Herr Brenner, die VPV blickt auf eine 198-jährige Geschichte zurück und gehört damit zu den ältesten Versicherungsunternehmen Deutschlands. Gleichzeitig befindet sich der Markt in einem tiefgreifenden Wandel. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für mittelgroße Versicherer in diesem Umfeld?
Brenner: Aus unserer Sicht sind es drei Herausforderungen. Die erste betrifft die gesamte Branche: die wachsende Regulatorik mit ihren sehr weitreichenden Vorgaben. Diese zu bewältigen bedeutet für mittelständische Häuser durchaus eine beachtliche Kraftanstrengung. Die zweite ist die konsequente Ausrichtung auf die Anforderungen unserer Kunden. Mit unserer Ausschließlichkeitsorganisation sind wir bereits gut positioniert und wollen im Segment Maklervertrieb strategisch wachsen. Dafür wollen wir den individuellen Kundenbedarf noch besser verstehen und die Beratung darauf abstellen. Und schließlich ist da das Thema Kapitalanlage. Die Märkte sind derzeit volatil. Wir sind hier solide aufgestellt, auch, weil wir in der Vergangenheit bewusst auf kurze Durationen gesetzt haben. Das hilft uns, in diesem dynamischen Umfeld flexibel und stabil zu agieren.
Welche Strategien verfolgt die VPV vor dem Hintergrund des dynamischen Marktumfeldes, um nachhaltig zu wachsen?
Brenner: Als starker mittelständischer Versicherer wurde zunächst eine zentrale Hausaufgabe erledigt und das Eigenkapital im Lebensversicherungsbereich in den vergangenen Jahren um rund 25 Millionen Euro gestärkt. Mit Blick auf das Marktumfeld sind für uns zwei Dinge entscheidend: Zum einen das Produktportfolio Leben, das einen ausgewogenen Mix aus klassischer Lebensversicherung, modernen Hybridlösungen sowie fondsgebundenen Produkten bietet. Zum anderen ist der Ausbau unseres Kompositgeschäfts mit einer modernen Produktpalette ein wichtiges und zentrales Element in der Steuerung unserer Gruppe.

Wofür steht #WIR genau?
Brenner: Unsere Strategie definiert drei zentrale Themen. Zwei davon sind klassisch: Lebensversicherung weiterentwickeln und im Kompositgeschäft wachsen. Der dritte Punkt war bewusst anders – nämlich #WIR. Damit wollten wir ein klares Zeichen setzen: Wir sind überzeugt, dass echte Teamarbeit die besten Ergebnisse bringt. Und wir sehen uns als Vorstand nicht nur in einer steuernden Rolle, sondern auch als Vorbilder für gelebtes Miteinander. Es geht uns darum, Silos aufzubrechen und gemeinsam als Team den Weg der VPV zu gestalten. Die Kraft der Zusammenarbeit ist für uns keine Floskel, sondern gelebte Überzeugung. Gerade bei Querschnittsthemen ist es wichtig, gemeinsam zu denken und zu handeln – unabhängig von Ressortzuständigkeiten. Das gelingt uns bei der VPV wirklich gut.
Herr Dr. Schmitz, die VPV wurde einst als Sterbekasse für Postbedienstete gegründet – die Sterbegeldversicherung war das erste Produkt. Auch heute noch bieten Sie diese Absicherung an. Warum setzen Sie als moderner Lebensversicherer weiterhin auf dieses Produktsegment?
Schmitz: Die Sterbegeldversicherung ist Teil unserer DNA und die aktuelle Produktgeneration ein echtes Premium-Produkt. Der flexible Tarif ist offen für junge Eintrittsalter, bietet eine lebenslange Beitragszahlung und mit der Dynamikoption einen integrierbaren Inflationsschutz. Zudem können Kunden bei Bedarf auf ihr Kapital zugreifen. Auch preislich sind wir sehr gut positioniert. Mit der Funeria Bestattungshilfe haben wir zudem einen starken Partner an unserer Seite. Kunden können mit ihrem Vermittler oder telefonisch ihre Bestattung planen und so die Angehörigen entlasten. Diese Kombination aus Leistung, Flexibilität und Beratung ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal.
Herr Guttenbacher, wenn wir in die Komposit-Sparte schauen, müssen Produkte und Tarife marktgerecht und kundenorientiert sein. Wie stellt die VPV sicher, diesen Anforderungen gerecht zu werden?
Guttenbacher: Die VPV hat in den letzten zweieinhalb Jahren sehr viel in das gesamte Produktportfolio investiert. Die Produktwelt wurde komplett überarbeitet und mit cross-funktionalen Teams aus Produktentwicklern sowie Vermittlern mit dem direkten Draht zum Kunden entwickelt. Dazu zählt auch unser neuer Wohngebäudetarif, der vor zwei Wochen gestartet ist. Übrigens sieht unser Fahrplan vor, jede Sparte alle zwei Jahre vollständig auf den Prüfstand zu stellen und dazwischen flexibel mit Facelifts und Zusatzbausteinen zu reagieren. Zur Bewertung nutzen wir den Smart Check auf Basis von Verbraucherschutzkriterien. Unsere Exklusivprodukte schneiden dort regelmäßig sehr gut ab. Für preissensible Zielgruppen bieten wir eine kompaktere Tariflinie.
