Viele Aktienmärkte stellen dieses Jahr über 20% Ertrag in Aussicht. In den USA könnte der S&P 500 schon das dritte Jahr in Folge um mehr als 20% steigen, und die Marktkapitalisierung könnte um über 10 Billionen US-Dollar zulegen. Auf dem Papier ist das ein riesiger Vermögenszuwachs, und der KI-Boom sorgt zudem für hohe Investitionen. Der dritte Wachstumstreiber in den USA sind die fallenden Zinsen. Von einem Gleichgewicht kann zwar keine Rede sein, aber die Konjunktur bleibt stabil.
Wachstumsfaktoren neu denken
Vor einigen Wochen schrieb ich über die drei wichtigsten Wachstumstreiber in den USA: den Vermögenseffekt, die günstigen Kreditbedingungen und die expansive Fiskalpolitik. Heute möchte ich meine Analyse etwas verfeinern und den KI-Boom als eigenen Faktor betrachten. Er ist der wichtigste Grund für den Vermögenseffekt, ergänzt um die Wirtschaftspolitik. Damit meine ich die expansive Geld- und Fiskalpolitik und nicht Trumps polemische „America First“-Rhetorik. Diese Woche standen die weiter steigenden KI-Investitionen, die Geldpolitik und der Vermögenseffekt gleichermaßen im Blickpunkt.
Boomzeit
Die Drittquartalszahlen amerikanischer Technologieunternehmen waren eindeutig – nichts sprach diese Woche für fallende KI-Investitionen. Mehrere Hyperscaler wollen mehr ausgeben, damit die Kapazitäten mit der wachsenden KI-Nachfrage Schritt halten. Die Gewinne lagen zwar meist über den Erwartungen, aber manche Anleger irritierten die höheren Ausgabenpläne für die nächsten Quartale. Die große Frage ist, ob die Gewinne von morgen reichen, um die Investitionen von heute zu rechtfertigen. Die uneinheitlichen Kursreaktionen auf die Gewinnmitteilungen zeigen, wie sehr der Markt bei Investitionen auf die Gewinnerwartungen achtet.
Investieren, um radikal zu verändern
Die Zahlen sind enorm. Die Investitionen der acht größten S&P-500-Unternehmen – und damit der großen Technologiekonzerne – machen fast ein Zehntel der privaten Investitionen gemäß VGR aus (wobei die Aussage etwas hinkt, weil die Unternehmen auch im Ausland investieren). Meta berichtete über 18 Milliarden US-Dollar Investitionen im 3. Quartal, Microsoft über mehr als 19 Milliarden US-Dollar, Googles Muttergesellschaft Alphabet über fast 24 Milliarden. Die Auswirkungen dieser Investitionen auf Wirtschaft und Lieferketten sind kaum zu überschätzen. Die Botschaft ist eindeutig: Ohne massive Investitionen lassen sich kaum ausreichende Kapazitäten für die Nachfrage nach alten und neuen KI-Produkten schaffen. Die Ausgaben für Datenzentren, Hardware, Energie und vieles andere stärken das Wirtschaftswachstum enorm. Noch größer wurde die Euphorie, als Bloomberg über den geplanten Börsengang von OpenAI berichtete. Er soll 1 Billion US-Dollar einwerben. Das ist zwar weit von den 5 Billionen US-Dollar Börsenwert von NVIDIA entfernt, aber für ein Start-up nicht schlecht!
Geld verbrennen, Geld leihen
Die Kassen der Technologiekonzerne sind gut gefüllt. Laut Bloomberg verfügten die acht größten Unternehmen zum Ende des 3. Quartals über Barmittel und Geldmarktanlagen in Höhe von etwa 500 Milliarden US-Dollar. Wenn man so viel verdient wie sie, überrascht das nicht. Gemessen an Aktiva und Umsätzen sind sie auch nicht hoch verschuldet. Aber das könnte sich allmählich ändern. Am Donnerstag gab Meta die Emission einer Unternehmensanleihe mit 30 Milliarden US-Dollar Volumen bekannt, verteilt auf sechs Laufzeiten. Der KI-Wettlauf erfordert höhere Investitionen, und sie müssen finanziert werden. Die Zeichnungswünsche für die Anleihe betrugen dem Vernehmen nach über 125 Milliarden US-Dollar. Anleger finden die Coupons interessant, weil sie nach all den Investitionen hohe Gewinne erwarten. Dazu ein Gedanke: Ist eine Anleihe mit einem Coupon von 5,75%, fällig 2065, zurzeit besser als eine Meta-Aktie mit einer Dividendenrendite von 0,3%, die um 38% gestiegen ist?
                
													
										











