Die Gräfer-Kolumne: Jobverlust durch ChatGPT? – „Panik ist kein guter Ratgeber“

Foto: Die Bayerische
Das Faszinosum bei ChatGPT besteht darin, dass wir eine echte Konversation mit dem Computer führen können.

Künstliche Intelligenz als ChatGPT wird bestimmte Jobs langfristig überflüssig machen. Zumindest gehen viele Expertinnen und Experten aktuell davon aus. Das gilt auch für den Versicherungsbereich. Bereits heute gibt es zahlreiche Anwendungen, die die Arbeit in der Branche erleichtern und immer stärker dazulernen. Aktuell sind die Entwicklungen noch schwer abzuschätzen. Dennoch sorgen sich viele Bedienstete um ihren Job. Berechtigt? Die Kolumne von Die Bayerische Vertriebsvorstand Martin Gräfer.

Und? Haben Sie es schon ausprobiert? ChatGPT. Die Konversation-KI von OpenAI, die seit Wochen die Schlagzeilen dominiert. Schon beeindruckend, finde ich. Ich tippe eine Frage ein und erhalte Antwort. Komplett. Ich stelle eine Aufgabe und erhalte ein Ergebnis. Sehr gut. Zu gut, um es geheim zu halten. Auch deswegen berichten die Tagesthemen darüber und die Süddeutsche Zeitung und viele weitere Medien. Zahlreiche Menschen posten in den sozialen Netzwerken ihre Konversationen mit dem virtuellen Partner. Auch ich, weil wir Lust haben, das Neue auszuprobieren.

Aktuell wissen wir noch nicht, wie groß der Impact von Künstlicher Intelligenz wirklich sein wird. Laut Branchenexpertinnen und -experten kann die Technologie unser Leben verändern. Auch in der Versicherungsbranche. Wir sind anfällig für Wandel.

Denn seien wir uns ehrlich, in der Vergangenheit haben wir als Versicherer den digitalen Wandel stark gespürt: Vergleichsportale haben die Preisstruktur am Markt stark verändert. Online-Versicherer locken mit Angeboten. Die sozialen Netzwerke haben unsere Art der Kommunikation mit den Kunden revolutioniert. Warum also sollte der nächste Schritt in der digitalen Revolution eine Ausnahme darstellen?

Die Angst vor Neuem ist normal – Panik nicht

Die Menschen hatten immer schon Angst vor neuer Technologie. Frauen durften zu Beginn nicht mit dem Zug fahren; die Geschwindigkeit könnte ihrer Fruchtbarkeit schaden. Menschen sind verängstigt aus den ersten Kinosälen geflüchtet, als Objekte im Film auf sie zukamen. Und auch das Auto war zu Beginn seiner Erfindung ein Hassobjekt. Nun ja, ein Gefühl, dass sich bei einigen Menschen auch heute wieder zeigt.

Wir lernen: Neue Technologie provoziert zu Beginn ihrer Einführung bei einer breiten Masse immer Angst. So auch Künstliche Intelligenz. Eine gewisse Angst ist normal und gewollt. Bereits in der Urzeit war sie ein natürlicher Schutzmechanismus, der uns zu Veränderungsbereitschaft geführt hat. So auch bei Technologie.

Allerdings sollte die natürliche Angst nicht in unnatürliche Panik umschwenken. Panik führt dazu, dass wir das rationale Denken vergessen. Und das wäre bei der Einführung Künstlicher Intelligenz wahrlich schlecht. Wir müssen der KI positiv begegnen.

Allen Interessierten empfehle ich dazu die Lektüre von Thomas Ranges Ausführungen in seinem kurzweiligen Reclam Mensch und Maschine. Das Heft erschien schon weit vor der Einführung von ChatGPT und Co. Aber es beschreibt in deutlicher Weise: Wir müssen viel mehr ihre Potenziale frühzeitig erkennen und schöpfen. Wir müssen uns mit der Technologie beschäftigen. Denn wenn wir das Unbekannte kennenlernen, können wir es für uns nutzen.

