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Digitalisierung, Service, Maklerfokus: Christian Pape skizziert die Zukunft der ALH-Gruppe

Christian Pape
Foto: ALH
Christian Pape: "Je komplexer das Produkt, desto wichtiger wird das Beratungsgespräch."

Christian Pape ist seit wenigen Wochen Vorstand der ALH Gruppe und prägt die strategische Neuausrichtung des Vertriebs. Im Gespräch mit Cash. erläutert er, wie persönliche Beratung, digitale Prozesse und eine stärkere Verzahnung der Sparten das Wachstum bis 2030 sichern sollen.

Herr Pape, Sie sind seit wenigen Wochen Vorstand der ALH Gruppe und werden Nachfolger von Vertriebsvorstand Frank Kettnaker. Mit welchen Schwerpunkten und Zielen sind Sie in die neue Aufgabe gestartet, und wie setzen Sie die Vertriebsausrichtung fort?

Pape: Das ist eine unglaublich spannende Aufgabe, der ich mit großem Respekt, aber auch mit großer Vorfreude begegne. Wenn man frisch in ein Unternehmen kommt, ist zunächst alles neu – Unternehmenskultur, Teams, Kolleginnen und Kollegen, Themen, aber auch Chancen. Ich glaube, das Wichtigste, was man als Neuer tun kann, ist: zuhören. Die ALH Gruppe ist ein sehr gut aufgestellter Versicherer über alle Sparten hinweg. Diese Stärke gilt es fortzuführen. Auf der anderen Seite müssen wir uns weiterentwickeln. Der Markt ist derzeit extrem dynamisch – Technologie, KI, Maklerkonsolidierung, Vertriebsaufstellung – das alles sind Themen, die uns beschäftigen. Wir haben aktuell einen starken Fokus auf Makler und unabhängige Vermittler, und diesen werden wir weiter fortführen.

Warum die ALH?

Pape:  Weil ich meine Frau vor vielen Jahren dort BU-versichert habe. Da schaut man natürlich genauer hin. Nein, im Ernst: Aus der Wettbewerbsbrille habe ich die ALH Gruppe immer als sehr performanten Versicherer wahrgenommen, der Tradition und Innovation miteinander verbindet – das beeindruckt mich sehr. Ein gutes Beispiel: Die Pflegeversicherung in Deutschland wäre vermutlich nicht auf dem heutigen Niveau, wenn die Hallesche damals den Tarif „Olga“ nicht auf den Markt gebracht hätte. Und auch bei der betrieblichen Krankenversicherung war die Hallesche Vorreiterin – sie hat hier ein völlig neues Geschäftsfeld erschlossen und quasi eine neue Produktkategorie geschaffen, der heute viele andere folgen. Das reizt mich: Tradition auf der einen Seite, Innovationskraft auf der anderen. Ich bin seit wenigen Wochen da und wirklich beeindruckt, mit welcher Leidenschaft und welchem Fachwissen die Kolleginnen und Kollegen ihre Themen treiben.

Ihr Vorgänger Frank Kettnaker war über viele Jahre das vertriebliche Gesicht der ALH Gruppe und hat den Weg Richtung Mehrfachagenturen geprägt. Wie wollen Sie das Vertriebsmodell weiterentwickeln?

Pape: Frank ist – ich sage das liebevoll – ein echtes Insurance-Icon. Er war schon Vorstand, da war ich gefühlt noch nicht einmal in der Branche. Er ist eines der prägenden Gesichter unserer Versicherungswelt, und das erfüllt mich mit großem Respekt, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen. Ich kenne Frank lange, wir verstehen uns sehr gut und tauschen uns intensiv aus. Das ist übrigens meine fünfte altersbedingte Nachfolgeregelung. Frank hat in den vergangenen Jahren viel bewegt – etwa mit dem Aufbau der Mehrfachagenturen, ein strategisch sehr kluger Schritt. Wenn ich heute auf uns als Unternehmen schaue, sehe ich einen klaren Fokus auf den unabhängigen Vermittlermarkt. Mehrfachagenten sind ein weiteres wichtiges Thema.

Gleichzeitig müssen wir überlegen, wie wir über digitale Kanäle künftig Geschäft generieren können. Dafür braucht es eine breite Produktaufstellung – vom Privatkunden über das Firmenkundengeschäft, wo wir noch Potenzial haben. Wir sind ja die ALH Gruppe – auf der einen Seite die Alte Leipziger, auf der anderen die Hallesche. Gemeinsam können wir aus diesen Produktkategorien noch mehr machen. Ich würde nicht einfach von Cross-Selling sprechen, sondern von einer echten Verbindung: Wir haben mit der Initiative „Betriebliche Fürsorge“ bereits ein gemeinsames Konzept gestartet, das Firmenkunden in bAV und bKV bestmöglich absichert. Es geht darum, mehr gemeinsam zu gestalten. Ich habe in früheren Funktionen das Thema Omnikanal bei großen internationalen Versicherern verantwortet und bringe eine ausgeprägte Leidenschaft für Daten, Prozesse und den digitalen Vertrieb mit. Auch darin liegt ein großes Potenzial.

Die ALH Gruppe operiert mit einem Mix aus dezentralen Vertriebsdirektionen, Maklern, Ausschließlichkeitsorganisation und digitalen Kanälen. Wie sehen Sie die künftige Rolle digitaler Kanäle im Verhältnis zum klassischen Maklervertrieb oder zur AO?

Pape: Wenn wir uns heute die Neugeschäftszahlen auf GDV-Ebene, aber auch für die ALH Gruppe anschauen, dann kann man festhalten, dass der überwiegende Teil der Neuproduktion über den persönlichen Vermittler erfolgt. Das Versicherungsgeschäft lebt nach wie vor sehr stark von persönlichen Beziehungen, weil Beratung und Beratungsqualität entscheidende Faktoren sind. Nichtsdestotrotz muss man sich auch einmal auf den Stuhl des Kunden setzen – und der steht nun mal im digitalen Raum. Kunden suchen online, informieren sich über Produkte und, ehrlicherweise, sie schließen auch online ab – nicht nur über Vergleichsportale, sondern zunehmend auch direkt über Versicherer-Websites. Das ist, glaube ich, ein Thema, das wir in Zukunft noch stärker adressieren sollten, ohne ein Digitalversicherer werden zu wollen. Digitale Vertriebswege können immer nur eine „homöopathische Beimischung“ zu unseren klassischen Vertriebsformen sein.

„Homöopathische Beimischung“ in ein digitalen Welt – das klingt nach Widerspruch.

Pape: Gar nicht. Faktisch ist es so, dass wir als ALH Gruppe im digitalen Raum mit unseren Produkten auf Abschlusskanälen bisher kaum vertreten sind. Und das ist sicherlich ein Thema, das wir uns künftig noch genauer anschauen wollen.

Ein zentrales Kapital im Versicherungsvertrieb sind stabile und engagierte Partner. Wo sehen Sie heute die größten Herausforderungen in der Maklerbindung, und mit welchen Angeboten wollen Sie die Partner stärker an sich binden?

Pape: Auf der einen Seite geht es um Zuhören undauch um den intensiven Dialog mit unseren Geschäftspartnern. Sie sitzen jeden Tag bei Kundinnen und Kunden, bekommen mit, was nachgefragt wird, aber auch, was bei uns gut läuft und wo wir uns noch verbessern können. Dieser Dialog auf Augenhöhe ist, glaube ich, ein ganz zentrales Thema. Wir müssen offen sein für Kooperationen und neue Ideen – und das funktioniert nur durch echtes Zuhören, durch gemeinsames Entwickeln und Vorantreiben. Wenn wir über das Thema Versicherung sprechen, dann hat das am Ende immer sehr viel mit Vertrauen zu tun. Dafür müssen wir intern unsere Kernprozesse im Griff haben – also wettbewerbsfähige Produkte anbieten, effizient arbeiten und verlässlich sein. Unser Ziel ist klar: Wir wollen bis 2030 einer der führenden Serviceversicherer in Deutschland sein. Prozessexzellenz, Effizienz und Service sind dafür entscheidende Differenzierungsfaktoren für die Zukunft.

Also, ich höre das immer wieder: „Wir wollen führender Serviceversicherer werden.“ Wie wollen Sie das erreichen?

Pape: Da gibt es zwei Stoßrichtungen. Zum einen hilft uns Technologie dabei, Serviceprozesse aus Kunden- und Vermittlersicht schneller und damit besser zu gestalten. Zum anderen sind wir als ALHGruppe heute mit unseren Vertriebsdirektionen noch sehr differenziert in Deutschland aufgestellt. Nähe zum Vertriebspartner ist ebenfalls ein Element von Service. Bei uns hat man direkte Ansprechpartner – kein anonymes Callcenter irgendwo außerhalb der Bundesrepublik. Unsere Partner können anrufen, sie erreichen Menschen, die Lust auf Dialog und Zusammenarbeit haben. Auch das ist Service und trägt dazu bei, unser Ziel zu erreichen.

Fondspolicen, bAV, BU und PKV bilden die zentralen Säulen der ALH Gruppe. Wie wollen Sie die Kräfte zwischen Leben, Kranken und Schaden/Unfall künftig ausbalancieren und welche Rolle spielt dabei das Zusammenspiel der Sparten im integrierten Vertrieb?

Pape: Das sind zwei Ebenen. Zum einen geht es in den einzelnen Sparten darum, die bestehenden Produkte auf dem hohen Niveau zu halten, aber auch zu prüfen, was der Markt braucht und wo wir Produkte verbessern können. Das Thema BU begleitet uns ja seit 100 Jahren. Wenn man sieht, wie sich die Produktqualität in den letzten Jahren entwickelt hat, ist das bemerkenswert. Und wir schaffen es immer wieder, Innovationen einzubringen – etwa beim Thema Psyche oder beim Umgang mit Sabbaticals, also Ruhephasen von Policen. Das ist spannend zu sehen. Natürlich wollen wir in allen Sparten weiter wachsen – das ist das eine.

Aber die Magie passiert eigentlich dazwischen: Wie gelingt es uns, Kunden ganzheitlicher zu beraten, sie umfassender zu betreuen und spartenübergreifende Lösungen anzubieten? Gerade im Firmenkundengeschäft sehen wir mit dem Thema „Betriebliche Fürsorge“ schon erste zarte Pflänzchen. Das wollen wir ausbauen. Zentral ist dabei das Thema Beratung, Beratungsqualität und Fachlichkeit. Wir haben mit dem ALH Campus eine starke Basis, auf der wir intern unsere Mitarbeitenden, aber auch unsere Vermittler schulen. Und das ist eine Grundüberzeugung von mir: Immer dann, wenn ich mich fachlich sicher fühle, spreche ich Dinge beim Kunden souverän an. Und genau das steigert die Beratungsqualität in jedem Gespräch. Fachliches Know-how ist mir deshalb besonders wichtig – das braucht man, um dauerhaft erfolgreich zu beraten.

Stichwort: Was braucht der Markt. Ich glaube, dass Zuhören und der Austausch mit Kunden und Vermittlern hier sehr wichtig sind. Wo wollen Sie Schwerpunkte setzen?

Pape: Ich bin grundsätzlich sehr gerne draußen unterwegs – und da bietet sich eine Messe wie die DKM natürlich ideal an. Wir hatten viele Gespräche mit Vermittlern geführt und ich bin energiegeladen aus diesen beiden Tagen herausgegangen. Dann man merkt: Die Vermittler haben Ideen, wir haben Ideen – und genau das nenne ich „die Magie der Begegnung“. Wenn Menschen zusammenkommen, entsteht meistens etwas Gutes. Deshalb bin ich auch ein Freund hybrider Arbeitsmodelle. Nur Homeoffice ist für mich keine Option. Man muss sich auch wieder begegnen, miteinander reden, Themen diskutieren und gemeinsam Dinge entwickeln. Das funktioniert intern bei uns sehr gut, aber natürlich auch im Zusammenspiel mit unseren Geschäftspartnern. Und das haben wir auf der DKM ganz deutlich gespürt: Die ALH Gruppe ist ein gern gesehener Gesprächspartner mit dem profitables Wachstum in der Zukunft möglich ist.

Lassen Sie uns auf die PKV schauen. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze steigt 2026 erneut deutlich an. Damit wird der Zugang zur privaten Krankenversicherung schwieriger. Welche Auswirkungen erwarten Sie für das Neugeschäft?

