitere Risiken, denen Minderheitsaktionäre bei Familienunternehmen ausgesetzt sind. So dachte der Fiat-Gründer Giovanni Agnelli, die ideale Vorstandsgröße sei eine ungerade Zahl. Aber drei waren offensichtlich zu viel.

Anleger können jedoch Unternehmen auftun, bei denen die strukturellen Vorteile des langfristigen Denkens solche Risiken überwiegen. Hierzu bedarf es regelmäßiger Treffen und eines aktiven Dialogs mit der Familie hinter dem Unternehmen, um deren Absichten zu verstehen und ihre Kapitalallokation und ihr Verhalten gegenüber anderen Aktionären unter die Lupe nehmen zu können.

Bei solchen Firmen kann es sich lohnen, im Aktionärsregister als entfernter Verwandter geführt zu werden.

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