Beschäftigen wir uns mit dem Unbekannten

Hier beginnt die erste Aufgabe, die uns die neue Technologie stellt: Wir müssen uns mit ihr beschäftigen. Es reicht nicht mehr, einfach nur desinteressiert abzuwinken oder in Panik zu verfallen und sich seinem Schicksal zu ergeben. Auch das lernen wir aus der Vergangenheit: Wer sich vor 30 bis 40 Jahren nicht intensiv mit dem Computer beschäftigt hat, stand irgendwann beruflich auf dem Abstellgleis. Zu schnell hat die Technologie weite Teile der Arbeitswelt erobert.

Oder blicken wir auf Smartphones: Wer sich weiterhin dieser Technologie entzieht, verpasst heute viele Vorteile und Annehmlichkeiten, die uns die Geräte bieten. Blicken wir nach Skandinavien oder in die USA, so sehen wir, dass bereits heute weite Teile des Alltags auf dem Besitz eines Smartphones basieren. Eine Entwicklung, die auch bei uns zwangsläufig passieren wird.

Wenn ich mich frühzeitig mit einer Technologie auseinandersetze, werde ich frühzeitig auch ihre Vorzüge erkennen und nutzen.

Bereits heute zeigen sich klare Vorteile

Trotz der großen Errungenschaften der vergangenen Wochen und Monate: Die wahren Einsatzgebiete der Technologie müssen sich erst noch zeigen. Aktuell sehen wir im Feld der KI-Anwendungen sehr viel Etikettenschwindel. Anwendungen, die mit echter Künstlicher Intelligenz wenig zu tun haben.

Doch gerade im Versicherungsbereich zeichnen sich bereits heute Anwendungsbereiche ab, die zeitnah zu einem Technologiewandel in der Branche führen könnten. Nehmen wir Sprachcomputer und Conversational AI: Das Faszinosum bei ChatGPT besteht darin, dass wir eine echte Konversation mit dem Computer führen können.

Er reagiert auf Feedback, achtet genau auf Formulierungen von uns und antwortet auf diese. In einer kontaktintensiven Branche wie der Versicherungsbranche kann uns diese Technologie helfen, Prozesse zu vereinfachen. Redundanz in der Aufgabe zu minimieren.

Wichtig ist, dass wir uns alle – vom Management bis hinein in die Fachbereiche und den Außendienst – mit dieser Technologie beschäftigen. Ihre Vorzüge kennenlernen; aber auch ihre Grenzen. Wenn ich mein unbekanntes Gegenüber besser kennenlerne, verliere ich die Panik und kann auf Augenhöhe agieren.

Nehmen wir die Mitarbeitenden mit

Hier beginnt unsere Arbeit in der Verwaltung einer Versicherung. Wir müssen Angebote schaffen. Angebote, dass sich die Mitarbeitenden mit dem Neuen beschäftigen können. Umschulungen und Weiterbildungen sind hier wichtige Aspekte. Bereits heute achten wir bei der Bayerischen sehr darauf, unsere Teams regelmäßig weiterzubilden.

Zukünftig werden diese Schulungen noch stärker davon geprägt sein, mit neuen Technologien umgehen zu können. Die Erweiterung der Fähigkeiten durch Künstliche Intelligenz nutzen zu können. Und auch die Soft Skills weiter auszubauen. Unsere Menschen für die Aufgaben fit zu machen, für die wir sie in weiter Zukunft brauchen werden.

Das gilt ebenso für die Selbstbildung: Wer eine intrinsische Motivation entwickeln kann, mit der neuen Technologie zu wachsen, wird sie besser nutzen können.

Eines möchte ich jedoch auch unterstreichen: Viele von uns werden sich verändern müssen. Ihre Fähigkeiten erweitern, sich gegebenenfalls auf neue Umfelder und neue Aufgaben einstellen müssen. Das bedarf einem Willen, sich anzupassen. Das ist nicht immer einfach. Doch wenn wir es schaffen, uns der neuen Realität digitaler Arbeit anzupassen, können wir sehr langfristig von ihr profitieren.

Einmal mehr entscheidet das Wir. Wir mussten uns in der Vergangenheit zahlreichen Herausforderungen gemeinsam stellen. Konnten sie gemeinsam in neue Chancen und neues Wachstum wandeln. Das wird auch bei einem gesteigerten Einsatz von Künstlicher Intelligenz so sein, da bin ich mir sicher. Doch gerade für die Personalführung gilt: Wenn wir zukünftig mehr Technologie einsetzen, ist es umso wichtiger, menschlich zu bleiben.

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