„Es freut mich, dass die politischen Ränder geschwächt wurden und die Mitte gestärkt wurde, denn Deutschland kann nur aus einer Position der Mitte heraus regiert werden“, bewertete der frühere Bundesaußenminister und Vizekanzler Joschka Fischer das Ergebnis der Bundestagswahl in seinem Vortrag im Speaker’s Corner der DKM Forum hybrid in Dortmund.
„Ich bin nicht unfroh über den Ausgang der Bundestagswahl, aber es kommen große Herausforderungen auf die neue Regierung zu“, so Fischer. Zwar seien die Ziele des Pariser Abkommens verpflichtend von den meisten Staaten, darunter auch Deutschland, anerkannt worden, passiert sei seitdem jedoch kaum etwas. „Die neue Regierung muss jetzt liefern“, so Fischer. Das sei nicht nur im Kampf gegen den Klimawandel wichtig, sondern auch für die Koalitionsregierung, die nur bei einem Erfolg auch die Chance auf eine Weiderwahl habe.
„Ich sehe keine positiven Vorzeichen für die kommende Woche beginnende Weltklimakonferenz in Glasgow“, resümiert Fischer. Zu viele Baustellen seien seit Paris nicht angefasst worden. Dies sei aber dringend notwendig, um den immer dramatischeren Folgen des Klimawandels noch entscheidend entgegenzutreten. Gelinge dies nicht, müssten wir in Gesellschaft und Finanzindustrie, allem voran in der Versicherungswirtschaft, mit den negativen und vor allem sehr teuren Folgen des Klimawandels zurechtkommen.
Für Fischer ist die Zukunft Deutschlands und der Welt jedoch nicht nur durch die Folgen des Klimawandels gefährdert. Auch geopolitisch seien dramatische Verschiebungen im Gange, die von Deutschland kaum zu kontrollieren seien, aber erhebliche Auswirkungen auf den Fortbestand Deutschlands und seines Wohlstands haben werden.
Deutschland sei nach wie vor Exportweltmeister. Dies sei gut und gleichzeitig jedoch ein großes Problem. Denn Handelspartner Nummer eins für deutsche Exporte sei China, an zweiter Stelle stünden die USA. Beide Staaten seien sehr mit sich selbst beschäftigt, würden jedoch gleichzeitig mit für die Automobilindustrie hierzulande und die Digitalisierung wichtigen Produkten, Deutschland in einer starken Abhängigkeit halten. Aus dieser Abhängigkeit müsse sich Deutschland behutsam lösen, ohne dabei seine Exportmärkte in beiden Ländern zu gefährden.
Mit Spannung erwartet Fischer den Ausgang der Mid-Term-Wahlen in den USA im kommenden Jahr, die bereits einen ersten Hinweis darüber erlauben sollten, ob es mit einer politisch weltoffenen USA wie unter Biden weitergeht oder ob es zu einer Politik des „USA first“ wie unter Trump kommt. Letzteres sei wenig zielführend, um die Probleme gemeinschaftlich zu lösen.