Chinesische Internet-Giganten erleben 2025 einen klassischen „Two-Crowd-Trade“: Die eine Seite kauft die Zukunft, die andere sieht die Gegenwart. Solange der KI-Hype dominiert, gewinnt die erste Gruppe. Sobald die Realität wieder die Oberhand gewinnt, wird die Korrektur umso heftiger ausfallen.
Der chinesische Aktienmarkt präsentiert sich Ende 2025 in einer faszinierenden Schizophrenie: Während der Hang Seng Index die meisten globalen Indizes klar geschlagen hat, blieb der Shanghai Composite lediglich auf Augenhöhe mit S&P 500 und Nasdaq-100. Der Grund ist strukturell: Der Hang Seng wird von internationalen Investoren dominiert, die frei H-Shares und Red Chips handeln können, während der Shanghai Composite fast ausschließlich aus A-Aktien besteht – einem Marktsegment, das ausländischen Anlegern weitgehend verschlossen bleibt und von inländischen Investoren bestimmt wird.
Spaltung zeigt sich nirgends klarer als bei den drei großen, doppelt notierten Internet-Giganten Alibaba, JD.com und Baidu.
Alibaba meldete zuletzt ein mageres Umsatzplus von drei Prozent, getragen von 30 Prozent Wachstum in der Cloud und 37 Prozent im Quick-Commerce-Bereich. Das Kerngeschäft E-Commerce wuchs um zwölf Prozent, doch die EBITDA-Marge brach um 47 Prozent ein – die Folge ruinöser Preiskriege im Lebensmittelliefergeschäft und massiver KI-Investitionen. JD.com fuhr 17,8 Prozent Umsatzplus ein, musste aber bei neuen Segmenten einen Margeneinbruch von 90 Prozent hinnehmen. Baidu schließlich litt unter einem 18-prozentigen Rückgang der Werbeeinnahmen und einem Gesamtumsatzminus von sieben Prozent, während KI-bezogene Bereiche wie Cloud (+33 Prozent) und autonomes Fahren (+212 Prozent) explodierten.
Die Zahlen sind ernüchternd – doch die Bewertungen der US-ADRs erzählen eine andere Geschichte. Der globale KI-Hype sucht verzweifelt nach günstigen Einstiegen jenseits von Nvidia und den Magnificent Seven. Chinesische Tech-Aktien bieten genau das – plus Diversifikation.
Die Put/Call-Ratios der US-ADRs von Alibaba, Baidu und JD.com liegen im vierten Quartal zwischen 30 und 62 Prozent (extrem bullisch), während ihre in Hongkong notierten Aktien Werte von 94 bis 136 Prozent erreichen – eine der höchsten Absicherungsquoten der vergangenen Jahre. Der KraneShares CSI China Internet ETF (KWEB) zeigt ein Put/Call von 57 Prozent, der breitere MSCI China ETF (MCHI) sogar 107 Prozent. Internationale Investoren kaufen die KI-Zukunft, lokale und Hongkong-nahe Investoren sehen die Konsum-Gegenwart: Immobilienkrise, Jugendarbeitslosigkeit, anhaltende Deflation.
Trotz dieser diametralen Stimmungen sind die Kursgewinne von US-ADR und Hongkong-Aktie nahezu identisch – Alibaba +85 Prozent YTD, JD +62 Prozent, Baidu +58 Prozent. Das liegt an der Arbitrage: US-ADRs sind physisch hinterlegte Zertifikate auf die Hongkong-Aktien. Starke Käufe in New York treiben zwangsläufig auch den Kurs in Hongkong mit.
Kurzfristig bleibt der KI-Diversifikations-Trade intakt
Solange der globale Tech-Hype anhält, profitieren Alibaba, JD und Baidu weiter von US-Nachfrage – unabhängig von der schwachen Binnenwirtschaft. Wer positioniert ist, surft weiter auf der Welle. Mittelfristig jedoch wächst das Korrekturrisiko massiv. Die Kombination aus kollabierenden Margen, ausbleibender Konsumerholung und Rekord-Absicherung lokaler Investoren bildet klassische Voraussetzungen für einen scharfen Rückschlag, sobald der erste größere KI-Enttäuschungsmoment eintritt oder der globale Hype abflaut.
Doch wie könnte man sich angesichts dieser Gemengelage positionieren?
Für die meisten Privatanleger könnte derzeit ein klarer Long-Einstieg über die liquiden US-ADRs von Alibaba, JD.com oder Baidu empfehlenswert sein – sie bieten die beste Handelbarkeit und profitieren direkt vom globalen KI-Käuferstrom. Dabei sollte jedoch unbedingt ein enges Risikomanagement gesetzt werden: Zum Beispiel ein Stop-Loss unter den Oktober-Tiefs (Alibaba ≈ 95 USD, JD ≈ 38 USD, Baidu ≈ 105 USD) könnte vor einem plötzlichen Stimmungsumschwung schützen. Wer zusätzlich vorsorgen möchte, könnte taktisch mit Put-Optionen auf den Hang Seng Tech Index oder die Hongkong-Primärnotierungen absichern und so von der anhaltend hohen Skepsis lokaler Anleger profitieren. Risikobereite Trader mit kurzfristigem Horizont könnten die Aufwärtsbewegung über gehebelte Produkte wie die Leverage Shares 3x Long Alibabaoder 3x Long JD ETPs verstärken.
Autor Sandeep Rao ist Senior Analyst bei Leverage Shares.











