Veränderung ist heute Dauerzustand. Corona hat gezeigt, wie in wenigen Wochen neue Arbeitsmodelle wie das mobile Arbeiten ganze Organisationen auf den Kopf stellen können. Digitalisierung, Fachkräftemangel und geopolitische Unsicherheiten verstärken nun seit geraumer Zeit diesen Druck. Und dann sind da noch die großen Transformationsprojekte, die Unternehmen aus eigener Kraft anstoßen. Wie der Zusammenschluss von SDK und Stuttgarter unter dem Leitmotto „Vereint stärker“. All das zeigt: Führung ist nicht nur Begleiterin von Veränderung, sondern Treiberin.
Führung ist Treiber – oder sie ist gar nichts
Natürlich muss Führung auf äußere Faktoren reagieren. Die Pandemie war ein solches Beispiel, das neue Modelle erzwang, bevor Führungskultur darauf vorbereitet war. Aber die eigentliche Bewährungsprobe beginnt, wenn Unternehmen selbst Veränderung initiieren. Strategische Leitbilder können dann zwar Richtung geben.
Ob daraus Realität wird, hängt jedoch an der Führungsarbeit. Führungskräfte übersetzen Strategie in konkrete Schritte, begleiten Menschen in Unsicherheit und halten den Wandel am Laufen. Meine Überzeugung ist klar: Wer nur verwaltet, führt nicht. Wer nicht gestaltet, verliert.
Heterogenität heißt nicht Quote, sondern Reibung
Wenn ich von Heterogenität in Führung spreche, geht es nicht um das Zählen von Frauen- und Männerquoten. Vielfalt bedeutet mehr: unterschiedliche Denkweisen, verschiedene Führungsstile, andere Herangehensweisen an Probleme. Heterogenität ist unbequem. Sie macht Diskussionen anstrengender. Aber genau das brauchen wir.
Denn in zu homogenen Runden entstehen blinde Flecken. Man hört sich selbst zu, statt wirklich neue Perspektiven einzubeziehen. Heterogene Gremien dagegen bringen unterschiedliche Sichtweisen zusammen – und genau daraus entstehen Entscheidungen, die tragfähiger sind. Im Zusammenschluss von SDK und Stuttgarter gilt das in besonderem Maße. Wenn wir wirklich „Vereint stärker“ sein wollen, dürfen wir Unterschiedlichkeiten nicht glätten, sondern müssen sie produktiv machen.
Diskurskultur ist mehr als Kaffeeküche
Führung heißt auch, Diskursräume zu öffnen. Ich persönlich erwarte immer, dass Themen offen und kontrovers diskutiert werden. Dass dabei nicht die lautesten Stimmen den Ton angeben, sondern die besten Argumente. Wer nur die Schlagkräftigsten reden lässt, trifft keine guten Entscheidungen.
Aber: Diskussion allein reicht nicht. Irgendwann braucht es eine klare Entscheidung. Und ja, es gibt Themen, bei denen es kein eindeutiges Richtig oder Falsch gibt. Genau dann braucht es eine Entscheidungshierarchie. Jemand muss Verantwortung übernehmen. Deshalb mein Grundsatz: Keine Angst vor argumentativen Auseinandersetzungen, aber am Ende eine klare Linie.
Führung im Schwebezustand
Besonders anspruchsvoll ist Führung in Phasen, in denen nicht alles sofort geklärt werden kann. Im Zusammenschluss von SDK und Stuttgarter gab und wird es viele Fragen geben, die erst in einigen Jahren abschließend beantwortet werden. Manche Entscheidungen müssen mit neuem Wissen nachjustiert werden. Das erzeugt Unsicherheit. Aber genau dann zeigt sich, wie ernst Führung genommen wird: Mitarbeitende dürfen nicht allein gelassen werden. Führung heißt, Orientierung zu geben, auch wenn nicht auf jede Frage sofort eine Antwort da ist. Wer in solchen Phasen schweigt oder vertröstet, verspielt Vertrauen.
Kultur wird nicht gemalt – sie wird gelebt
Zu oft habe ich erlebt, dass Kultur auf bunten Folien entworfen wird. Das ist wertlos. Kultur entsteht nicht am Whiteboard, sondern im Alltag. Sie entsteht durch Verhalten, durch Haltung, durch das Vorleben von Führungskräften – und zwar vom Vorstand bis in die Teams. Im Zusammenschluss von SDK und Stuttgarter bedeutet das: Führungskräfte müssen das Leitmotiv „Vereint stärker“ durch ihr Handeln sichtbar machen. Sie müssen Prioritäten setzen, Orientierung geben und die Mitarbeitenden auch in schwierigen Momenten begleiten. Kultur ist kein theoretisches Zielbild, sondern gelebte Praxis.
Die Führung von morgen
Wie sieht gute Führung in fünf Jahren aus? Für mich steht fest: Erfolgreiche Unternehmen werden die sein, die Unternehmertum auf allen Ebenen fördern. Ich will Mitarbeitende sehen, die Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen – und Freude daran haben, mitzugestalten. Natürlich passieren dabei Fehler. Aber Führung muss dafür sorgen, dass Fehler nicht das Ende sind, sondern ein Lernprozess. Meine feste Überzeugung: Nicht getroffene Entscheidungen richten oft mehr Schaden an als falsche Entscheidungen, die man korrigieren kann. Geschwindigkeit und Korrekturfähigkeit sind zwei Seiten derselben Medaille.
Mein Fazit
Wandel ist nicht das Problem. Wandel ist die Normalität. Das eigentliche Problem entsteht, wenn Führung nur zuschaut oder Angst hat, Entscheidungen zu treffen. Führung entscheidet, ob aus Veränderung Zukunft wird oder Stillstand. Sie muss Haltung zeigen, Vielfalt zulassen, Diskurs ermöglichen und Kultur vorleben. Genau das wollen wir beim Zusammenschluss von SDK und Stuttgarter beweisen: „Vereint stärker“ ist nicht nur ein Motto, sondern ein Führungsauftrag. Und ich bin überzeugt: Wenn Führung mutig, ehrlich und sichtbar Haltung zeigt, gelingt auch der Wandel.
Dr. Guido Bader ist Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung