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Furio Pietribiasi, Mediolanum: „Diversifikation ist heute wichtiger denn je“

Foto: Mediolanum International Funds
Furio Pietribiasi, Mediolanum International Funds

Inflation, Zinswende und geopolitische Spannungen prägen die Weltwirtschaft – und machen Prognosen schwieriger denn je. Dennoch sieht Furio Pietribiasi, CEO von Mediolanum International Funds, in der Unsicherheit auch Chancen. Im Interview spricht er über die Bedeutung von Diversifikation, die Renaissance fondsgebundener Produkte und warum Nachhaltigkeit für ihn ökonomisch unverzichtbar ist.

Herr Pietribiasi, die Weltwirtschaft befindet sich in einer Phase der Unsicherheit. Wie schätzen Sie das aktuelle Umfeld ein – insbesondere mit Blick auf Inflation, Zinsen und Wachstum?
Pietribiasi: Wir leben in einem außergewöhnlich herausfordernden Umfeld. Die gewohnten wirtschaftlichen Logiken der vergangenen Jahrzehnte greifen nicht mehr. Prognosen sind schwieriger denn je, weil sich geopolitische, gesellschaftliche und ökonomische Dynamiken überlagern. Zu Beginn des Jahres war es fast unmöglich, eine klare Richtung zu erkennen. Jetzt zeichnet sich zumindest eine Tendenz ab. Die USA versuchen, ihre wirtschaftliche Führungsrolle zu behaupten, während Europa erkennen muss, dass Zersplitterung keine Lösung ist. Europa wird nur dann eine starke Position einnehmen können, wenn es geeint handelt. Zugleich entstehen neue Wachstumschancen – etwa in Südamerika oder in den Schwellenländern. All diese Veränderungen führen uns zu einer zentralen Erkenntnis: Diversifikation ist entscheidend. Wer breit aufgestellt ist, kann Schwankungen besser ausgleichen und Chancen gezielt nutzen.

Viele Notenbanken haben die Zinsen zuletzt erhöht. Wie wirken sich die geldpolitischen Entscheidungen auf die Märkte und auf Ihr Geschäft aus?
Pietribiasi: Die Phase extrem niedriger Zinsen war zu lang. Dass die Zinsen nun wieder gestiegen sind, ist grundsätzlich positiv, auch wenn es Anpassungen erfordert. Eine drastische Zinssenkung würde ich nur erwarten, wenn es zu einer deutlichen Rezession käme – also zu echtem Negativwachstum. Bemerkenswert ist vor allem, dass sich Politik und Notenbanken heute viel stärker gegenseitig beeinflussen als früher. In den 1990er-Jahren waren Geldpolitik, Fiskalpolitik und Finanzmärkte weitgehend unabhängig voneinander. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 greifen Zentralbanken immer wieder direkt ein, um Märkte zu stabilisieren – sei es in der Eurokrise oder während der Pandemie. Diese enge Verzahnung wird bleiben.

Wo sehen Sie derzeit die größten Chancen und Risiken an den internationalen Finanzmärkten?
Pietribiasi: Eine große Herausforderung ist die weltweit wachsende Staatsverschuldung. Die USA, China und auch viele europäische Länder müssen Wege finden, ihre Schulden tragfähig zu gestalten. Hinzu kommt der wachsende Populismus, der wirtschaftliche Vernunft oft überlagert. Das ist kein unmittelbares Risiko, aber ein langfristiger Unsicherheitsfaktor. Auf der anderen Seite entstehen enorme Chancen in neuen Märkten und Technologien – entscheidend ist, ausgewogen zu investieren.

Welche Anlageklassen halten Sie derzeit für besonders attraktiv?
Pietribiasi: Sowohl Aktien als auch Anleihen sind wieder interessant – aber für unterschiedliche Anlegertypen. Nach Jahren extrem niedriger Renditen bieten Anleihen wieder echte Alternativen für konservative Investoren. Aktien bleiben hingegen die Anlageklasse für langfristig orientierte Anleger. Wichtig ist eine intelligente Kombination – das richtige Maß an Diversifikation und Risikomanagement.