Apropos Wohngebäude- und Hausratversicherung: Wie beurteilen Sie die Marktlage?
Guttenbacher: Seit 2023 wurde in der Wohngebäudeversicherung branchenweit erstmals wieder eine Combined Ratio knapp unter 100 erreicht. Doch die Herausforderungen bleiben groß. Ein enormer Sanierungsstau im Gebäudebestand erhöht das Schadenrisiko und der Klimawandel führt zu häufigeren und schweren Schadenereignissen. Dadurch sind die Durchschnittsprämien der Wohngebäudetarife in den letzten fünf Jahren um 54 Prozent gestiegen. Marktprognosen erwarten, dass sich die Prämien in den kommenden Jahren nahezu verdoppeln könnten. Versicherungswirtschaft und Politik sind gefordert, Lösungen zu erarbeiten und Prävention stärker einzubinden. Mit Blick auf diese Marktsituation war klar: Wir müssen die Wohngebäudeversicherung auch mit Blick auf eine Profitabilität grundlegend neu denken, den Bestand stabilisieren und ein risikoadäquates Pricing aufsetzen. Mit einer konsequenten Orientierung am Marktgeschehen, dazu zählen auch die GDV-Musterbedingungen, bewegen wir uns mit dem neuen Produkt auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb. Auf die Themen Profitabilität, Klimawandel oder Elementarpflichtversicherung können wir aktiv reagieren. Die VPV hat nicht nur ein neues Produkt eingeführt, sondern ein marktfähiges, zukunftssicheres Gesamtkonzept.

Die Sparte Hausrat mit stabilen Erträgen, einem Prämienanstieg um zehn Prozent in den letzten fünf Jahren und auch zunehmenden Schadenaufwendungen macht in der Branche und auch für uns nur rund fünf Prozent des Komposit Markts aus. Entscheidend wird sein, dass die Branche intelligente Kombi-Lösungen für Wohngebäude- und Hausratversicherungen entwickelt. Damit können die Prämien stabiler bleiben – bei gleichzeitig gutem Verbraucherschutz. Handeln alle Akteure gemeinsam, lässt sich diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe lösen.
Die VPV bringt ein neues Gewerbeprodukt auf den Markt. Welche Ziele verfolgen Sie in dieser Sparte mittel- und langfristig?
Guttenbacher: Mitte Juni führten wir das erste Gewerbeprodukt im Markt ein. Insgesamt gehen wir damit in den Betrieb von acht neuen Versicherungssparten. Den Auftakt machten die Betriebshaftpflicht-, Ertragsausfall- und Inhaltsversicherung. Hinter diesem Roll-out steht die grundlegende Entscheidung, gezielt in strategische Wachstumsfelder zu investieren. Die Gewerbeversicherung ist eines davon und die VPV will hier zusätzlich zum Segment Lebensversicherung eine zweite starke Säule auf- und ausbauen. Bisher wurde das Geschäft häufig über Kooperationspartner abgedeckt. Das ändert sich in Zukunft durch die völlig neue IT- und Prozesswelt. Auch hier ist die Zielsetzung, mit modernen Standards auf die Time-to-Market und Dunkelverarbeitung zu setzen. Aktuell qualifizieren wir unsere Vertriebspartner, und auch unser Privatkundengeschäft wird davon profitieren.
Stumböck: Für eine konsequente Marktdurchdringung wird die Markteinführung mit dem Train-the-Trainer-Ansatz begleitet: Multiplikatoren werden geschult, um später die Qualifizierung und Begleitung in den Agenturen sicherzustellen. Dafür haben wir ein starkes Schulungskonzept entwickelt – zunächst für Kolleginnen und Kollegen mit Gewerbeerfahrung und anschließend weitere Vermittlergruppen. Gewerbe war bisher kein Fokus, der Schwerpunkt der Beratung lag in der Vergangenheit auf dem Privatkundengeschäft. Das hat sich nun grundlegend geändert – mit neuem Bewusstsein und strategischem Fokus. Es geht nicht nur um Fachwissen, sondern auch um vertriebliche Kompetenz: Wie spreche ich aktiv Gewerbekunden an, wie gestalte ich die Akquise? Auch hier unterstützen wir – mit Kampagnen und Marketingimpulsen. Ziel ist, dass unsere Vermittler bei Gewerbe gezielt hinschauen – nach dem Motto: „Wenn ich beim Friseur sitze, frage ich: Wo hast du eigentlich deine Betriebshaftpflicht versichert?“
Auf welche Kundengruppen zielt Ihr Gewerbeangebot konkret ab?
Guttenbacher: Wir fokussieren uns auf kleine und mittlere Unternehmen – das KMU-Segment. Zielbranchen sind Handel, Dienstleistungen, Handwerk, Bau, Gastronomie, Hotellerie und Vereine. In der Betriebshaftpflicht geht es um Firmen mit bis zu fünf Millionen Euro Umsatz und maximal 30 Mitarbeitenden, bei der Inhaltsversicherung um Summen bis 2,5 Millionen Euro. Großindustrielle Risiken sind nicht unser Ziel. Drei regionale Gewerbespezialisten unterstützen den Vertrieb. Und genau hier zeigt sich die Stärke eines mittelständischen Versicherungsvereins: kurze Wege, direkte Abstimmung, schnelle Entscheidungen – bis hin zum Underwriter vor Ort. Das ist unsere Fastlane.
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