Amundi: „Man muss heute viel mehr Variablen im Blick haben“

Tugrul Kolad
Foto: Alexander von Spreti
Tugrul Kolad: „Anleger sollten die ESG-Thematik ernst nehmen, da dies für den Investmenterfolg entscheidend sein kann.“

Der Chef von Amundi Deutschland, Christian Pellis, wurde in diesem Jahr als Head of the Year ausgezeichnet. Cash. nutzte diese Gelegenheit, um einen Blick hinter das Unternehmen zu werfen. Vor Ort in München sprachen wir mit weiteren Führungskräften von Amundi Deutschland. Tugrul Kolad ist Head of Fixed Income Germany bei Amundi Deutschland. Wir sprachen mit ihm, wie er es empfindet, dass es wieder Zinsen gibt.

Herr Kolad, wie sieht Ihre Tätigkeit konkret aus?
Kolad: Mein Team und ich managen Anleihen-Fonds und decken dabei das gesamte Fixed-Income-Universum ab, das heißt, Staatsanleihen, Covered Bonds, also gedeckte Anleihen wie zum Beispiel Pfandbriefe, und Unternehmensanleihen. Zudem umfasst unser Anleiheuniversum alle wichtigen Währungen. Bei Unternehmensanleihen halten wir Positionen in den gängigen Anleiheklassen, also von Investment Grade bis hin zu High Yield sowie unterschiedlicher Senioritäten. Die Wahl der passenden Seniorität ist speziell in der jetzigen Zeit eine wichtige Entscheidung. Entsprechend halten wir auch Positionen in sogenannten hybriden oder nachrangigen Anleihen.

Wie froh sind Sie, dass der Zins back ist?
Kolad: Es freut mich vor allem für die Anleger. Denn es gibt nicht nur wieder Zinsen, sondern sie liegen mittlerweile auch wieder deutlich über der Nulllinie. Das verschafft Anlegern nun wieder etwas mehr Spielraum. Auf der anderen Seite heißt es für uns, dass das Interesse für Anleihen und Anleihen-Fonds-Lösungen wieder gestiegen ist. Es ist also für beide Seiten sehr erfreulich.

Wie groß sind die Herausforderungen im Moment?
Kolad: Es gibt zwei wesentliche Herausforderungen. Einerseits hat sich das Umfeld gewandelt, in dem wir uns bis dato bewegt haben. Früher hat man sehr viel stärker auf die Rendite und natürlich auf die Kreditrisiken geschaut. Heute sind Themen wie ESG und Klimaneutralität deutlich wichtiger geworden. Ein Fixed-Income-Portfoliomanager muss heute viel mehr Variablen im Blick haben, als in der Vergangenheit. Im aktuellen Investmentumfeld, in dem es darum geht, ob man die Duration, also die Zinssensitivität des Portfolios, erhöht, um von rückläufigen Renditen zu profitieren, ist das Timing wichtiger denn je: Es kann über den Erfolg einer Bond-Anlage entscheiden.

Gegenwärtig haben wir vergleichsweise hohe Zinsen bei einer immer noch hohen Inflation. Was bedeutet das für Fixed Income?
Kolad: Dass Fixed Income wieder attraktiv ist! Die aktuellen Niveaus haben wir seit sehr langer Zeit nicht gehabt. Für ähnliche Werte wie jetzt, müssten wir bei 2-jährigen Bundesanleihen bis 2008 und bei 10-jährigen bis 2011 zurückgehen. Die Inflation geht tatsächlich zurück. Wir gehen in unseren Prognosen davon aus, dass die Euroland-Inflation im nächsten Jahr auf 2,6 Prozent fallen wird, was uns in die Nähe des EZB-Ziels bringt. Daher sollten Anleger nicht die aktuelle oder die vergangene Inflation in ihren Investmententscheidungen berücksichtigen, sondern zukunftsgerichtet die, die während der Haltedauer zur Geltung kommen wird. Die aktuellen Renditeniveaus sind sowohl absolut als auch relativ zu anderen Assetklassen recht akzeptabel, vor allem, wenn man auch mögliche Kursgewinne in den kommenden Perioden in Betracht zieht.

Nicht wenige Marktteilnehmer feiern derzeit nicht nur die Erreichung des Peak bei den Zinserhöhungen, sondern frohlocken bereits wieder angesichts baldiger Zinslockerungen. Zurecht?
Kolad: Die Zinswende steht uns unmittelbar bevor – daran bestehen kaum Zweifel. Nach all den Monaten der aggressiven Leitzinsanhebungen dürften wir jetzt ein Plateau erreicht haben. Die Frage ist dabei natürlich, ob die Zinsen schnell wieder zurückgehen werden. Wir erwarten, dass die EZB eher vorsichtig und konservativ fahren wird. Gegen Ende dieses Jahres oder spätestens im ersten Halbjahr sollten wir den Zinsgipfel hinter uns gebracht haben. Danach, das zeigt auch die historische Evidenz, sollten auch die Renditen zurückgehen – stärker bei kürzeren Restlaufzeiten als bei längeren. Sie dürften aber auf einem etwas höherem Niveau als in vergangenen Perioden verharren. Ein Blick auf die Inflationsentwicklung zeigt, dass die positiven Basiseffekte seitens des Energie- und Nahrungssektors bereits jetzt schwinden. Es bleiben natürlich die dynamischen und die starren Kernkomponenten, die wahrscheinlich nicht so schnell zurückgehen werden. Vor diesem Hintergrund erwarte ich, dass der Anpassungsprozess eher langsam vonstatten gehen wird. Darauf fußt auch unsere Erwartung, dass die Inflation erst im nächsten Jahr auf akzeptablere Niveaus fallen wird.

Welche Rolle spielt das Thema ESG derzeit im Segment Fixed Income? Welchen Beitrag kann es aktuell und künftig für das Anlegerdepot leisten?
Kolad: ESG ist im Fixed-Income-Bereich ein äußerst wichtiges Thema. Ein Unternehmen, das die ESG-Thematik heute ernst nimmt, wird eher seine Existenz langfristig sichern und hohe Sanierungsausgaben, die die Kreditqualität negativ beeinflussen können, eindämmen. Anleger sollten die ESG-Thematik also ebenfalls ernst nehmen, weil das letztlich für den Investmenterfolg entscheidend sein kann. Daher sollte auch die klassische Kreditanalyse immer um die ESG-Themen ergänzt werden.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

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