Konjunktur: Sanfte Landung in den USA und harter Aufprall in Europa?

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Die schlechten Wirtschaftsnachrichten für die europäischen Volkswirtschaften reißen nicht ab, beobachtet Markt Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay Asset Management. Er sieht bessere Chancen bei US-Anlagen.

„Das jährliche Wirtschaftssymposium der Fed in Jackson Hole stand in der vergangenen Woche im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Anleger. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich der Vorsitzende Jerome Powell in seiner heutigen Rede nicht allzu sehr zu den Zinsaussichten äußern wird. Die Renditen sind seit Ende letzten Monats, als wir darauf hingewiesen hatten, dass der FOMC im Zuge der Lockerung der Finanzbedingungen unruhig geworden war, erheblich gestiegen.

Die Fed hat bereits mitgeteilt, dass sie sich in einem datenabhängigen Modus befindet. Daher wird die Entscheidung, ob sie die Zinsen auf der Sitzung im September um 75 oder 50 Basispunkte anheben wird, von den in den nächsten Wochen eingehenden Informationen über die Inflation und die Beschäftigtenzahlen abhängen. Im Großen und Ganzen bezweifeln wir, dass Powell zum jetzigen Zeitpunkt viele Prognosen abgeben kann und die Entwicklung der Zinssätze wird letztendlich davon abhängen, wie schnell der Inflationsdruck in den kommenden Monaten nachlassen wird.

In der Zwischenzeit reißen die schlechten Wirtschaftsnachrichten nicht ab und treffen vor allem die europäischen Volkswirtschaften. Die Verknappung des Gasangebots treibt die Preise weiter in die Höhe, was den Ruf nach politischen Maßnahmen gegen den Druck auf die Lebenshaltungskosten noch lauter werden lässt. Die Strompreise für ein Jahr in Frankreich erreichten diese Woche mit 870 Euro pro MWh einen neuen Höchststand und liegen damit um das 20-fache über dem Durchschnitt von 41 Euro, der für den Zeitraum 2020-2021 verzeichnet wurde.

Die steigenden Energiepreise lassen die Inflationsprognosen weiter in die Höhe schnellen. Sollte sich der Gesamtpreisanstieg in den zweistelligen Bereich bewegen, könnten die Realeinkommen um 10 % zurück gehen. Als Faustregel könnte dies durchaus zu einem Rückgang des BIP um etwa 4 % führen, wenn man die Konsumaussichten zugrunde legt. Daher besteht das Risiko, dass die sich abzeichnende Rezession aus wirtschaftlicher Sicht so schwerwiegend sein könnte wie diejenige, die wir nach der Finanzkrise im Jahr 2008 erlebt haben.

Versuche, dies zu mildern, indem die Staatsbilanzen zur Begrenzung der Energiepreise genutzt werden, könnten dieHaushaltsdefizite um rund 4% erhöhen und diese in den europäischen Volkswirtschaften auf ein Niveau zwischen 8-10% treiben, es sei denn, die Gaspreise können auf das Niveau von 2021 zurückkehren. Dies hängt eindeutig von der Beendigung der Feindseligkeiten in der Ukraine und der Aufhebung der russischen Sanktionen ab, aber es ist sehr schwierig, dieses Ergebnis in absehbarer Zeit zu prognostizieren.

Natürlich könnten sich die Aussichten schlagartig ändern, wenn wir hören, dass Putin seine Truppen abziehen und auf Frieden drängen will. Abgesehen davon halten wir es jedoch für richtig, insgesamt eine vorsichtige Haltung einzunehmen und wir sehen weiterhin bessere Chancen in USD-Anlagen im Vergleich zu ihren europäischen Pendants. Am Devisenmarkt machte der Dollar Schlagzeilen, als er im Laufe der Woche unter die Parität zum Euro fiel. Aufgrund der divergierenden Fundamentaldaten vermuten wir, dass der USD-Trend noch weiter anhalten könnte.

Aufgrund des hohen US-Leistungsbilanzdefizits und der überzogenen PPP-Bewertung des Greenback sind wir jedochvorsichtig, wenn es darum geht, bestehende Dollar-Long-Positionen aufzustocken. Andernorts bleiben wir bei unserer zurückhaltenden Einschätzung des Pfunds (und aller anderen britischen Vermögenswerte).

Wir bleiben auch gegenüber dem polnischen Zloty und der tschechischen Krone negativ eingestellt und erwarten, dass sich die makroökonomischen Divergenzen in den kommenden Monaten stärker in den relativen Devisenbewertungen niederschlagen werden.

Blick in die Zukunft

Der September steht kurz bevor und die Investoren kehren an die Märkte zurück.

Wir sind der Meinung, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keinen offensichtlichen ‘Back to School Trade‘ gibt. Vielmehr neigen wir dazu, so weiterzumachen wie bisher und nach Gelegenheiten zu suchen, bei Stärke zu verkaufen und bei Schwäche zuzukaufen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Volatilität in nächster Zeit nachlässt und dies sollte zu Gelegenheiten führen.

In diesem Kontext ist es unser bevorzugter Ansatz, eine geduldige Position einzunehmen und auf klarere, asymmetrische Möglichkeiten zu warten. Eine makroökonomische Divergenz, wie wir sie derzeit zwischen Europa und Nordamerika erleben, ist historisch ungewöhnlich und der Rest des Jahres 2022 dürfte ebenso holprig bleiben wie die Monate zuvor.“

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