Bei der Vermittlung von Kapitalanlagen ist die Geeignetheitsprüfung für Finanzanlagenvermittler wichtig, um nicht in Haftungsfallen zu geraten. „Eine fehlerhafte Einschätzung des Anlegerprofils kann zur Falschberatung führen – etwa wenn einem sicherheitsorientierten Kunden ein hochriskantes Produkt empfohlen wird. Kommt es zum Verlust, haftet der Vermittler, weil die Anlage nicht anlegergerecht war“, sagt Rechtsanwalt Strübing.
Es komme auch heute vor, dass ein Kunde einen Kapitalverlust erleidet und einen Schadensersatzanspruch mit der Behauptung geltend macht, dass er eine „absolut sichere” Kapitalanlage wollte, berichtet Netfonds. „Die Vermittler ‚rettet‘ in der Regel die Dokumentation, mit der sie belegen können, dass der Kunde im Beratungsgespräch durchaus risikobereit war und keineswegs der Wunsch nach einer ‚absolut sicheren‘ Kapitalanlage geäußert wurde“, betont Syndikusrechtsanwältin Sarah Lemke, Netfonds Gruppe.
Zudem gelten strenge Informationspflichten. So ist der Kunde vor Vertragsabschluss über Kosten, Risiken und Produktmerkmale in Textform aufzuklären, oft mittels standardisierter Produktinformationsblätter. „Wird dieses Infomaterial nicht rechtzeitig oder unvollständig übergeben, kann der Kunde im Streitfall einwenden, er sei unzureichend aufgeklärt worden – was die Haftung des Vermittlers begründen kann“, warnt Strübing. Daher sei das penible Einhalten aller Dokumentations- und Übergabepflichten essenziell.
VSH-Deckungssumme aufstocken
Vermittler von Versicherungen und Finanzanlagen sind verpflichtet, für sich selbst eine Vermögenschaden-Haftpflichtversicherung (VSH) abzuschließen und sind insofern geschützt. Die gesetzlichen Mindestdeckungssummen betragen derzeit pro Schadensfall rund 1,3 Millionen Euro und pro Jahr insgesamt etwa 1,9 Millionen Euro. Je nach Kundenkreis kann das zu wenig sein. „Gerade bei der Vermittlung von Haftpflichtversicherungen oder aber auch bei der Absicherung von klein- und mittelständischen Unternehmen geht es schnell einmal um die Absicherung von Risiken oberhalb der gesetzlichen Mindestdeckungssummen“, sagt Rechtsanwalt Jens Reichow, Jöhnke & Reichow.
„Wer Gewerbekunden betreut, sollte seine Absicherung unbedingt aufstocken. Denn schon bei einem kleineren Mittelständler kann es schnell um Schadensummen im siebenstelligen Bereich gehen“, bestätigt Vema-Vorstand Neder und nennt ein Beispiel: Nach einem Brand hat man die alte Brandversicherung zwar gekündigt, im Bürotrubel ist aber untergegangen, die Gefahr in die neue Gebäudeversicherung einzuschließen.
Vema bietet daher Maklern in der Genossenschaft eine kollektive Exzedentendeckung bis fünf Millionen Euro Deckungssumme, für die Vema als Genossenschaft die Kosten trägt. VSH-Experte Henseler empfiehlt grundsätzlich zumindest 2,5 Millionen Euro. „Rund 50 Prozent unserer Versicherungsnehmer sind diesem Rat auch gefolgt, viele haben auch fünf Millionen Euro vereinbart“, so Henseler.
AfW-Checkliste zur VSH-Versicherung
Eine VSH-Versicherung sollte in jedem Fall maßgeschneidert zum Vermittler beziehungsweise Vermittlerunternehmen passen und regelmäßig überprüft und angepasst werden. Der AfW hat dazu mit den VSH-Spezialisten von Hans John Versicherungsmakler eine Checkliste entwickelt.
Dort werden alle relevanten VSH-Kriterien wie versicherter Personenkreis, örtlicher und sachlicher Geltungsbereich, Versicherungssumme, Selbstbeteiligung, Kündigungsrechte des Versicherers, Obliegenheiten und Ausschlüsse abgefragt. Durch eine derart strukturierte Überprüfung lässt sich feststellen, ob etwa neue Mitarbeiter angemeldet werden müssen, ob steigende Kundenzahlen einen Tarifwechsel erfordern oder ob bestimmte Ausschlussklauseln problematisch sind.
Doch Vermittler sollten sich nicht blind auf ihre VSH verlassen. Es gibt viele weitere Maßnahmen, die typische Haftungsfallen systematisch verhindern (siehe Seite 3). Zum Beispiel der Einsatz einer genormten Risikoanalyse für den Beratungsprozess nach der DIN-Norm 77230 („Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“). „Sie kann helfen, diese Risiken systematisch zu reduzieren. Die Norm bietet eine strukturierte und haftungssichere Grundlage, um finanzielle Lebenslagen zu analysieren und Empfehlungen faktenbasiert, priorisiert und nachvollziehbar zu begründen“, erläutert Rechtsanwalt Carsten Wiesenthal, Allcura Versicherung.
Gut strukturierter Beratungsprozess wirkt auf VSH-Prämie
VSH-Versicherer wie Allcura sehen einen derart strukturierten Beratungsprozess gern. „Dies wirkt sich nach unserer Erfahrung regelmäßig positiv auf die Risikoeinschätzung aus, was wiederum spürbare Auswirkungen bei der Prämienfindung haben kann“, so Wiesenthal.
Auch Rechtsanwalt Strübing unterstreicht die Bedeutung eines proaktiven Risikomanagements für Vermittler. Dazu gehört auch ein Wiedervorlage- und Fristenmanagement. „Wichtige Termine wie Vertragsablauf, Optionsrechte, Garantiefristen oder Schadensmeldefristen müssen im Kalender erfasst und rechtzeitig angezeigt werden. Ebenso sind Wiedervorlagen sinnvoll für jährliche Check-up-Gespräche mit Kunden, etwa um geänderte Lebensumstände zu erfahren – das verhindert, dass relevante Informationen untergehen und dadurch Deckungslücken entstehen“, so Strübing.
Nicht zuletzt ist eine Spezialisierung ein wirksamer Schutz, denn niemand kann in allen Sparten Experte sein. Vermittler tun gut daran, sich auf Kernbereiche zu konzentrieren und für exotischere Kundenwünsche auf Kooperationen oder Spezialanbieter zurückzugreifen.
Typische Haftungsfallen und den jeweiligen Schutz dagegen hat Allcura-Jurist Carsten Wiesenthal zusammengestellt: