Welche Ziele verfolgen Sie konkret im Maklervertrieb?
Engemann: Mir geht es nicht darum, den Anteil am Gesamtgeschäft künstlich zu verschieben. Unser Ziel ist Wachstum. Die nächste messbare Marke, die wir in den Blick nehmen, sind drei Millionen Euro Monatsbeiträge Neugeschäft, das haben wir auch auf der Bilanzpressekonferenz genannt. Große Chancen sehen wir im Zusammenschluss mit der Stuttgarter, gerade im Maklervertrieb. Beide sind hier stark, und gemeinsam entsteht Potenzial, etwa für Cross- und Up-Selling zwischen bKV und bAV. Wir kommen mit einem sehr breiten Angebot rund um die Versorgung der Person in den Markt und genau das wollen wir auch im Maklervertrieb gezielt ausspielen.
Welche digitalen Services, technischen Schnittstellen oder praktische Unterstützung bieten Sie dem Vertrieb? Das Thema gewinnt an Bedeutung.
Engemann: Das stimmt – in den letzten Jahren haben wir beim Thema BiPRO deutlich aufgeholt. Zwar sind wir etwas später eingestiegen, inzwischen sind wir aber sehr gut aufgestellt. Die BiPRO-Norm 424 – also die TAA-Strecke für Tarifierung, Angebot und Antrag – ist für alle unsere Produkte implementiert und bei allen wichtigen Vergleichern angebunden. Auch die digitale Post nach BiPRO 430 haben wir teilweise bereits umgesetzt – ein Service, den Makler benötigen. Ein weiterer wichtiger Schritt war unsere Partnerschaft mit Xempus – ursprünglich aus der bAV kommend, heute auch stark in der bKV. Wir sind dort mit allen Produkten vertreten und für alle Vertriebswege nutzbar – und das Schöne: Die Stuttgarter hat sich unabhängig von uns ebenfalls für Xempus im bAV-Bereich entschieden. So können Makler künftig bAV und bKV über eine Plattform bedienen – echte Synergien. Parallel arbeiten wir mit unserer KVNeo GmbH an einem neuen Bestandssystem. Der erste Schwerpunkt dort ist bewusst die betriebliche Krankenversicherung. Das passt perfekt zu unserer strategischen Ausrichtung mit dem Fokus auf die Vollversicherung und die bKV – und bietet auch dem Vertrieb, insbesondere den Maklern, neue, moderne Prozesse mit mehr Effizienz.
Wie lange wird die Entwicklung Ihres neuen Bestandssystems dauern?
Engemann: Wir sind mittendrin. Der erste große Meilenstein ist die Integration der betrieblichen Krankenversicherung – die planen wir in der ersten Jahreshälfte im Jahr 2026 umzusetzen.
Wurde in der Vergangenheit zu wenig in die Modernisierung der Bestandssysteme investiert?
Engemann: Ja, das muss man ehrlich sagen: Es gab bis vor einigen Jahren keine kontinuierliche Weiterentwicklung der Bestandssysteme. Vieles wurde Jahr für Jahr verschoben, notwendige Investitionen blieben aus. Wir sprechen von technischen Schulden, die sich angesammelt haben. Deshalb wurde dann das Ressort IT und Betriebsorganisation unter der Leitung von Ralf Oestereich geschaffen und nun bauen wir u. a. unser Bestandssystem komplett neu auf. Parallel entsteht ein neues Leistungssystem, welches mit Blick auf den demografischen Wandel zwingend nötig ist. Wir wissen, wie viele Mitarbeitende in den nächsten Jahren ausscheiden – und bei weiterem Wachstum müssen wir deutlich mehr Vorgänge effizient bearbeiten. Ziel sind Dunkelverarbeitungsquoten von < 50 %, besonders im Leistungsbereich.
Wie hoch ist Ihre Dunkelverarbeitungsquote aktuell?
Engemann: Um ehrlich zu sein, ausbaufähig, aber wir haben begonnen Roboter einzusetzen, die uns helfen, einzelne Prozessschritte zu automatisieren und zu verkürzen. Bis wir auf dem Niveau sind, das andere Versicherer schon erreicht haben, also etwa 50 Prozent Dunkelverarbeitung bei Leistungsbelegen, müssen wir noch etwas tun. Wir sind jedoch auf einem guten Weg.
