EXKLUSIV

Elementarschäden: Was einen Opt-out überflüssig machen würde

Carsten Schrader
Foto: Plansecur
Carsten Schrader, Plansecur

Die Bundesregierung will, dass die Wohngebäudeversicherung künftig nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten wird. Was Finanzvertriebe davon halten.

Die Naturgewalten machen zunehmend Ernst: Heftige Überschwemmungen richten Jahr für Jahr Milliardenschäden an – quer durch alle Regionen Deutschlands. Zurück bleiben nicht selten Hauseigentümer, die ohne Versicherungsschutz buchstäblich vor dem Nichts stehen. Um diesem wiederkehrenden Drama einen Riegel vorzuschieben, plant die Bundesregierung die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung.

Konkret wollen Union und SPD, dass die Wohngebäudeversicherung im Neugeschäft nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten wird, und im Bestandsgeschäft sämtliche Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden. „Dabei prüfen wir, ob dieses Modell mit einer Opt-Out-Lösung zu versehen ist. Um eine langfristige Rückversicherbarkeit sicherzustellen, führen wir eine staatliche Rückversicherung Elementarschäden ein. Die Versicherungsbedingungen werden weitgehend reguliert“, heißt es im Koalitionsvertrag.


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Bei Finanzvertrieben stößt dieses Vorhaben durchaus auf Zustimmung – wenn man es mit weiteren Maßnahmen flankiert. „Grundsätzlich legt ein Blick auf die Zahlen nahe, dass eine Pflichtversicherung der einzige Weg zu sein scheint, um eine flächendeckende Absicherung zu erreichen. Denn so könnte auch gefährdeten Gebäuden Versicherungsschutz angeboten werden, die Stand heute keinen erhalten“, sagt Michael Schwarz, Leiter Absicherung und Vorsorge bei MLP. „Zudem würde eine Solidarisierung des Risikos dazu führen, dass der Staat nicht nach jedem Großschadenereignis als Retter einspringen muss.“ Auf der anderen Seite sei jedoch zu bedenken, dass eine Pflichtversicherung dazu führen könnte, dass der Staat weniger in präventive Maßnahmen wie Hochwasserschutz investiert und die Beiträge für den notwendigen Versicherungsschutz sehr viel teurer werden könnten. „Nicht zuletzt bedingt die Investition in ein Eigenheim immer auch, dass der Eigentümer sich selbst die Frage stellt, welche Ereignisse zu einem existentiellen Verlust führen könnten“, betont er.

Wünschenswert wäre deshalb ein Gesamtkonzept aus Prävention, Klimafolgenanpassung und Versicherung, meint Carsten Schrader, Produktmanager Gewerbliche Sachversicherungen bei Plansecur. „Am Anfang steht zum Beispiel eine Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigungen und diese kann direkt zu einem Bauverbot in gefährdeten Gebieten führen. Das Naturgefahrenportal des Deutschen Wetterdienstes sollte darüber hinaus ausgebaut werden, sodass Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer schnell und einfach erkennen können, wie hoch das Risiko in ihrer Region ist und welche Schutzmaßnahmen zu empfehlen sind“, so Schrader. Herausforderungen bestehen seiner Einschätzung nach in der rechtssicheren Integration der Elementarschadenabsicherung in bestehende Verträge, die eine sorgfältige Abwägung zwischen Vertragsfreiheit und Gemeinwohlinteresse erfordert. Es bleibe abzuwarten, ob eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung gefunden wird – insbesondere mit Blick auf die Prämienhöhe. „Möglicherweise werden flankierende Maßnahmen wie staatliche Rückversicherungsmodelle nach wie vor nötig sein“, sagt er.

Auch das viel diskutierte „Opt-out“-Modell stellt für Schwarz eine sinnvolle Lösung dar – dann jedenfalls, wenn damit verbunden eindeutig über die Konsequenzen aufgeklärt wird – zum Beispiel, dass im Fall eines Elementarschadens keinerlei staatliche Hilfen zu erwarten sind. Einen interessanten Ansatz bietet laut Schrader die Schweiz: „Der Elementarschadenpool ist ein freiwilliger Zusammenschluss privater Versicherungen zum besseren Risikoausgleich bei Elementarschäden. Außerdem kauft dieser Pool für seine Mitglieder auf dem globalen Markt Rückversicherungsschutz ein.“ Das Konzept beruhe auf einer doppelten Solidarität. „Naturkatastrophen können nur dann angemessenen und mit bezahlbarer Prämie versichert werden, wenn sich sowohl Versicherte als auch Versicherer solidarisch verhalten und das Risiko gemeinsam tragen. Alle Versicherten bezahlen für die Elementarschadenversicherung denselben Prämiensatz. Der Gesetzgeber untersagt, in besonders gefährdeten Gebieten eine höhere Prämie zu verlangen. Dieser Solidargedanke würde das Widerspruchsrecht überflüssig machen.“

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