Der Regen kam plötzlich. Erst nieselte es, dann prasselte es – und dann kamen die Sturzbäche. Als das Wasser auf der Straße stand, war klar, dass die Wassermassen nicht nur die Kanalisation, sondern auch unseren Keller überfluten würden. Innerhalb einer halben Stunde standen rund 75.000 Liter Schmutz- und Regenwasser im Keller meines Elternhauses im nördlichen Ruhrgebiet; etwa einen halben Meter hoch stand das Wasser im Keller. Erst am Abend pumpte die Feuerwehr die rund 150 Quadratmeter des Untergeschosses leer. Zurück blieben Feuchtigkeit in den Wänden, Schmutz, zerstörte Möbel und ein Gefühl der Verzweiflung. Auf über 50.000 Euro bezifferte die Versicherung damals den Schaden.
Wolken machen vor Deichen nicht halt. Auch vor rund einem Jahr, Mitte Mai 2024, sorgten sie für Dauerregen im Saarland und in Rheinland-Pfalz. Die Folge: Überschwemmungen und vollgelaufene Keller. Nur zwei Wochen später, Anfang Juni, zog ein Tiefdrucksystem aus dem aufgeheizten Mittelmeerraum über die Ostalpen nach Baden-Württemberg und Bayern. Und brachte massive Niederschläge mit sich. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurden in Buchenberg-Kreuzthal bei Kempten (Landkreis Oberallgäu in Bayern) zwischen dem 30. Mai und dem 3. Juni insgesamt 255,6 Liter Niederschlag pro Quadratmeter gemessen.
In Raubling-Pfraundorf im bayerischen Landkreis Rosenheim fielen 228,5 Liter pro Quadratmeter und in Untrasried-Maneberg im bayerischen Ostallgäu waren es 225 Liter pro Quadratmeter. Wenn Wolken solche Wassermassen über Land abladen, kann das richtig teuer werden.
Laut GDV sind in Bayern gut 47 Prozent aller Gebäude gegen Schäden durch Starkregen, Hochwasser oder Lawinen versichert, 53 Prozent nicht. Die höchste Versicherungsdichte beim erweiterten Elementarschutz in der Wohngebäudeversicherung weisen Nordrhein-Westfalen mit 58 Prozent und – mit deutlichem Abstand – Baden-Württemberg mit 94 Prozent auf. Dies liegt daran, dass in Baden-Württemberg bis 1994 alle Gebäudeeigentümer in einer öffentlich-rechtlichen Gebäudeversicherung gegen Feuer- und Elementarschäden pflichtversichert waren.
Am niedrigsten ist die Deckungsquote laut GDV in Bremen mit 33 Prozent. Es folgen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit jeweils 35 Prozent. Bemerkenswert ist, dass auch die Hausbesitzer in Schleswig-Holstein weitgehend auf Elementarschutz verzichten: In Deutschlands nördlichstem Bundesland, dessen Ostseebewohner im Oktober 2023 eine schwere Sturmflut und Schäden von rund 400 Millionen Euro verdauen mussten, liegt die Elementarquote bei nur 41 Prozent.
Das mag auch daran liegen, dass sich Hausbesitzer bisher darauf verlassen konnten, dass der Staat einspringt, wenn solche Elementarschäden eintreten. Ökonomen sprechen hier von einem „Charity Hazard“: Wer weiß, dass der Staat im Schadensfall auf jeden Fall hilft, hat kaum einen ausreichenden Anreiz, sich selbst zu versichern. Das soll sich nun ändern. Angesichts steigender Schadenssummen und einer bundesweit niedrigen Versicherungsdichte von rund 56 Prozent will die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz eine Kehrtwende vollziehen: Geplant ist eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden. Die immer wiederkehrenden Bilder von überschwemmten Landstrichen und abgesoffenen Häusern sowie die Milliardenbeträge, die zur Bewältigung der Schäden aufgewendet werden müssen, haben den Druck in den Parteien erhöht und dürften die politische Diskussion um die Notwendigkeit einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden auch dank der veränderten politischen Konstellation neu entfacht haben.
Ist die Versicherungspflicht der Königsweg?
„Grundsätzlich legt ein Blick auf die Zahlen nahe, dass eine Pflichtversicherung der einzige Weg zu sein scheint, um eine flächendeckende Absicherung zu erreichen. Denn so könnten auch gefährdeten Gebäuden Versicherungsschutz angeboten werden, die Stand heute keinen erhalten“, sagt denn auch Michael Schwarz, Leiter des Bereichs Produktmanagement Absicherung und Vorsorge bei MLP. Zudem würde die Solidarisierung des Risikos dazu führen, dass der Staat nicht nach jedem Großschadenereignis als Retter einspringen müsste.

Auch die Versicherer befürworten die Initiative prinzipiell. „Ein Opt-out-Modell kann ein sinnvoller Kompromiss zwischen Verantwortung und Eigenverantwortung sein – sofern es rechtssicher und praxistauglich umgesetzt wird. Wir wären produkt- und systemseitig darauf vorbereitet. Wichtiger ist uns aber, dass Prävention nicht untergeht. Eine Pflichtversicherung darf nicht dazu führen, dass bauliche oder digitale Vorsorgemaßnahmen vernachlässigt werden. Hier braucht es klare Anreize, etwa durch Beitragsrabatte oder Förderprogramme“, betont Johannes Frosch, Leiter des Geschäftsfeldes Prime Home bei der Bayerischen.
Bei MLP wählen nach Aussage von Schwarz bereits heute 80 Prozent der Kunden eine Elementargefahrendeckung – „auch ohne Verpflichtung“, wie er betont. „Grundsätzlich sollte mit Abschluss der Wohngebäudeversicherung die Elementarschadenversicherung als Bestandteil integriert sein“, so Schwarz. Ein Widerrufsrecht, das so genannte „Opt-Out-Modell“ hält der MLP-Experte nur dann für sinnvoll, wenn damit verbunden eindeutig über die Konsequenzen aufgeklärt wird, dass im Fall eines Elementarschadens keinerlei staatliche Hilfe zu erwarten sind.
So wird es beispielsweise beim Kieler Assekuradeur Domcura praktiziert. Wer beispielsweise dort auf den Starkregen-Baustein verzichten will, muss diesen aktiv abwählen und wird entsprechend über die Auswirkungen informiert. Laut Domcura-Vorstandschef Uwe Schumacher entscheiden sich auch bei Domcura rund 80 Prozent der Wohngebäudeversicherungskunden für den angebundenen Elementarschutz. Bei der Ergo haben im nach Angaben von Jens Birnbaum, Abteilungsleiter Produktmanagement und Produktentwicklung, 61 Prozent der Bestandskunden den Elementarschutz. „Im Neugeschäft erzielen wir Quoten von 70 bis 80 Prozent, die Bestandsdichte erhöht sich jährlich um ein bis zwei Prozent“, sagt Birnbaum. Ähnlich die Entwicklung bei der Barmenia. Beim Wuppertaler Versicherer lag die Anbindungsquote im Neugeschäft deutlich höher als im Bestand: Stand Ende September 2023, hatten sich 85,7 Prozent, für eine Elementarschadenversicherung entschieden, im Wohngebäudebestand waren es dagegen nur 61,5 Prozent.
Bei der Bayerischen liegt die Abdeckung im Bestand bei 75 Prozent. „Bei den Kunden, die unser Premium-Produkt wie die „Meine-eine-Police“ abgeschlossen haben, sogar bei über 85 Prozent“, erklärt Frosch. In Ergänzung bietet der Versicherer zudem einen Elementar-Solo-Baustein an. „Für Kunden, die Elementar nicht in ihrer bestehenden Wohngebäudeversicherung einschließen können, sich aber trotzdem versichern möchten“, so Frosch.
Bei der Alte Leipziger ist die Anbündelungsquote von Elementar im Bestand nach Aussage von Michael Neuhalfen, Vertriebsleiter der Alte Leipziger Versicherung auf 58 Prozent gestiegen, im Neugeschäft liegt sie aktuell 74 Prozent. „Die Vermittler sind durch die zunehmende Anzahl und die Schwere der Elementarschadenereignisse sensibilisiert und berücksichtigen dieses Risiko verstärkt in den Analyse- und Beratungsgesprächen“, erklärt Neuhalfen. Die Anbündelungsquote von Elementarrisiken steigt laut dem Vertriebsmann auch, weil die Kunden inzwischen aktiv den Versicherungsschutz nachfragen.
„Ob die Pläne wirklich ein Gamechanger werden, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab. Allein die neue Bewegung nach jahrelanger Hängepartie ist aber bereits ein positives Signal.“