Gegen „Greenwashing“: Was eine neue EU-Richtlinie regeln soll

Bildagentur PantherMedia / tbtb
Das Thema „Greenwashing“ ist bei den nationalen Verbraucherschutzbehörden und Wettbewerbskammern der Landgerichte längst angekommen.

Mit der „Green Claims Directive“ veröffentlichte die EU-Kommission im März einen Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Verbrauchern und Unternehmen vor unzulässigen umweltbezogenen Angaben. Dies unterstreicht die Bedeutung von Greenwashing als neue Risikoklasse. Gastbeitrag von Dr. Daniel Pehle, Mazars

Nur solche Angaben, die in nachweisbarer Form für das jeweilige Unternehmen oder Produkt erheblich sind, sollen künftig zulässig sein. Damit soll dem Umstand entgegengewirkt werden, dass nach den Feststellungen der Kommission im Binnenmarkt Produkte mit umweltbezogenen Merkmalen beworben werden, deren Gewichtung in Bezug auf das Produkt oder das Unternehmen teilweise als nahezu unbeachtlich zu bewerten ist. Eine deutliche Bewerbung mit Umweltaspekten soll also auch eine Erheblichkeit für das Produkt oder Unternehmen belegen. Zudem sollen sämtliche diesbezügliche Informationen in belastbarer und für Dritte nachvollziehbarer Form vorliegen.

Neben der Herausbildung glaubwürdiger Umweltangaben und -kennzeichnungen sollen mit dieser Richtlinie auch die Rechtssicherheit in Bezug auf Umweltklagen erhöht und vergleichbare Wettbewerbsbedingungen in der Europäischen Union geschaffen werden. Die Richtlinie richtet sich an natürliche und juristische Personen in der EU, die ausdrückliche und/oder vergleichende Angaben zu positiven, umweltbezogenen Merkmalen ihrer Produkte, Dienstleistungen oder ihres Geschäfts gegenüber Verbrauchern machen oder zu diesen Zwecken Umweltkennzeichnungen, wie etwa Siegel, benutzen.

Betroffen sollen dabei alle Waren und Dienstleistungen, einschließlich Immobilien, Finanzprodukte und -dienstleistungen sowie auch digitale Dienstleistungen und digitale Inhalte, Rechte und Verpflichtungen sein. Lediglich Kleinstunternehmen (mit weniger als zehn Mitarbeitenden und unter zwei Millionen Euro Jahresumsatz und/oder Bilanz) sollen von den nachfolgenden Substantiierungspflichten zu beiden Angabe-Typen unberührt bleiben.

Angaben zu ausdrücklichen, umweltbezogenen Positiv-Merkmalen

Angaben zu ausdrücklichen, umweltbezogenen Positiv-Merkmalen muss gemäß dem Vorschlag eine detaillierte Beurteilung vorausgehen, die die Angaben substantiiert. Die Richtlinie stellt dazu verschiedene Anforderungen, die eine valide Substantiierung erfüllen muss, wie beispielsweise die Zugrundelegung anerkannter wissenschaftlicher Evidenz. Hinzu kommen Anforderungen an die Kommunikation solcher Angaben. Werden beispielsweise Endprodukte in dieser Weise beworben und zählt die Produktnutzungsphase durch den Endverbraucher zu den relevantesten Phasen des Produktlebenszyklus, sind Angaben zu ausdrücklichen, umweltbezogenen Positiv-Merkmalen um Informationen darüber zu ergänzen, wie das Produkt zu nutzen ist, um den erwarteten Umwelteffekt zu erzielen. In der Praxis wird auch mit kumulierten Umweltauswirkungen geworben. Diese sollen nur noch zulässig sein, wenn die Berechnung der aggregierten Indikatoren EU-Recht entspricht und sogleich offengelegt wird. Die weitergehenden Produkt- und/oder Unternehmensinformationen müssen nicht zwingend auf oder bei dem Produkt liegen, sondern können auch in Textform unter Nutzung von Weblinks, QR-Codes oder vergleichbaren Quellen zur Verfügung gestellt werden.

