„Für bis zu 60 Prozent des Bürobestands besteht ein Obsoleszenz-Risiko“

Moderne Bürotürme
Foto: Bildagentur PantherMedia / JanPietruszka
Für Büroflächen sind vielfach neue Nutzungskonzepte notwendig (Symbolbild).

Der Vermietungsmarkt für Büroflächen hat sich auf niedrigem Niveau stabilisiert, ein Aufschwung wird aber frühestens 2024 erwartet, berichten vier Immobilienunternehmen. Risiken bestehen vor allem für veraltete Flächen und Gebäude in Randlagen.

Dies wurde auf einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz mit Vertretern der Immobilienberatung Colliers, des Investmentmanagers HIH Invest Real Estate, des Baudienstleisters ISG und des Service-Anbieters Scaling Spaces deutlich.

Demnach stiegen die Spitzenmieten für Büroflächen weiter, aber verlangsamt und für Mieter rücken neben der Kaltmiete die Betriebskosten in den Vordergrund. Steigerungen der Mieterträge sind aber wegen gesunkener Kaufpreisfaktoren (Verhältnis zwischen Kaufpreis und Jahresmiete) essentiell, damit Investments in Büroimmobilien in der aktuellen Marktsituation mit allenfalls stabilen Immobilienwerten rentabel bleiben.

Mieten wirken als wesentlicher Treiber für die laufende Rendite von Immobilieninvestments und tragen überdurchschnittlich zur Wertsicherung der Immobilieninvestments bei. Die höheren laufenden Renditen seien wiederum notwendig, um das gestiegene Miet- und Marktrisiko einzupreisen und gegenüber anderen Anlagearten konkurrenzfähig zu bleiben. Gleichzeitig nehme die lagebezogene Spreizung an den Vermietungsmärkten signifikant zu und viele Mieter sind kostensensibler geworden – ein Spannungsfeld.

Colliers: Schwache Konjunktur dämpft Büromarkt

Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers: „Aktuell nehmen wir eine Stabilisierung des Büromarkts auf niedrigem Niveau wahr – eine Erholung erwarten wir allerdings erst ab 2024. Unternehmen sind durch das konjunkturelle Umfeld immer noch sehr zögerlich, was die langfristige Entscheidung für einen Standort betrifft. Gleichzeitig werden nach wie vor viele Büroprojekte fertiggestellt. Die Kombination aus Zurückhaltung der Nutzer und hoher Flächenverfügbarkeit treibt die Leerstandsquote an, wenngleich sie mit derzeit 5,3 Prozent weiter im marktneutralen Bereich verharrt.“

Trotz der steigenden Leerstände beobachtet Trumpp weiterhin steigende Spitzenmieten, allerdings bei nachlassender Dynamik: „Nutzer fokussieren sich zunehmend auf zentralere urbane Lagen mit guter Anbindung. Hier wird weniger Fläche, dafür aber in sehr hochwertiger Qualität nachgefragt. Die Leerstände beziehen sich demnach zumeist auf Randlagen beziehungsweise auf ältere Bestandsgebäude. Darüber hinaus gerät der Büroflächenbestand durch die Regulatorik und vor allem die Dekarbonisierung zunehmend unter Druck. Für bis zu 60 Prozent des Bürobestands besteht ein Obsoleszenzrisiko“, also die Gefahr, dass sie unbrauchbar werden.

HIH Invest: Mieterhöhungen mit Augenmaß

„Für die von uns verwalteten Bürobestände sehen wir zwei Stellschrauben für die Mieterträge“, berichtete Alexander Eggert, Geschäftsführer der HIH Invest. „Zum einen gilt es, sie nachhaltig zu steigern. 93 Prozent aller von der HIH verwalteten Büromietverträge sind über Indexierung oder Staffelung wertgesichert. Die Mietanpassungen werden in der Regel vertragsgemäß durchgeführt, zuvor aber individuell geprüft.“

Denn nicht in jedem Fall rechne es sich, die Mieterhöhung durchzusetzen. „Wenn Mieter die Steigerung nicht mittragen und ausziehen, entstehen Mietausfall sowie Kosten durch Renovierung und Vermarktung. Ausschlaggebend für Mieter ist nicht nur die Entwicklung der Kaltmiete, sondern zunehmend auch die Höhe der Betriebskosten. Gelingt es, den Anteil der Betriebskosten zu reduzieren, lässt sich meist eine höhere Kaltmiete generieren. Zum anderen haben wir das Ziel, Leerstand zu vermeiden beziehungsweise die Auslastung zu erhöhen. Unser Vermietungsstand beträgt aktuell circa 97 Prozent“, so Eggers.

ISG: Umwandlung in Multi-Tenant und Untervermietung

Aus der Perspektive eines Baudienstleisters mit dem Ziel, Büroflächen optimiert und zukunftsorientiert zu gestalten, berichtete Harry Tettinger, Director Operations Germany bei ISG: „Eine Maßnahme, Leerstandsquoten von Büroflächen zu senken, ist die Umwandlung einer Single- in eine Multi-Tenant-Immobilie und in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, nicht genutzte Flächen unterzuvermieten. Dazu muss zunächst die Kompatibilität für mehrere Mietparteien geprüft werden: Welche Rahmenbedingungen bringt der Standort mit sich, handelt es sich bei den Mietern um Unternehmen mit konservativen Unternehmensstrukturen oder Start-ups, wie steht es um die ESG-Konformität? Im nächsten Schritt betrachten wir die bauliche Umsetzbarkeit für eine Untervermietung, wie das Vorhandensein von Empfangsbereichen, Treppenhäusern, Sicherheits- und Zugangsregelungen.“

Nach einer 2022 von ISG durchgeführten Studie verzeichnen Unternehmen eine Umsatzsteigerung von 23,5 Prozent, nachdem sie in moderne Büros und flexible Arbeitsmodelle investiert haben. „Um also für den ‚War for Talents‘ gewappnet zu sein und dem Home-Office-Trend entgegenzuwirken, müssen sowohl Single- als auch Multi-Tenant-Modelle zeitgemäß gestaltet werden“, so Tettinger.

Scaling Spaces: Zusätzlicher „Phantomleerstand“

Martin Ballweg, Gründer und CEO von Scaling Spaces, berichtete: „Die nominellen Leerstandsraten steigen immer weiter an. Hinzu kommt der Leerstand in vermieteten Büroflächen, die von den Unternehmen nicht mehr benötigt werden. Daher würde ich hier von einem Phantomleerstand sprechen, der sich aus dem mittlerweile etablierten Home Office in der Arbeitswelt und der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage ergibt.“ Für solche ungenutzten Flächen biete das Unternehmen ein „Flex-Office-Konzept“, das schnell und unkompliziert die Untervermietung ermögliche. „Die Unternehmen können dann Geld mit ihren angemieteten Flächen verdienen – auch als Überbrückungslösung, falls sie die Flächen später wieder selbst benötigen“, so Ballweg.

Das Dienstleistungsangebot von Scaling Spaces umfasst den Angaben zufolge unter anderem, dass Scaling Spaces Flächen als Untermieter anmietet und eine Miete in Abhängigkeit des Umsatzes an den Hauptmieter zahlt. Scaling Spaces betreibt demnach momentan sechs Standorte in Berlin, in denen Flex-Office-Flächen und Coworkingplätze angemietet werden können.

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