Im Mittelpunkt stehen einer Mitteilung des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung zufolge mehr Renditechancen am Kapitalmarkt, einfache Prozesse, eine starke betriebliche Säule sowie Wahlfreiheit der Produkte und Vertriebswege „Deutschland hat kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem,“ sagt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW. Unter anderem fordert der Verband ein kapitalgedecktes Altersvorsorgekonto, eine grundlegende Reform der Riesterrente, eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge und der unabhängigen Beratung.
„Altersvorsorge muss für die Menschen einfacher, renditestärker und verlässlich werden. Genau dafür stehen unsere zehn Thesen: weniger Bürokratie, mehr Wahlfreiheit und Beratung, die ankommt. Ein flexibles Altersvorsorgekonto statt Garantiezwang, eine entschlackte Riester-Förderung, eine bAV mit Opt-out – auch außerhalb der Tarifbindung –, weniger Bürokratie für kleine und mittlere Unternehmen und die klare Einbindung unabhängiger Beratung. So kommen Reformen bei den Menschen an“, so Wirth weiter.
Die zehn Thesen auf einen Blick:
- Kapitalgedecktes Altersvorsorgekonto einführen: flexibel, renditeorientiert, anbieter- und vertriebsneutral.
- Riester grundlegend reformieren: Bestand schützen, Bürokratie abbauen, fondsbasierte Optionen stärken, Auszahlphase flexibilisieren.
- Frühstart-Rente umsetzen und verzahnen: Finanzbildung früh fördern, nahtlosen Übergang in erwachsene Vorsorge ermöglichen.
- Gesetzliche Rente generationengerecht stabilisieren: Automatismen stärken, teure Sonderwege überprüfen.
- Kultur der kapitalmarktbasierten Vorsorge fördern: verständliche Information, klare steuerliche Anreize, weniger Vorurteile gegen Aktien und Fonds.
- Betriebliche Altersvorsorge stärken: Opt-out-Modell auch ohne Tarifbindung ermöglichen, KMU-tauglich ausrollen, Förderung für Geringverdienende praxistauglich gestalten – ohne zusätzliche Bürokratie.
- An erfolgreichen Auslandsmodellen orientieren: Prinzipien übernehmen, ohne deutsche Besonderheiten zu ignorieren.
- Unabhängige Beratung stärken: qualifizierte Vermittlerinnen und Vermittler als Reichweiten- und Vertrauensanker einbinden.
- Keine Ausschlüsse von Vertriebswegen: Wahlfreiheit sichern; fairer Wettbewerb der Kanäle statt Monopole.
- Bürokratie abbauen und digitalisieren: Prozesse vereinfachen, Kosten senken, Akzeptanz erhöhen.
„Der ‚Herbst der Reformen‘ ist die Chance, jetzt die Weichen für Jahrzehnte zu stellen,“ so Wirth. „Unsere Thesen sind ein Angebot an die Politik: Wir bringen Praxiswissen ein, damit Reformen zügig und wirksam umgesetzt werden.“
Die Forderungen im Detail:
- Einführung eines privat organisierten, kapitalgedeckten Altersvorsorgekontos: Schaffung eines flexiblen Altersvorsorgedepots ohne Garantievorgaben und Leibrentenpflicht, aber mit Beratungspflicht bei Abschluss für alle Bürgerinnen und Bürger – unabhängig von der Produktgattung und mit freier Anbieterwahl. Dieses staatlich geförderte Vorsorgekonto soll höhere Renditechancen am Kapitalmarkt eröffnen und kann wahlweise mit Fonds, Versicherungen oder anderen Anlageformen bespart werden.
- Riester-Rente grundlegend reformieren: Bestandsschutz für bestehende Verträge gewährleisten und zugleich die Riester-Förderung modernisieren. Notwendig sind weniger Bürokratie, mehr Flexibilität in Ein- und Auszahlungsphase sowie fördernde Anreize für fondsbasierte Produkte mit höheren Renditechancen. Das Zulagensystem muss vereinfacht und eine breitere Produktpalette zugelassen werden. Eine Einbeziehung in ein modernes Altersvorsorgekonto (1.) muss gewährleistet sein.