Vergleichende Angaben zu ausdrücklichen, umweltbezogenen Positiv-Merkmalen

Für Angaben zu ausdrücklichen, umweltbezogenen Positiv-Merkmalen, die implizieren, dass ein Produkt oder Unternehmen eine bessere Umwelt-Performance aufweist oder weniger Umweltbelastung erzeugt als andere Produkte oder Unternehmen, sollen zusätzliche Substantiierungspflichten gelten. Beispielswiese sollen die dem Vergleich zugrundeliegenden Informationen und Daten, denen, die der eigentlichen Angabe zugrunde liegen, gleichwertig sein und in gleicher Weise erhoben oder bezogen werden. Sofern sich solche Angaben auf eine ökologisch relevante Verbesserung eines Produkts im Vergleich zu einem anderen Produkt desselben Unternehmens, eines nicht mehr am Markt aktiven Wettbewerbers oder eines Wettbewerbers, der nicht mehr an Verbraucher verkauft, beziehen (fehlende Vergleichsbasis), soll ihre Substantiierung darlegen, im Vergleich zu welcher zeitlichen Ausgangsbasis die angegebene Verbesserung andere ökologische Vorteile birgt. Zudem sollen vergleichende Umweltangaben mit Bezug zu einem anderen Produkt desselben Unternehmens oder ohne die beschriebene Vergleichsbasis zu Wettbewerberprodukten nur zulässig sein, wenn nachgewiesen ist, dass die Verbesserung signifikant ist und in den letzten fünf Jahren erfolgte.

Umweltkennzeichnungen und -kennzeichnungsverfahren

Verwenden Unternehmen für sich oder ihre Produkte Umweltkennzeichnungen, wie Siegel, Zertifizierungen etc., sollen diese denselben vorgenannten Anforderungen an Substantiierung, Kommunikation und Verifizierung (siehe nächster Abschnitt) unterliegen. An Umweltkennzeichnungsverfahren stellt der Richtlinienvorschlag weitere Anforderungen. Zu diesen zählen transparente Informationen zu den Eigentümern und Entscheidern hinter den Verfahren, kostenloser Zugang zu sowie einfache Verständlichkeit und wissenschaftliche Qualität des Verfahrens.

Überprüfung durch Unternehmen und Behörden

Unternehmen sollen sicherstellen, dass Informationen, auf denen beworbene, umweltbezogene Positiv-Merkmale beruhen, sowohl anlassbezogen, als auch mindestens alle fünf Jahre überprüft werden. In den Mitgliedstaaten sollen Prüfstellen eingerichtet und Verfahren definiert werden, mit denen die Einhaltung der umweltbezogenen Aussagen durch eine Behörde überprüft werden können. Hier wird sicherlich noch nachgearbeitet werden müssen, denn im innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr darf es nicht zu unterschiedlichen Anforderungen bei der Überprüfung umweltbezogener Angaben kommen.

Beschwerderecht für Alle

Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll bei einem Verstoß gegen diese Richtlinie jeder mit einem berechtigten Interesse ein Beschwerderecht gegenüber der jeweiligen Wettbewerbsaufsicht haben. Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen sollen stets ein berechtigtes Interesse haben. Bei sonstigen Personen (zum Beispiel Wettbewerber oder Verbraucher) wäre das berechtigte Interessen nach den allgemeinen Regeln des Wettbewerbsrecht zu ermitteln. Nimmt die jeweilige Aufsicht einen Verstoß gegen die Richtlinie selbst oder aufgrund einer Beschwerde wahr, soll sie mit einer Frist von 30 Tagen dem Unternehmen auferlegen, alle geeigneten Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Bei europaweit vertreibenden Handelsgesellschaften beispielsweise ist das eine sehr kurze Frist, die vermuten lässt, dass dies vielfach in Rechtsschutzverfahren führen wird.

Sanktionen

Die vorgesehenen Strafen sollen intensiv wirken, wobei den Mitgliedstaaten die konkrete Ausgestaltung obliegen soll. Der Sanktionskatalog reicht von

– vorübergehendem Ausschluss aus öffentlichen Vergabeverfahren für maximal zwölf Monate bis zu

– Geldbußen in Abhängigkeit des erwirtschafteten Gewinns aus dem Richtlinienverstoß und des Jahresumsatzes des Unternehmens und

– Einziehen von Einnahmen aus dem betroffenen Geschäft.

Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie

Sollte der Kommissionvorschlag finalisiert und im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, würde er 20 Tage nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten, wobei diese erst 24 Monate nach Inkrafttreten angewandt werden soll.

Die lange Frist ist trügerisch und sollte nicht zum Verweilen im Status quo animieren. Das Thema „Greenwashing“ ist bei den nationalen Verbraucherschutzbehörden und Wettbewerbskammern der Landgerichte längst angekommen und es besteht bereits eine gute (aber nicht einheitliche) Kasuistik zu „grünen“, wettbewerbsverschiebenden Angaben und Aussagen zu Produkten und Unternehmen. In anstehenden Verfahren werden die veröffentlichten Vorstellungen der EU-Kommission zwar nicht als Rechtsgrundlage dienen, aber sicherlich bei den Entscheidungsgründen Beachtung finden.

Daniel Pehle ist Salary Partner bei Mazars in München und unterstützt Mandanten in den Bereichen ESG, Digitalisierung und Wachstum.

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