Stichwort KI. Die spielt eine immer wichtigere Rolle. Wie weit sind Sie in dem Bereich?
Engemann: Auch wir beschäftigen uns intensiv mit dem Thema und haben die richtigen Weichen gestellt. Bei Künstlicher Intelligenz machen wir derzeit erste praktische Schritte und sehen enormes Potenzial. Besonders in der IT ist das spannend: Standard-Source-Codes lassen sich mittlerweile gut per KI generieren. Noch wertvoller ist der Einsatz bei der Dokumentation. Entwickler können durch den Einsatz von KI enorm entlastet werden, wenn es darum geht, Projekte zu dokumentieren. Eine KI kann den vorhandenen Code analysieren und automatisch verständliche Dokumentationen erstellen – die im Anschluss dann nur noch geprüft werden müssen. Das spart Zeit, und zwar um den Faktor zehn.
Klingt insgesamt eher nach einem Digitalisierungs-Marathon.
Engemann: Definitiv! Und dennoch legen wir gezielt Sprints ein, besonders dort, wo unsere Mitarbeitenden den Fortschritt unmittelbar spüren. Ein gutes Beispiel ist das Wissensmanagement. Wenn ein Kunde anruft und eine Frage stellt, läuft es bisher oft so: „Einen Moment, ich schau mal nach“ – gefolgt von Warten und Unsicherheit. Hier setzen wir an: Künftig reicht ein Stichwort, und sofort erscheinen passende Textbausteine oder Dokumentenauszüge. Wenn der Kunde ein PDF wünscht, geht es direkt per Klick raus. Solche Lösungen entwickeln wir derzeit konkret.
Im Markt sehen wir Versicherer, die ihre AO-Organisation in Richtung Mehrfachagenten umwidmen. In Ihrer Pressekonferenz hatten Sie sich jedoch klar zur AO bekannt. Warum halten Sie daran fest?
Engemann: Unsere Ausschließlichkeit ist traditionell auf die Krankenversicherung spezialisiert – exklusiv im klassischen §84-Modell. Früher hatten wir auch Leben- und Sachprodukte im Portfolio, doch heute steht für uns die personenzentrierte Versorgung im Mittelpunkt. In der Kooperation mit der Stuttgarter entsteht gerade etwas Besonderes, das im Markt seinesgleichen sucht. Wir konzentrieren uns bewusst auf die Themen, die die Menschen bewegen: Gesundheit, Pflege, Altersvorsorge, Berufsunfähigkeit. Warum sollten wir uns da zusätzlich mit Gewerbe, Kfz oder Sachversicherung beschäftigen? Das passt aktuell nicht zu unserer Strategie. Eine Mehrfachvertretung brauchen wir daher nicht – unsere AO ist für das, was wir erreichen wollen, genau richtig aufgestellt.
Was bedeutet der Zusammenschluss der SDK und der Stuttgarter für die Makler, die mit beiden Häusern zusammenarbeiten? Wie muss man sich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Herrn Kannenberg dort vorstellen?
Engemann: Es gibt verschiedene Ansätze, über die wir aktuell nachdenken. Wir sind seit dem 01. Juli gemeinsam mit der Stuttgarter in den sogenannten Gleichordnungskonzern gestartet. Es gibt zwar weiterhin bestimmte kartellrechtliche Aspekte zu beachten, aber wir können systematischer vorgehen und nun können wir Themen, wie „Gibt es gemeinsame Top-Partner?“, „Macht es Sinn, gemeinsam auf sie zuzugehen?“ und vieles mehr diskutieren und organisieren. Dazu gehören auch Fragen wie: „Wird es einen Ansprechpartner für beide Sparten – Leben und Kranken – geben? Oder zwei Spezialisten?“ Wir sind offen für verschiedene Modelle. Wichtig ist uns ein sehr individueller, partnerorientierter Ansatz – keine Lösung von der Stange. Und ob es dann wirklich so funktioniert, wollen wir dann natürlich im Austausch mit den Vertriebspartnern regelmäßig überprüfen – da wird es sicher an der ein oder anderen Stelle noch Korrekturschleifen geben, aber ich traue uns da wirklich viel zu.