Pape: Klar, wenn man sich die Jahresarbeitsentgeltgrenze anschaut, bedeutet eine steigende Grenze natürlich, dass de facto etwas weniger Personen Zugang zur PKV bekommen. Auf der anderen Seite muss man aber sagen: Durch Inflation und Tarifabschlüsse steigt das Gehaltsniveau in vielen Bereichen ebenfalls. Wenn man sich das netto ansieht, glaube ich gar nicht, dass es so viel weniger Kunden geben wird. Wenn ich auf die Hallesche schaue, gehen wir von einem positiven Neugeschäft für 2026 aus. Das Thema PKV ist uns sehr wichtig. Mit der NK-Select-Serie haben wir sicherlich einen der leistungsstärksten Tarife am deutschen Markt. Und das war auch das Feedback, das wir bekommen haben – gerade jetzt in der Zeit der Beitragsanpassungen. Viele große Partner spiegeln uns zurück, dass wir im kommenden Jahr in Rankings sogar noch besser positioniert sein werden als aktuell. Das macht mir sehr viel Mut und stimmt mich zuversichtlich, dass 2026 ein erfolgreiches Jahr für die PKV wird.


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Mit der Einführung von ePA, E-Rezept und der vollständig digitalen Antragsstrecke positioniert sich die Hallesche als digitaler Vorreiter. Welche Resonanz erhalten Sie aus dem Vertrieb – und reicht Digitalisierung allein noch aus, um sich im hart umkämpften PKV-Markt zu behaupten?

Pape: Ganz klares Nein. Ich glaube nicht, dass Digitalisierung allein ausreicht. Im Kern muss man festhalten: Am Ende ist es immer ein Mix aus hoher Produktqualität, guten Prozessen und – ganz entscheidend – gutem Service. Wie schnell funktionieren Leistungsregulierungen? Wie reibungslos laufen Prozesse, etwa bei der Mitversicherung von Kindern? Insofern schließt sich hier der Kreis zum Thema „Serviceversicherer 2030“. Auf der anderen Seite ist die ePA ein schönes Beispiel dafür, wie wir Tradition und Zukunft verbinden. Denn wir tun genau das, was der Kunde möchte: Der Kunde will gesundheitsbezogene Informationen sicher und effizient digital auszutauschen. Insofern ist das eine konsequente Weiterentwicklung unserer Arbeit und unserer Kundenorientierung.

Mit neuen, digital abschließbaren Gewerbeprodukten adressieren Sie vor allem kleinere Unternehmen und Handwerksbetriebe. Welche strategische Bedeutung hat dieses Segment künftig für den Gesamtvertrieb?

Pape: Das Thema Gewerbe ist unglaublich spannend. Wenn man da etwas tiefer einsteigt, sieht man, dass Firmenhaftpflichtpolicen vom Beratungsaufwand her durchaus anspruchsvoll sind. Wir versuchen, das zu kombinieren: auf der einen Seite mit digitalen Antragsstrecken, die effizient sind – damit Daten nicht mehrfach eingegeben werden müssen. Das macht keinem Vermittler Spaß, und uns selbst auch nicht. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Technologie hilft, Prozesse besser zu gestalten. Aber sie ersetzt keine Beratung. Nur weil jemand einen kleinen Metzgerbetrieb führt, bedeutet das nicht, dass er keine umfassende Beratung braucht. Es geht darum, Risiken zu erkennen, abzusichern und individuelle Lösungen zu bieten. Und dabei unterstützen wir unsere Partner natürlich sehr gerne.

Wie viel Beratung ist nötig – und wie digital darf das sein?

Pape: Wenn wir auf den digitalen Versicherungsmarkt schauen, sehen wir, dass es Produktkategorien gibt, die Kunden heute schon vollautonom über Versicherer-Websites oder Vergleichsplattformen abschließen. Aber je komplexer ein Produkt wird – und die Gewerbeversicherung gehört definitiv dazu –, desto wichtiger ist das persönliche Beratungsgespräch. Ich glaube, das kennen viele aus dem eigenen Alltag: Selbst wenn man weiß, was man will, ruft man trotzdem noch jemanden an, um sich rückzuversichern – soll ich die Waschmaschine nehmen oder lieber die andere, das Hotel buchen oder ein anderes? Menschen wollen einfach noch einmal diese Bestätigung. Und genau deshalb sind wir so gerne auf der DKM: Unsere Vermittler tun genau das. Sie beraten – und dort, wo Kunden sich vielleicht digital schon entschieden haben, geben sie den entscheidenden Impuls, den Abschluss tatsächlich zu machen. Deshalb ist der Vermittler heute noch immer zentral – für die Kundenbindung und für uns als Versicherer.

Seite 2: „Mit Daten kann man heute schon das Geschäft von morgen gestalten“

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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