Wie ist Mediolanum International Funds aktuell positioniert?
Pietribiasi: Unsere Kunden halten aktuell etwa 55 bis 60 Prozent unseres gesamten verwalteten Vermögens in Aktien, der Rest ist in festverzinsliche Anlagen investiert. In der Vergangenheit lag der Aktienanteil sogar noch höher, da die Marktaussichten attraktiver waren. Nach den starken Kursentwicklungen haben viele Kunden zuletzt Gewinne realisiert und ihre Portfolios umgeschichtet. Unsere Wettbewerber hingegen sind häufig systematisch unterinvestiert in Aktien – und verpassen dadurch mitunter wichtige Wachstumschancen.

Planen Sie vor diesem Hintergrund strukturelle Anpassungen oder neue Produkte?
Pietribiasi: Viele Wir laufen keinen kurzfristigen Markttrends hinterher und versuchen auch nicht, den Markt zu „timen“. Unser Fokus liegt auf Diversifikation und einer langfristigen Anlagestrategie. Neue Produkte entwickeln wir nur, wenn sie echten Mehrwert für unser bestehendes Angebot bieten. Dank unserer Multi-Manager-Struktur können wir kurzfristige Chancen innerhalb unserer bestehenden Fonds nutzen – etwa durch Anpassung der Managerauswahl und der Asset-Allokation –, ohne neue Anlagevehikel auflegen zu müssen.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrer Anlagestrategie?
Pietribiasi: Eine sehr wichtige. Nachhaltigkeit ist kein ideologisches, sondern ein wirtschaftliches Thema. Unternehmen, die in Bereichen wie Energie, Mobilität oder Ressourceneffizienz innovativ sind, werden zu den Gewinnern des nächsten Jahrzehnts gehören. Wir investieren in Nachhaltigkeit, weil es ökonomisch sinnvoll ist – und weil es zugleich positive gesellschaftliche Effekte hat.

Fondsgebundene Versicherungen – die sogenannten Unit-Linked-Produkte – erleben gerade eine Renaissance. Wie ordnen Sie diesen Markt ein?
Pietribiasi: Diese Produkte sind ein zentraler Bestandteil unserer Strategie, insbesondere in Deutschland. Sie verbinden die Vorteile professionell gemanagter Mischfonds – mit einigen der weltweit erfolgreichsten Fondsmanager – mit den strukturellen und steuerlichen Vorteilen von Versicherungslösungen. Wir beobachten ein stark wachsendes Interesse sowohl bei neuen als auch bei bestehenden Kunden. Das liegt an den besonderen Merkmalen unserer fondsgebundenen Produkte: Sie ermöglichen einen systematischen und dynamischen Anlageansatz, der in Phasen erhöhter Marktvolatilität den Wechsel von Anleihen in Aktien beschleunigt – und damit den Cost-Averaging-Effekt optimal nutzt. In Deutschland bevorzugen wir den Vertrieb über Finanzberater. Dieses Partnerschaftsmodell erlaubt es uns, flexibel auf Marktveränderungen und die sich wandelnden Bedürfnisse der Kunden zu reagieren.

Wie hat sich das Anlegerverhalten zuletzt verändert?
Pietribiasi: Wir verzeichnen einen deutlichen Anstieg der Mittelzuflüsse – sowohl von neuen als auch von bestehenden Kunden – über monatliche Sparpläne sowie über unsere „Big Change“- und „Intelligent Investment“-Services. Diese Lösungen helfen besonders dabei, das Risiko zu streuen, indem sie den Einstieg in den Aktienmarkt über verschiedene Zeitpunkte verteilen – vor allem in Phasen hoher Bewertungen und Unsicherheit. Das ist eine gesunde und nachhaltige Entwicklung. Unsere Kunden investieren mit einem langfristigen Horizont, was perfekt zu unserer eigenen Anlagephilosophie passt.

Was erwarten Sie für die Kapitalmärkte in den kommenden zwölf Monaten?
Pietribiasi: Kurzfristige Marktprognosen sind naturgemäß unsicher. Deshalb setzen wir auf Strategien, die einen gestaffelten, systematischen Anlageansatz über längere Zeiträume hinweg verfolgen. So können Anleger von Marktschwankungen profitieren, statt von ihnen überrascht zu werden. Unser Ziel ist es, Kunden dabei zu helfen, Risiken zu verstehen und ihr Vermögen langfristig stabil und nachhaltig aufzubauen.

Interview: Benjamin Radeke und Frank O. Milewski, beide Cash.

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