Sie haben im Zusammenhang mit der betrieblichen Vorsorge davon gesprochen, dass Sie „das Beste aus beiden Welten“ vereinen wollen. Was heißt das konkret für bAV und bKV? Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Stuttgarter künftig?
Engemann: Ein zentrales Anliegen ist für uns: Maklern eine Plattform zu bieten, auf der sie bAV- und bKV-Geschäft effizient abwickeln können. Möglich wird das durch unsere – aktuell noch getrennten – Kooperationen mit Xempus. Die Stuttgarter ist stark in der bAV, wir in der bKV – diese Stärken wollen wir bündeln und im Markt gezielt einsetzen. Wo einer von uns bereits im Unternehmen vertreten ist, soll zukünftig auch das andere Thema mitgedacht werden. Ein typisches Beispiel: Ist die Stuttgarter in der bAV aktiv, können wir dort über eine bKV-Lösung sprechen – und umgekehrt. Das passt strategisch hervorragend. Ralf Berndt und Jesko Kannenberg freuen sich darauf endlich einen erfahrenen Partner für die bKV im Unternehmen zu haben. Bei der DKM 2024 waren wir am Stand der Stuttgarter zu Gast, allein durch den engeren Austausch haben sich kurz danach bereits bKV-Gruppenverträge bei uns ergeben. Das zeigt: Der Markt beobachtet sehr genau, wie wir uns aufstellen – und wir bringen dafür auch viel mit: Beide Unternehmen sind Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, beide legen großen Wert auf Nähe zu Vertriebspartnern und auf empathische, kompetente Betreuung. Ich bin überzeugt, dass wir genau damit auch zukünftig erfolgreich sein werden. Das ist ein „Supermatch“.
Nochmal zu Jesko Kannenberg: Er kommt von Ottonova. Welche Impulse erwarten Sie sich von der Zusammenarbeit?
Engemann: Das ist natürlich spannend. Jesko bringt einen ganz anderen Blick mit – eben durch seine Erfahrungen bei Ottonova, einem Unternehmen mit einem sehr digitalen Vertriebsansatz. Und genau das sind auch Themen, die uns umtreiben: Wie organisiert man Leads effizient? Wie macht man die Digitalisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette erlebbar – sowohl für die Vertriebspartner als auch für unsere Kundinnen und Kunden? Er hat Ottonova über viele Jahre mitentwickelt, insbesondere im Bereich der Krankenversicherung. Das ist natürlich auch für uns hochrelevant. Ich freue mich sehr darauf, von seinen Ideen zu hören, neue Impulse zu bekommen – und mich davon inspirieren zu lassen. Das kann für unsere Weiterentwicklung nur von Vorteil sein.
Volks- und Raiffeisenbanken spielen eine zentrale Rolle als Absatzkanal. Welche Bedeutung spielt dieser Vertriebsweg in Zukunft?
Engemann: Das war schon bei meinem Start 2017 bei der SDK ein zentrales Thema – und daran hat sich bis heute nichts geändert: Der Bankenvertrieb, insbesondere über die Volks- und Raiffeisenbanken, ist einer unserer wichtigsten Vertriebswege. Das ist eine gewachsene, über Jahrzehnte sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit. Aktuell arbeiten wir mit über 250 Banken – in unterschiedlicher Intensität – zusammen und das soll auch so bleiben. Gleichzeitig wollen wir das Potenzial unseres Geschäftsgebiets künftig noch besser ausschöpfen. Bisher lag unser Schwerpunkt vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, aber wir haben vor, auch in anderen Bundesländern stärker Fuß zu fassen. Im vergangenen Jahr haben wir dafür eine gezielte Bankengewinnungskampagne gestartet – unter dem Motto: „Wir sind eine echte Bank, wenn es um Krankenversicherungen geht.“. Und tatsächlich konnten wir bereits erste Institute neu für uns gewinnen – bislang allerdings noch in unserem angestammten Gebiet, also Bayern und Baden-Württemberg. Wir wollten dort bewusst zunächst testen, wie die Resonanz ausfällt – und die war sehr positiv. Das ermutigt uns jetzt, diesen Weg weiterzugehen und unser Engagement auch in weiteren Regionen auszubauen.
Also auch jenseits des Weißwurst-Äquators?
