Gothaer KMU-Studie 2023: Fachkräftemangel auf Rekordhoch

Bauarbeiter auf der Baustelle
Foto: PantherMedia / ArturVerkhovetskiy
Die Beschäftigung Älterer steigt bereits.

Demografischer Wandel, unbesetzte Ausbildungsplätze oder unzureichende berufliche Qualifikation – der Fachkräftemangel in Deutschland hat viele Ursachen. Fakt ist: Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wird es immer schwieriger, im Wettbewerb um Personal zu bestehen. Aufgegeben haben sie den Kampf aber noch nicht, wie eine aktuelle Studie zeigt.

53 Prozent der befragten kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland geben in der aktuellen KMU-Studie der Gothaer an, Schwierigkeiten zu haben, Arbeitskräfte zu finden und an ihr Unternehmen zu binden. Das sind sieben Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und 13 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2021.

Auffällig dabei sind die Unterschiede zwischen kleinen und größeren Unternehmen: Während 29 Prozent der Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitenden vor dieser Herausforderung stehen (plus ein Prozentpunkt im Vergleich zu 2022), sind es bei den Unternehmen mit einer Größe von elf bis 20 Mitarbeitenden schon mehr als die Hälfte (51 Prozent; plus sieben Prozentpunkte). Bei mittleren und größeren Unternehmen mit einer Belegschaft von 21 bis 200 beziehungsweise 201 bis 500 Personen ist das Problem der Mitarbeitergewinnung und -bindung noch ausgeprägter. Im Vergleich zu 2022 sind bei ihnen die Werte um sieben beziehungsweise 17 Prozentpunkte auf 65 beziehungsweise 71 Prozent gestiegen.

Kampf um Talente: Nichtstun ist keine Option

Angesichts des drastischen Arbeitskräftemangels können sich Unternehmen Tatenlosigkeit beim Thema Arbeitgeberattraktivität nicht mehr leisten, schlussfolgern die Studienautoren. Und die Studienergebnisse bestätigen dies: Nur sechs Prozent der befragten Unternehmen ergreifen keine Maßnahmen. Im Vorjahr waren es noch 18 Prozent.

Auf Platz 1 der genutzten Möglichkeiten, um Mitarbeitende zu gewinnen und zu binden: flexible Arbeitszeiten. 47 Prozent der befragten Unternehmen, und damit drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr, setzen auf Vereinbarungen, die von einer festgelegten Kernarbeitszeit abweichen. Dazu gehört auch das Homeoffice. Mit 41 Prozent, ebenfalls ein Plus von drei Prozentpunkten gegenüber 2022, ist die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten, die zweitbeliebteste Maßnahme, um Personal zu binden und zu finden.

Besonders auffällig: Während größere Unternehmen mit erhöhtem Personalmangel häufiger auf die genannten Maßnahmen setzen, sind die Steigerungsraten bei kleineren Unternehmen deutlich höher. Boten 2022 noch 28 Prozent der Unternehmen mit ein bis zehn Beschäftigten ihren Angestellten die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, sind es in diesem Jahr bereits 36 Prozent.

Bei Unternehmen mit 201 bis 500 Mitarbeitenden wird Homeoffice bereits wesentlich häufiger angeboten. Hier stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 54 auf 55 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den flexiblen Arbeitszeiten. Diese nutzen heute 42 Prozent der Kleinstunternehmen (plus sieben Prozent) und 55 Prozent der Großunternehmen (minus ein Prozent). Ein Indiz dafür, dass sich auch die kleineren Unternehmen zunehmend dem Kampf um Personal stellen.

Spannend: Das attraktive Gehalt kommt mit 39 Prozent der Nennungen (plus zwei Prozentpunkte) erst auf Rang 3.

bAV mit Zuwächsen bei größeren Unternehmen

Auf Rang 4 der Maßnahmen rangiert dann die betriebliche Altersvorsorge (bAV). 30 Prozent der KMU – und damit ebenso viele wie im Vorjahr – bieten ihren Mitarbeitenden inzwischen eine bAV an. Nach Angaben der Gothaer ist sie damit die beliebteste Versicherung zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität und ein etabliertes Mittel zur Personalgewinnung und -bindung.

Auffällig sind jedoch die Unterschiede zwischen den Unternehmensgrößen. Während 43 Prozent (plus drei Prozentpunkte) der Großunternehmen eine bAV im Programm haben, sind es bei den Kleinstunternehmen nur zwölf Prozent (2022: 13 Prozent). „Viele kleine Unternehmen wissen wahrscheinlich nicht, dass sie das Angebot einer bAV auch mit einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Mitarbeitern wahrnehmen können. Hier sehen wir uns als Versicherer in der Pflicht, stärker in die Aufklärung zu gehen“, sagt denn auch Oliver Brüß, Vertriebsvorstand der Gothaer.

Auf den weiteren Plätzen folgen Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten (27 Prozent; minus ein Prozentpunkt), gratis Obst und Getränke (24 Prozent; plus zwei Prozentpunkte) sowie Zeitwertkonten (18 Prozent; erstmals abgefragt).

Interesse an Gesundheitsthemen wächst

Deutlich gestiegen ist der Anteil der Unternehmen, die ihrem Personal eine betriebliche Gesundheitsförderung anbieten. Waren es 2022 noch 13 Prozent der Unternehmen, so sind es in diesem Jahr bereits 18 Prozent. Auch die betriebliche Krankenversicherung (bKV) legt weiterhin zu. Mittlerweile setzen 14 Prozent der Arbeitgeber, ein Plus von einem Prozentpunkt, diese als Maßnahme zur Mitarbeitendengewinnung und -bindung ein.

„Diese Entwicklung zeigt uns, dass Gesundheit auch im beruflichen Kontext zu einem zentralen Thema wird. Neben der Stärkung der Arbeitgebermarke geht es dabei auch um personalwirtschaftliche Ziele. Gerade mittelständische Unternehmen können sich vor dem Hintergrund eines großen Veränderungs- und Wettbewerbsdrucks keine hohe Personalfluktuation oder lange Ausfallzeiten ihrer Mitarbeitenden leisten“, sagt Dr. Sylvia Eichelberg, Vorstandsvorsitzende der Gothaer Krankenversicherung.

Weitere Versicherungsleistungen mit Luft nach oben

13 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) der Unternehmen setzen auf eine betriebliche Unfallversicherung für ihre Belegschaft, die über die gesetzliche Absicherung hinausgeht. Sie liegt damit gleichauf mit dem Jobticket. Neu in die Befragung aufgenommen wurden Maßnahmen zur Absicherung der Arbeitskraft wie Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherungen. Zehn Prozent der befragten Unternehmen haben sie im Portfolio, um sich im Kampf um Personal von der Konkurrenz abzuheben.

„Ein Unfall oder eine schwere Erkrankung kann jeden treffen. Wer aber auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit oder aber Berufsunfähigkeit den bisherigen Lebensstandard halten möchte, kommt an einer Absicherung der eigenen Arbeitskraft nicht vorbei. Das sollten nicht nur Einzelpersonen bedenken, sondern auch Arbeitgeber, die sich über das Angebot von Direkt- und Kollektivversicherungen gegen Berufsunfähigkeit als attraktiver Arbeitgeber profilieren können“, sagt Michael Kurtenbach, Vorstandsvorsitzender der Gothaer Lebensversicherung.

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