Inkassogebühren: Verantwortung übernehmen, jetzt

Foto: Arvato Financial Solutions
Volker Bornhöft

Die Covid-19-Pandemie dauert an. Ihre Folgen für Wirtschaft und Verbraucher werden immer deutlicher sichtbar. Unternehmen im Forderungsmanagement und Inkasso erleben diese ungefiltert mit. Sie sollten daher jetzt Verantwortung übernehmen, indem sie die Gebühren senken – freiwillig. Ein Plädoyer von Volker Bornhöft, Arvato Financial Solutions

Die dritte Welle rollt. Corona hält Europa weiter im Würgegriff – und stellt uns als Gesellschaft vor gewaltige Herausforderungen. Das gilt für Politikerinnen und Wissenschaftler, für Ärztinnen und Krankenpfleger, weil sie die Hauptlast im Management der Pandemie selbst tragen. Es gilt aber auch für Wirtschaftsunternehmen und Verbraucher, deren Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr zur Normalität abermals enttäuscht wurden.

An den offiziellen Statistiken lässt sich die Dramatik der Entwicklung bisher nicht ablesen. Überschuldete Unternehmen sind noch bis zum 30. April unter bestimmten Bedingungen von der Pflicht befreit, einen Insolvenzantrag zu stellen. Am Arbeitsmarkt federt die weiter rege genutzte Möglichkeit zur Kurzarbeit viele Härten ab.

Und dennoch: Mit jeder Woche, die vergeht, bangen mehr Unternehmen, mehr Verbraucher, mehr Menschen um ihre Existenz. Und fragen sich: Wie kann es weitergehen? Unternehmen im Forderungsmanagement sind ständig mit dieser Frage konfrontiert. Und sie müssen Antworten darauf finden. Das ist unsere gesellschaftliche Kernfunktion – die finanzielle Freiheit von Unternehmen zu erhalten, indem wir Finanzmittel an sie zurückgeben, die ihnen zustehen; dabei aber auch die Konsumenten nicht alleine zu lassen. Sondern ihnen im Gegenteil im Inkassoverfahren und darüber hinaus einen Weg zurück in die finanzielle Freiheit aufzuzeigen.

Die Belastung als Chance begreifen

Das gilt heute mehr denn je. Und heißt konkret: Die Unternehmen der Branche sollten die beispiellose Belastung der Covid-19-Pandemie als Chance begreifen, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Und deshalb mutig mit einer eigenen großen Belastung umgehen, die vor der Tür steht: Zum 1. Oktober 2021 werden die Inkassogebühren durch das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht drastisch gesenkt. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) geht davon aus, dass durch die Regulierung im Mittel etwa 30 Prozent des Branchenumsatzes wegfallen – mit entsprechenden Folgen für die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen.

Trotzdem sollten Inkassounternehmen die Gebührensenkung nicht nur pünktlich einführen – sondern sogar vorziehen, auf den frühesten möglichen Zeitpunkt. Denn niedrigere Gebühren könnten Verbrauchern schon heute die Entlastung bescheren, die in einigen Monaten ohnehin kommt. Die sie aber genau jetzt dringender brauchen denn je.

Aus der Perspektive der Inkassobranche betrachtet stellt sich die Sache nämlich genau andersherum dar: Der neue regulatorische Rahmen ist lange bekannt. Die Branche hatte – anders als bei einer globalen Pandemie – Zeit, sich darauf einzustellen. Wer weitsichtig agiert, hat diese Chance genutzt und das eigene Geschäftsmodell an diese neue Ära angepasst.

Digitalisierung als Katalysator für Innovation

Eine konsequente(re) Digitalisierung wird oft als wichtiges Mittel im Kampf gegen Corona genannt. Auch diese Diskussion lässt sich auf unsere Branche übertragen: Zeitgemäße Inkassounternehmen sind heute Fintechs. Sie nutzen konsequent die Vorteile digitaler Plattformen. Diese ermöglichen Nutzern mehr Einfachheit und bieten durch innovative Features auch neue Wege in die finanzielle Freiheit, etwa durch eine digitale Selbstauskunft für Verbraucher oder die Möglichkeit, Rückstände über eine mobile App zu begleichen. Gleichzeitig ermöglichen sie auch den Plattformanbietern mehr Effizienz.

Und was für die Schnittstellen zu Firmenkunden und Konsumenten gilt, trifft auch für die Abläufe im Inneren zu: Die Digitalisierung bietet die Chance, den Inkassomarkt nachhaltig zu verändern, und zwar zum Besseren. Dazu braucht es den Willen, alles Bisherige in Frage zu stellen – etwa mithilfe agiler Arbeitsweisen. Interdisziplinäre Projektteams, die Prozess-Know-how, User Experience, IT-Architektur, Backend- und Frontend-Entwicklung sowie Data Science in sich vereinen, sind ein Schlüssel zu kontinuierlicher Innovation. Sie verbinden technologische Kompetenz und ein agiles Mindset und können beispielsweise eigenverantwortlich die Entwicklung neuer Features übernehmen. Das erhöht nicht nur das Entwicklungstempo und motiviert die Teams, sondern schafft ein Umfeld, in dem neue Funktionalitäten für Verbraucher und Unternehmen schnell an den Markt gehen können. Und jedes sinnvolle neue Feature eröffnet neue Spielräume.

Die lassen sich nutzen – auch, um in einer schwierigen Zeit Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Vielleicht kann das sogar der Beginn eines grundlegenden Umdenkens unserer Branche sein. Wir sollten Technologie nutzen, um Verbraucher noch stärker in den Mittelpunkt zu stellen als bisher. Und zwar aus unternehmerischer Verantwortung heraus: Je besser wir die Bedürfnisse unserer Nutzer verstehen und auf diese eingehen, desto besser können wir ihnen gerecht werden. Und desto größer werden auch die Erfolge sein, die wir für unsere Unternehmenskunden erzielen können. Daher: Lassen Sie uns die aktuellen Herausforderungen als Chancen begreifen – und aus althergebrachtem Inkasso digitales Fairkasso machen. Denn das ist langfristig das Beste für alle Beteiligten.

Volker Bornhöft ist Mitglied der Geschäftsführung bei Arvato Financial Solutions. Sein Fintech Paigo hat im März freiwillig die Gebühren im Forderungsmanagement gesenkt.

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