- Frühstart-Rente umsetzen und verzahnen: Einführung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Frühstart-Rente ab 2026. Diese Maßnahme kombiniert Finanzbildung mit langfristigem Vermögensaufbau. Wichtig ist eine nahtlose Verzahnung: Nach Erreichen der Volljährigkeit sollen junge Erwachsene einfach weiter sparen können, z. auch im Rahmen einer reformierten Riester-Rente in ein gefördertes Altersvorsorgekonto (1. und 2.).
- Gesetzliche Rentenversicherung generationengerecht gestalten: Reform der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente, damit die demografische Last nicht einseitig die junge Generation trifft. Anpassungen wie eine schrittweise Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung, die Reaktivierung des Nachhaltigkeitsfaktors und das Vermeiden bzw. Abschaffung von Leistungsausweitungen (z. Rente mit 63, zusätzliche Mütterrente) sind erforderlich, um die finanzielle Stabilität und Fairness zwischen Jung und Alt zu sichern.
- Kultur der kapitalmarktbasierten Vorsorge fördern: Aufbau einer breiten Aktien- und Vorsorgekultur in Deutschland. Finanzwissen soll früh in Schulen vermittelt und Sparen in Produktivkapital gesellschaftlich gefördert werden. Staat und Politik müssen Altersvorsorge-Investments positiv begleiten – z. durch verständliche Informationen (bürgerfreundliche, digitale Rentenübersicht), steuerliche Anreize und den Abbau von Vorurteilen gegenüber Aktien und Fonds und qualifizierten Fachleuten auch in Schulen – damit private Vorsorge als selbstverständlicher Teil der Lebensplanung etabliert wird.
- Betriebliche Altersvorsorge (bAV) entschlossen ausbauen: Opt-out (automatische Einbeziehung) auch außerhalb der Tarifbindung ermöglichen, Bürokratie für kleine und mittlere Unternehmen abbauen, Förderung für Geringverdienende praxistauglich ausrichten und Wettbewerbsneutralität einschließlich der Rolle der unabhängigen Vermittlerinnen und Vermittler sichern.
- Orientierung an internationalen Best-Practice-Modellen: Von erfolgreichen Vorsorgesystemen in anderen Ländern lernen. Beispiele wie Dänemark (kapitalgedeckte Betriebsrenten und Rentenalter koppeln) oder die USA (breite Beteiligung der Bevölkerung an betrieblichen und privaten Pensionsplänen) zeigen, wie höhere Renditen, Flexibilität und Generationengerechtigkeit vereint werden können. Diese Modelle bieten Vorbilder für eine zukunftsfähige Reform in Deutschland.
- Unabhängige Beratung durch Vermittler stärken: Finanzielle Altersvorsorge ist komplex – qualifizierte, unabhängige Finanzdienstleisterinnen und Finanzdienstleister haben insofern einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag und sind unverzichtbar, um Bürgerinnen und Bürger bei der Vorsorge zu helfen. Die Politik muss das Vertrauen in unabhängige Beratung stärken und sicherstellen, dass Finanz- und Versicherungsvermittler im Reformprozess eingebunden sind. Anstatt weitere Hürden für sie aufzubauen, sollten ihre Expertise und Reichweite genutzt werden, um die Bevölkerung flächendeckend zu erreichen.
- Keine Beschränkung oder Ausschließung von Vertriebswegen: Wahlfreiheit des Vorsorgesparers bei Produkt und Vertriebskanal gewährleisten. Staatlich geförderte Vorsorgeangebote dürfen keine Vertriebswege ausschließen. Ein fairer Wettbewerb der Anbieter und Vertriebe stellt sicher, dass jede Zielgruppe auf passendem Weg Zugang zur Altersvorsorge erhält. Ein Monopol einzelner Institutionen oder ein staatlicher Alleingang würden Vielfalt und Innovationskraft hemmen.
- Bürokratische Hürden abbauen: Vereinfachung und Entbürokratisierung aller Vorsorgeprodukte und -prozesse. Komplexe Antragsverfahren, starre Vorgaben (z. Beitragsgarantien) und unübersichtliche Förderbedingungen schrecken Sparer ab. Digitale Lösungen – wie eine automatisierte Zulagenbeantragung oder zentrale Renteninformationsportale – sowie transparente, verständliche Produktangebote sollen den Zugang zur Altersvorsorge erleichtern. Ein einfaches und effizientes Vorsorgesystem erhöht die Akzeptanz und Nutzungsrate in der Bevölkerung.