Folgen der Inflation: Käuferstreik bei Lebensversicherungen, höhere Zahlungsbereitschaft bei Sachversicherungen

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Die Inflation in Deutschland hat deutliche Auswirkungen für Versicherer und ihre Kunden. Wie Simon-Kucher & Partners jetzt bei einer repräsentativen Umfrage ermittelt hat, kommt es bei Lebensversicherungen zu einem regelrechten Käuferstreik. Umgekehrt ist die Situation hingegen bei Sachversicherungen.

Die Inflation in Deutschland hat deutliche Auswirkungen für Versicherer und ihre Kunden – allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen in den beiden Bereichen Lebensversicherungen und Sachversicherungen. Wie Simon-Kucher & Partners jetzt bei einer repräsentativen Umfrage ermittelt hat, kommt es bei Lebensversicherungen zu einem regelrechten Käuferstreik.

74,3 Prozent der Befragten gaben an, dass aufgrund der Inflation der Abschluss einer Lebensversicherung nun für sie unwahrscheinlicher geworden ist. Umgekehrte Situation bei Sachversicherung: 51,9 Prozent der Bestandskunden und 55,4 Prozent der potenziellen Neukunden sind bereit, einen höheren Beitrag zu bezahlen – und zwar bei gleichen Leistungen.

Der Markt für Lebensversicherungen wird nochmal deutlich enger

„Die Ergebnisse der Inflationsstudie zeigen, dass sich der Kompass der Kunden durch die Inflation stark verschoben hat. 55,7 Prozent der Befragten wollen eher bei der langfristigen Vorsorge und Absicherung sparen als beim Konsum und bei kurzfristigen Ausgaben. Das ist zwar einerseits verständlich, andererseits ist die Entwicklung aufgrund der meist immer noch großen Lücke bei der privaten Altersvorsorge dramatisch“, sagt Dr. Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner und Leiter der globalen Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher.

Mehr als drei Viertel der Befragten haben in der Umfrage angegeben, dass sie sich im Zuge der Inflation nun weniger mit Lebensversicherungen befassen als vor der der Teuerungswelle.

Das Wachstumsproblem für Lebensversicherer wird größer

„Dadurch entsteht ein echtes Wachstumsproblem für Lebensversicherer“, so Schmidt-Gallas. Aus seiner Sicht kommt es für die Versicherer jetzt darauf an, genau die Gründe zu adressieren, die Kunden auch in der aktuellen Situation noch dazu bewegen, sich mit dem Thema Lebensversicherung zu beschäftigen.

Und das sind im Wesentlichen drei Gründe: 31,8 Prozent der Befragten sagten bei der Umfrage Simon-Kucher, dass sie trotz Inflation eine Lebensversicherung in Erwägung ziehen, wenn sich ihre Lebensumstände ändern. Das können zum Beispiel eine Hochzeit, die Geburt eines Kindes, der Kauf eines Hauses oder ein Jobwechsel sein.

Bei 20 Prozent der Befragten ist dafür die erhöhte Sorge vor Armut der Familie ausschlaggebend und für 19,1 Prozent der Verlust des eigenen Vermögens. Ist das Interesse geweckt, dann wird eine Lebensversicherung trotz Inflation vor allem abgeschlossen, wenn die folgenden Faktoren passen: bei einem attraktiven Preis (32,2 Prozent der Befragten), sehr guten langfristigen Konditionen (23,8 Prozent der Befragten) und einem individuellen, auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittenen Angebot (17,8 Prozent der Befragten).

„Eines steht aber in jedem Fall fest“, betont Schmidt-Gallas. „Der Markt für Lebensversicherungen wird richtig eng. Nur durch eine sehr spitze Ansprache der Kunden und mit scharfen Produktprofilen haben Versicherer überhaupt noch eine Chance, die verbleibenden Potenziale zu heben.“

Erhöhte Wechselbereitschaft bei Sachversicherungen

Auch Sachversicherer stehen unter Druck, jetzt schnell die richtigen Ableitungen daraus zu ziehen, dass sich die Einstellung der Versicherungskunden geändert hat. Vor dem Hintergrund, dass die Kosten in vielen Facetten des Lebens steigen, ist zwar etwas mehr als die Hälfte der Befragten bereit, einen höheren Beitrag für die gleiche Leistung zu bezahlen. Gleichzeitig ist aber die Treue zum aktuellen Versicherer gesunken.

Bei der Umfrage von Simon-Kucher gaben 51,4 Prozent der Befragten an, dass die Wechselbereitschaft aufgrund der Inflation gestiegen sei. „Durch Zusatzleistungen können Versicherer allerdings die Möglichkeit nutzen, die Kündigungsbereitschaft zu senken“, erklärt Dr. Bastian Walter, Director in der globalen Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher. Denn 58,2 Prozent der Befragten sind bereit, einen höheren Beitrag zu bezahlen, wenn in der Police künftig zusätzliche Leistungen und Services enthalten sind. „Im Zuge dessen wird auch das Upselling für Versicherer wichtig“, ergänzt Walter.

Upselling wird wichtig

Wegen des gestiegenen Leistungsanspruchs seien zwei Drittel der Kunden nun bereit, sich mit höherwertigen Versicherungsprodukten zu beschäftigen. „Dabei sollten Versicherer das richtige Segment treffen. Sonst verpufft die Initiative“, so Walter. Hintergrund ist, dass sich bei affinen Segmenten neun von zehn Personen mit höherwertigen Produkten beschäftigen wollen – bei nicht affinen Segmenten sind es aber nur zwei von zehn.

„Wichtig ist es aber auf der anderen Seite auch, Produkte zu entgolden, damit die Versicherer in passenden Segmenten Kosten reduzieren können“, empfiehlt Walter. Denn für sechs von zehn Befragten gibt es Leistungen in den Produkten, die sie entweder nicht wertschätzen oder die sie nach ihrer Einschätzung gar nicht benötigen. 

„Die Inflation erhöht die Kosten für die Konsumenten und auch für die Versicherungsgesellschaften. Die Versicherer müssen jetzt reagieren, wenn sie ihr Geschäft stabil halten und im besten Fall sogar Potenzial nutzen wollen“, sagt Schmidt-Gallas.

Das kommt laut dem Experten zwar manchmal einer Gratwanderung gleich, weil falsche Maßnahmen sowohl das Bestandsgeschäft als auch die Neukundengewinnung gefährden könnten. „Nichts zu tun, ist allerdings keine Option“, so Schmidt-Gallas.

„Wenn Versicherer die aktuellen Sorgen der Kunden adressieren, ihr Produktportfolio im Hinblick auf Preis und Leistung schärfen und dabei im besten Fall auch noch einen Mehrwert für die Kunden generieren, haben sie gute Chancen, gestärkt aus der aktuell herausfordernden Situation hervorzugehen“, zeigt sich der Experte überzeugt.

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