Engemann: Absolut. Und eines ist auch klar: Wir spüren deutlich, dass sich die Banken im Versicherungsbereich zunehmend breiter aufstellen. Das sieht man nicht nur bei den Volks- und Raiffeisenbanken, sondern auch im Sparkassensektor. Dort war man lange stark auf die Exklusivpartnerschaft mit den Sparkassenversicherern fokussiert – aber auch das verändert sich zunehmend. Dasselbe gilt für die genossenschaftlichen Banken. Der genossenschaftliche Gedanke ist natürlich weiterhin da, aber die Kunden fragen heute breiter nach. Das spiegelt sich in der Produktauswahl wider. Im Bereich Krankenversicherung sehen wir längst nicht mehr nur die R+V als Wettbewerber in den Banken – da ist auch die Allianz vertreten, die Versicherungskammer Bayern und manchmal auch andere. Meist sind es heute drei bis vier Wettbewerber, die gleichzeitig mit uns in einer Bank präsent sind. Und genau das bietet uns Chancen: Wenn sich eine Bank als Mehrfachagent oder gar als Makler aufstellt – warum sollten wir als SDK dort nicht auch vertreten sein? Das ist aus meiner Sicht eine zukunftsfähige Entwicklung und wir wollen dort ganz klar unseren Platz einnehmen.
Sie haben gesagt, dass Sie mit einem neuen Bankenauftritt und einem zentralen Kundenbetreuungsteam gezielt emotionale Nähe schaffen wollen. Wie passt das zur klaren Ausrichtung auf den Vermittlervertrieb?
Engemann: Die Weiterentwicklung unserer Marke war ein bewusster Schritt. Bereits 2017/2018 sind wir visuell neue Wege gegangen – weg von klassischen Realbildern, hin zu einer eigenständigen Bildsprache. Das hat Aufmerksamkeit erzeugt und passte gut zu unserer emotionaleren, persönlicheren Ausrichtung. Heute wollen wir keine radikale Revolution, sondern gezielt weiterentwickeln: Wir kombinieren unsere Bildwelt nun mit Realbildern – für mehr Menschlichkeit und Nähe, gegenüber Vertriebspartnern sowie Kundinnen und Kunden. Unsere Strategie heißt „nachhaltig begeistern“ – und die leben wir. Mitarbeitende sollen gerne zur Arbeit kommen, Vertriebspartner und Mitglieder spürbar Vertrauen erleben. Parallel bauen wir den Direktvertrieb aus, um auch jene zu erreichen, die keinen Vermittlerkontakt haben – persönlich, hochwertig, erfolgreich.
Wenn wir auf den Direktvertrieb schauen, wie bewerten Sie dessen Entwicklung?
Engemann: Über Marktanteile im Direktvertrieb oder bei Direktversicherern zu sprechen, ist ja immer so eine Sache. Da haben schon einige ihre Prognosen wieder einkassieren müssen. Aber klar ist: Für uns gewinnt dieser Kanal zunehmend an Bedeutung. Wenn ich es grob überschlage: Wir hatten im vergangenen Jahr rund 100.000 Mitgliedsbewegungen über den Direktvertrieb bei insgesamt 2,6 Millionen – das sind knapp 4,5 Prozent. Das ist ein Anteil, der sicher weiterwachsen wird.
Abschließende Frage: Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung in Bezug auf Gesundheit und Pflege?
Engemann: Ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt: Es besteht ein grundsätzlicher Wille, die Finanzierung der Sozialversicherung anzugehen, wenn auch an manchen Stellen die Entschlossenheit zu echten Reformen nicht wirklich spürbar ist. Das sieht man u. a. am jüngsten, wenig nachhaltigen, Vorschlag aus den Reihen der SPD zur Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Die Herausforderungen in der Kranken- und Altersversorgung sind gewaltig. Mit kleinen Reförmchen kommen wir nicht weiter, es braucht strukturelle Veränderungen. Für mich steht die Pflege ganz oben auf der Agenda. Die Finanzierung ist fragil, die Kassen leer, gestützt wird mit Steuergeldern. Doch auf Dauer müssen solche Systeme selbst tragfähig sein. Ein ausgewogener Mix aus gesetzlicher und privater Absicherung wäre aus meiner Sicht der richtige Weg. Die Politik sollte hier entschlossen, aber mit Augenmaß handeln.